BFH-Urteil vom 3.5.2022, IX R 7/21
Die Abgrenzung von sofort abziehbarem Erhaltungsaufwand gegenüber anschaffungsnahen Herstellungskosten beschäftigt die Finanzgerichte in regelmäßigen Abständen. Häufig geht es dabei um Nuancen. Der BFH hat sich nun aber mit einer fundamentalen Kernfrage auseinandergesetzt: Was ist eigentlich eine Anschaffung?
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Problemstellung
Der Kläger entnahm aus seinem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen eine Wohnung und nutzte sie privat zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Nach erfolgter Entnahme führte der Kläger mehrere Baumaßnahmen an der Wohnung durch, welche er als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen behandelte.
Aus Sicht von Finanzamt und Finanzgericht lagen dagegen anschaffungsnahe Herstellungskosten vor, welche den Gebäudewert erhöhen und der AfA zu unterwerfen seien.
Lösung
Der BFH widerspricht der Auffassung von Finanzamt und erstinstanzlichem Finanzgericht. Da der Begriff der „Anschaffung“ gesetzlich nicht definiert ist, nimmt der BFH eine Konkretisierung vor. Eine Anschaffung ist dabei durch zwei Aspekte gekennzeichnet:
- Ein Wirtschaftsgut wird im Austausch mit einer Gegenleistung erworben (typischerweise eine Geldzahlung).
- Es liegt ein Rechtsträgerwechsel – also der Übergang von Vermögen zwischen verschiedenen Personen – vor.
Im Ausgangsfall sind beide Aspekte nicht gegeben. Bei einer Entnahme fehlt es an der Gegenleistung. Auch ein Rechtsträgerwechsel liegt bei der Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen desselben Steuerpflichtigen nicht vor. Somit stellt eine derartige Entnahme keine Anschaffung dar. Anders als bei privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG auch keine Gleichstellung von Anschaffung und privater Entnahme im Wege einer gesetzlichen Fiktion hergestellt.
Da keine Anschaffung vorliegt, können auch keine anschaffungsnahen Herstellungskosten vorliegen.
Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen bilden unabhängig von ihrer Höhe Herstellungskosten, wenn sie gemäß § 255 Abs. 2 S. 1 HGB - für eine Erweiterung des Gebäudes entstehen (z.B. Geschossaufstockung, Einsetzen von zusätzlichen Trennwänden, Errichten einer Außentreppe) oder
- zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen (deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts des Gebäudes insgesamt); „Standardhebung“ bei drei der vier zentralen Ausstattungsmerkmale: Fenster – Elektro – Sanitär – Heizung („FESH-Formel“).
Diese Aufwendungen sind dann hinzuzuaktivieren und im Wege der AfA zu berücksichtigen. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 11/2022
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