Dr. Martin Weiss
BFH-Urteil vom 3.5.2022, IX R 22/19
1. Ist nach dem entgeltlichen Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft streitig, in welcher Höhe dem Erwerber auf die (anteilig miterworbenen) abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens AfA zusteht und in welchem Umfang der auf der Gesellschaftsebene ermittelte und ihm zugerechnete Ergebnisanteil deshalb korrigiert werden muss, ist der Erwerber zum Klageverfahren der Gesellschaft gegen den Feststellungsbescheid notwendig beizuladen.
2. Hat der Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft seinen Anteil entgeltlich erworben, kann er AfA auf die anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens nur nach Maßgabe seiner Anschaffungskosten und der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs beanspruchen.
3. Bei der Ermittlung der AfA-Berechtigung des Erwerbers nach entgeltlichem Anteilserwerb erhöhen die dem Anteil entsprechenden Gesellschaftsschulden die Anschaffungskosten des Erwerbers, soweit sie den anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens direkt zugeordnet werden können.
4. Die Anschaffungskosten des Anteilserwerbers sind, soweit sie den Buchwert der erworbenen Beteiligung übersteigen, den anteilig miterworbenen Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens nach dem Verhältnis der in ihnen ruhenden stillen Reserven einzeln zuzuordnen.
5. Beim anteiligen Miterwerb von bebauten Grundstücken des Gesamthandsvermögens ist – soweit es um die AfA des Anteilserwerbers geht – eine erneute Aufteilung der anteiligen Anschaffungskosten auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits erforderlich.
Praxis-Info!
Problemstellung
Personengesellschaften werden unter dem deutschen Ertragsteuerrecht für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer als transparent behandelt. Die Besteuerung setzt insoweit auf Ebene der Gesellschafter ein, während die Einkünfte selbst auf Ebene der Personengesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt werden (§ 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO). Zu unterscheiden ist dabei die Behandlung von gewerblichen und nicht gewerblichen Personengesellschaften (zu den Kriterien z.B. BFH Urt. v. 14.7.2016 – IV R 34/13, BStBl. II 2017, 175, Rz. 29 ff., zu den Einkünften aus einem Einkaufszentrum).
Im Fall der gewerblichen Personengesellschaften gehören einkommensteuerrechtlich „Wirtschaftsgüter, die bürgerlich-rechtlich oder wirtschaftlich Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft sind, grundsätzlich zu deren Betriebsvermögen und nicht – auch nicht anteilig – zum Betriebsvermögen eines an einer solchen Gesellschaft betrieblich Beteiligten. Insoweit wird § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO durch § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 1 EStG verdrängt“ (BFH Urt. v. 21.7.2016 – IV R 26/14, DStR 2016, 2516, Rz. 51). Zu den gewerblichen Personengesellschaften gehören dabei auch solche, die durch Abfärbung oder gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 EStG als gewerblich zu behandeln sind.
Anders verhält es sich bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (siehe dazu auch ausführlich Kemcke/Schäffer in Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 5. Auflage 2022, Dritter Teil, Kapitel 1). „Hier erfolgt gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO für Zwecke der Einkommensbesteuerung eine Zurechnung des Gesamthandsvermögens bei den beteiligten Gesellschaftern nach Bruchteilen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine getrennte Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO für die Besteuerung erforderlich ist, weil die Gesamthandsgemeinschaft selbst nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, aber den Besteuerungstatbestand erfüllt. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO wird bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften auch nicht durch § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 1 EStG verdrängt“ (BFH v. 21.7.2016 – IV R 26/14, DStR 2016, 2516, Rz. 52).
In verschiedenen Bereichen des Ertragsteuerrechts entstehen durch diese Unterscheidung Probleme. Insbesondere im Bereich des „Sonderbetriebsvermögens“, das die Besteuerung gewerblicher Personengesellschaften stark bestimmt, ist bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften eine abweichende Handhabung vorzunehmen: Ein Darlehensvertrag zu der Personengesellschaft ist beispielsweise aufgrund der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerrechtlich insoweit nicht anzuerkennen, als der Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt ist (OFD NRW v. 7.1.2016, DStR 2016, 755; FG Münster Urt. v. 26.8.2021 – 8 K 2860/19 F, BeckRS 2021, 26038; Weiss, DStRK 2021, 282).
Ist diese Handhabung nicht gewünscht, kann durch gewerbliche Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) die Behandlung als Sonderbetriebsvermögen gezielt ausgelöst werden. Zwischenzeitlich steht auch die Option zur Körperschaftsbesteuerung des § 1a KStG offen (siehe dazu auch ausführlich Dorn/Weiss in Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 5. Auflage 2022, Dritter Teil, Kapitel 5). In beiden Fällen ist dann allerdings ein Gewerbebetrieb auch für Gewerbesteuerzwecke vorhanden (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG; § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG i.V.m. § 2 Abs. 8 GewStG).
Bei der Anschaffung eines Anteils an einer Personengesellschaft stellen sich ebenso Fragen der „Gleichbehandlung“ zwischen vermögensverwaltenden und gewerblichen Personengesellschaften. Denn „… der entgeltliche Erwerb eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft ist einkommensteuerrechtlich nicht als Erwerb des Gesellschaftsanteils als Wirtschaftsgut, sondern als Anschaffung von Anteilen an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern zu werten“ (BFH Urt. v. 20.11.2014 – IV R 1/11, BStBl. II 2017, 34, Rz. 14). Die Fortführung der dabei häufig aufzustellenden Ergänzungsbilanzen für den eintretenden Gesellschafter ist dabei zudem kontrovers (BMF 19.12.2016 – IV C 6 – S 2241/15/10005, DStR 2017, 39).
Lösung
Der IX. Senat des BFH hatte nun entsprechende Fragen für den Erwerb einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft zu klären. Auch bei diesen stellt sich die Frage, wie die AfA auf im Gesamthandsvermögen befindliche Gebäude für einen neu eintretenden Gesellschafter zu bemessen ist – in diesem Fall nicht als Betriebsausgabe, sondern als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG).
Entsprechend der Handhabung bei gewerblichen Personengesellschaften kann dabei der entgeltlich eintretende Gesellschafter AfA auf die anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens nur nach Maßgabe seiner Anschaffungskosten und der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs beanspruchen. Insoweit schließt sich der IX. Senat der Rechtsauffassung des IV. Senats für gewerbliche Personengesellschaften (BFH Urt. v. 20.11.2014 – IV R 1/11, BStBl. II 2017, 34) an.
Bei der Ermittlung der AfA-Berechtigung des Erwerbers nach entgeltlichem Anteilserwerb erhöhen die dem Anteil entsprechenden Gesellschaftsschulden die Anschaffungskosten des Erwerbers, soweit sie den anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens direkt zugeordnet werden können. Übersteigen die Anschaffungskosten des Anteilserwerbers den Buchwert der erworbenen Beteiligung, sind sie insoweit den anteilig miterworbenen Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens nach dem Verhältnis der in ihnen ruhenden stillen Reserven einzeln zuzuordnen. Bei bebauten Grundstücken des Gesamthandsvermögens ist zudem eine Aufteilung der anteiligen Anschaffungskosten auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits erforderlich.
- Das Äquivalent zur Ergänzungsbilanz bei den gewerblichen Personengesellschaften ist die „Ergänzungsrechnung“ bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften. Die steuerrechtliche Bewertung der in einer solchen Ergänzungsrechnung ausgewiesenen Rechnungsposten ist grundsätzlich nicht von der Handhabung in der Gesamthandsbilanz abhängig (BFH Urt. v. 29.10.2019 – IX R 38/17, DStR 2020, 1033).
- Besondere Bedeutung hat die Bruchteilsbetrachtung auch für die Frage der erweiterten Gewerbesteuerkürzung auf Ebene des Gesellschafters. Nach Auffassung des Großen Senats des BFH handelt es sich bei dem Grundbesitz der vermögensverwaltenden Tochterpersonengesellschaft um „eigenen“ Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG (BFH Beschl. v. 25.9.2018 – GrS 2/16, BStBl. II 2019, 262). Bei einer Beteiligung an einer gewerblichen Tochterpersonengesellschaft ist dies hingegen gerade nicht der Fall (BFH Urt. v. 27.6.2019 – IV R 44/16, BStBl. II 2020, 24).
- Die Grundsätze des Besprechungsurteils gelten für einen entgeltlichen Erwerb des Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft. Bei einem unentgeltlichen Erwerb eines Einzelwirtschaftsguts bemisst sich die weitere AfA gemäß § 11d Abs. 1 EStDV nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers. Dies gilt nach Auffassung des IX. Senats auch für den Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Umkehrschluss aus § 23 Abs. 1 S. 3, 4 EStG).
|
Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München
BC 10/2022
becklink451662