Im Koalitionsvertrag vom 7.12.2021 ist auch eine Reihe von Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts enthalten. Die Spannweite reicht von der Digitalisierung von Gründungsprozessen über Compliance-Aspekte bis zu für den mittelständischen Bereich besonders wichtigen neuen Rechtsformen und der Start-up-Förderung.
Praxis-Info!
Problemlage
Wenn eine neue Regierung ihre Arbeit aufnimmt, stehen Maßnahmen im grundsätzlich bewährten Gesellschaftsrecht nicht unbedingt ganz oben auf der Prioritätenliste. Dennoch sind im Koalitionsvertrag vom 7.12.2021 auch diesbezüglich Neuerungen vorgesehen. Die mittels Digitalisierung erleichterte Gründung von Gesellschaften sowie die Einführung neuer Gesellschaftsformen dürften in der Praxis von großer Bedeutung sein. Über diese und weitere wesentliche Aspekte wird nachfolgend informiert.
Lösung
(1) Erleichterte Gründung mittels Digitalisierung: Noch unter der Vorgängerregierung wurde ein Gesetz verabschiedet, das künftig die Bargründung von GmbHs oder Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) im Wege eines notariellen Online-Verfahrens ermöglicht. Dies gilt ab dem 1.8.2022 und soll über ein von der Bundesnotarkammer bereitgestelltes Videokommunikationssystem erfolgen. Die Gründung kann so ohne physisches Erscheinen der Gründer vor dem Notar vollzogen werden. Entsprechendes gilt dann auch für notariell zu beglaubigende Handelsregisteranmeldungen bei Kapitalgesellschaften.
Die neue Regierungskoalition will nun einen Schritt weitergehen und Beurkundungen per Videokommunikation auch bei Sachgründungen und weiteren Beschlüssen erlauben. Darüber hinaus sollen für Gründungswillige sog. „One Stop Shops“ als Anlaufstellen für Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung eingerichtet werden. Ziel ist es, Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden zu ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, wie genau die Umsetzung hier aussehen soll. In Betracht käme etwa die Einrichtung eines entsprechenden Online-Portals.
(2) Neue Gesellschaftsformen: Vorgesehen ist ferner die Einführung von neuen Gesellschaftsformen, wie z.B. Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen. Letztere werden unter dem Gesichtspunkt des nachhaltigen Wirtschaftens bzw. der Corporate Social Responsibility (Stichwort: Nachhaltigkeit) schon länger diskutiert. Bei dieser Rechtsformvariante bleiben die erwirtschafteten Gewinne langfristig in der Gesellschaft und unterliegen nicht dem Zugriff der Gesellschafter. Diese verstehen sich quasi als Treuhänder für die nächste Unternehmensgeneration. Die hierfür zu schaffende Rechtsgrundlage soll Steuersparkonstruktionen dabei ausdrücklich ausschließen.
(3) Sonstige gesellschaftsrechtlich relevante Vorhaben: Über die genannten Rechtsgebiete hinaus sind Veränderungen hinsichtlich der Durchführung von Hauptversammlungen, bei den Mitbestimmungsregelungen sowie im Compliance-Bereich wie folgt geplant:
- Online-Hauptversammlungen: Die pandemiebedingt vorübergehend eingeführte Möglichkeit der virtuellen Hauptversammlung ist als dauerhafte Option geplant, wobei die Aktionärsrechte umfassend gewährleistet werden sollen. Nicht erwähnt wird allerdings die – wünschenswerte – Erweiterung der Regelungen auch auf die GmbH.
- Mitbestimmung: Die unternehmerische Mitbestimmung soll weiterentwickelt werden. Angedacht ist z.B., dass auch die Rechtsform der SE (Societas Europaea) in die Pflicht zum mitbestimmten Aufsichtsrat hineinwachsen kann, was bisher nur in Ausnahmefällen greift.
- Compliance: Der Koalitionsvertrag sieht ferner eine Überarbeitung der Vorschriften über die Unternehmenssanktionen inkl. der Sanktionshöhe bei Verstößen gegen Compliance-Pflichten vor. Außerdem soll für interne Untersuchungen ein präziser Rechtsrahmen geschaffen werden.
- Als weitere Maßnahmen zur Etablierung eines Start-up-Standorts Deutschland sollen Börsengänge und Kapitalerhöhungen gerade auch für Wachstumsunternehmen und KMU erleichtert werden. Zudem wird die Einführung von Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten angekündigt.
- Die Umsetzung der vereinbarten Neuerungen bleibt abzuwarten. Dies kann allerdings mitunter etwas Geduld erfordern. So waren z.B. die Planungen für „One-Stop-Shop“-Anlaufstellen für Gründer auch bereits in den Koalitionsverträgen der beiden Vorgängerregierungen enthalten (!).
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RA/StB Frank Moormann, PKF Fasselt Partnerschaft mbB Braunschweig
BC 3/2022
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