FG Münster, Urt. v. 1.3.2023 – 11 K 2517/21 G (Revision zugelassen)
Verlustvorträge gehen in der Regel bei einem Wegfall der Unternehmeridentität unter. Doch wie ist dies, wenn die Unternehmeridentität eines Organträgers unterjährig wegfällt? Können in einem solchen Fall die Organschaftsgewinne und -verluste bis zum Zeitpunkt des Wegfalls der Unternehmeridentität verrechnet werden? Das Finanzgericht (FG) Münster hat hierzu eine klare Meinung.
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Problemstellung
Die Klägerin war Organträgerin in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit zwei GmbHs als Organgesellschaften. Innerhalb des Wirtschaftsjahres brachten einige der Kommanditisten ihre Anteile in eine neue GmbH & Co. KG ein. Unstreitig ging damit die Unternehmeridentität der ursprünglichen Organträgerin verloren. Bis zum Zeitpunkt der Umstrukturierung hatte die Organträgerin im laufenden Geschäftsjahr Verluste erwirtschaftet. Die beiden Organgesellschaften hatten dagegen Gewinn erzielt, welche die Verluste der Organträgerin überstiegen.
Im Rahmen einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Schluss, dass die bis zum Zeitpunkt der Umstrukturierung angefallenen Verluste in dem Wirtschaftsjahr bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organschaft nicht berücksichtigt werden dürfen. Begründung: Durch den Wegfall der Unternehmeridentität sind auch die bis dahin angefallenen Verluste untergegangen.
Aus Sicht der Klägerin waren dagegen zu keinem Zeitpunkt Verluste angefallen, da die Organschaft im Ganzen zu jeder Zeit einen Überschuss erzielt hat.
Lösung
Das FG Münster folgt der Auffassung des Finanzamts. Zunächst stellt das Gericht fest, dass ein Anspruch auf Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlusts nach § 10a GewStG durch den Gesellschafterwechsel untergegangen ist. Dies trifft auch im streitigen Erhebungszeitraum auf den Verlust zu, der auf der Ebene der Organträgerin in der Zeit bis zum Ausscheiden der Kommanditisten entstanden ist.
Der Gewerbeertrag einer Organschaft ist in einem zweistufigen Verfahren zu ermitteln:
- Zunächst ist der Gewerbeertrag der Organgesellschaft so zu ermitteln, als wäre diese Gesellschaft ein selbständiges Steuersubjekt.
- Anschließend ist der selbständig ermittelte Gewerbeertrag der Organgesellschaft mit dem für den Organträger selbst ermittelten Gewerbeertrag zusammenzurechnen.
Aufgrund dieses zweistufigen Verfahrens scheidet eine fortlaufende Gewinnverrechnung innerhalb des Wirtschaftsjahres zwischen Organträger und Organgesellschaft aus. Insofern können die bis zum Wegfall der Unternehmeridentität angefallenen Verluste des Organträgers nicht unterjährig mit den Gewinnen der Organgesellschaften verrechnet werden. Die unterjährig bis zum Gesellschafterwechsel angefallenen Verluste gehen daher unter.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 6/2023
BC2023614