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Neues zur Bilanzierung von Wertpapierleihen

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 29.2.2021, I R 40/17

 

Durch den Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandal („ex“ – ohne Dividendenanspruch; „cum“ – mit Dividendenberechtigung) sind die mit einer Wertpapierleihe verbundenen steuerbilanziellen Spielräume einem breiten Publikum bewusst geworden. Entscheidend ist bei vielen Konstrukten, bei welcher Partei die Wertpapiere zu bilanzieren sind – beim Darlehensgeber oder beim Darlehensnehmer. Der BFH hat hierzu nun einige Regeln aufgestellt.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger (ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) hatte mit fünf Banken einen Rahmenvertrag über Wertpapierdarlehen geschlossen. Jede Vertragspartei konnte dabei als Darlehensgeber oder -nehmer auftreten. Der Darlehensnehmer war zur Zahlung einer Leihgebühr und zur Rückübertragung von Wertpapieren gleicher Art und Menge verpflichtet. Die Kündigungsfrist des Darlehensnehmers betrug einen Geschäftstag, die des Darlehensgebers zwischen drei und fünf Geschäftstage.

Während der Darlehenslaufzeit auf die Wertpapiere gezahlte Zinsen, Gewinne und sonstige Ausschüttungen waren dem Darlehensgeber in Höhe des Gegenwerts mit Wertstellung zum Tag der tatsächlichen Zahlung zu erstatten.

Aufgrund dieser Ausgestaltung lag das Kursrisiko beim Darlehensnehmer. Dieser konnte die Wertpapiere nach Erhalt verkaufen und bei sinkenden Kursen zu einem späteren Zeitpunkt wieder günstig erwerben. Der hieraus erzielte Gewinn stand vollständig dem Darlehensnehmer zu.

Der Kläger buchte zu Darlehensbeginn die jeweiligen Wertpapiere aus dem Anlage- in das Umlaufvermögen um und erfasste an deren Stelle die Rückübertragungsforderungen aus den Darlehensverträgen im Wege eines erfolgsneutralen Aktivtauschs. Bei Kursverlusten während der Darlehenslaufzeit wurden die Rückübertragungsforderungen auf den jeweiligen Marktwert am Abschlussstichtag wertgemindert.

Aus Sicht des Finanzamts war der Kläger als Darlehensgeber jedoch wirtschaftlicher Eigentümer der Wertpapiere geblieben, sodass er die Aktien nicht ausbuchen und durch Rückübertragungsforderungen ersetzen hätte dürfen.

 

 

Lösung

Wie schon das erstinstanzliche Finanzgericht (FG) widerspricht auch der BFH der Auffassung des Finanzamts. Zu Recht hat der Kläger in seinen Bilanzen die Rückübertragungsforderungen aktiviert, da er zu den Bilanzstichtagen weder zivilrechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien war.

Rechtsfehlerfrei hat das erstinstanzliche FG dargelegt, dass die mit den Wertpapieren verbundenen Kurschancen und Kursrisiken auf die Darlehensnehmer übergegangen seien. Die relativ kurze Kündigungsfrist steht dem nicht entgegen. Selbst innerhalb von drei Tagen wäre es für den Darlehensnehmer möglich gewesen, spekulative Gewinne oder Verluste zu erzielen. Auch die Pflicht zur Leistung von Kompensationszahlungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zuordnung kommt aufgrund der übergegangenen Kurschancen und -risiken nicht in Betracht. Dabei ist es ausreichend, dass der Darlehensnehmer die Möglichkeit hat, die Kurschancen und -risiken zu nutzen. Eine tatsächliche Absicht zur Nutzung der ausgeliehenen Wertpapiere muss nicht vorliegen.

Der Kläger hat folgerichtig die Rückübertragungsforderungen erfolgsneutral aktiviert. Soweit die ermittelten Teilwerte der Rückübertragungsforderungen zu den Bilanzstichtagen jeweils um mehr als 5% niedriger gelegen haben als die aktivierten Buchwerte, sind die vom Kläger vorgenommenen Teilwertabschreibungen berechtigt.

Bei börsennotierten Aktien ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5% der Notierung bei Erwerb überschreitet.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 4/2022

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