BFH-Beschluss vom 14.11.2022 – XI B 105/21
Sind die Angaben in einer Rechnung nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder unzutreffend, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen, ist das Finanzamt daran gehindert, das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht ordnungsgemäß ist. Bedingung ist hierbei, dass das Finanzamt über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorliegen.
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Problemstellung
Ein Unternehmen hatte im Jahr 1992 den Vorsteuerabzug aus Rechnungen in Anspruch genommen, die zwar Angaben zum Leistungsempfänger enthielten, die aber entweder fehlerhaft oder unvollständig waren. Im Jahr 2014 gingen dem Unternehmen berichtigte Rechnungen zu, die es als Leistungsempfänger nunmehr zutreffend bezeichneten. Aufgrund der Rechnungsberichtigungen wurde für das Streitjahr 2014 ein erstmaliger Vorsteuerabzug verlangt.
Finanzamt und Finanzgericht folgten dem nicht. Die in 1992 ausgestellten Rechnungen waren bereits berichtigungsfähig. Sie enthielten Angaben zum Leistungsempfänger, die nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder unzutreffend waren, dass sie fehlenden Angaben gleichstanden. Außerdem wurde der Vorsteuerabzug aus den ursprünglichen Rechnungen bereits in 1992 in Anspruch genommen. Rückzahlungsbeträge aufgrund geänderter Festsetzungen seien nicht entrichtet worden.
Lösung
Der BFH folgt der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht.
Die im Jahr 1992 ausgestellten Rechnungen waren berichtigungsfähig, da sie Angaben zum Leistungsempfänger enthielten, die nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder unzutreffend waren, dass sie fehlenden Angaben gleichstanden. Es habe keine Verwechselungsgefahr bestanden. Eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung war daher zulässig. Anders ausgedrückt: Es handelt sich nicht um die Angabe eines Unternehmers, der nicht der tatsächliche Leistungsempfänger ist.
Im Streitfall hatte das Unternehmen den Vorsteuerabzug bereits für das Jahr 1992 zunächst erhalten; fehlende Ausübungsvoraussetzungen wurden durch die Berichtigung rückwirkend hergestellt.
Berichtigungsfähig ist eine Rechnung z.B. dann, wenn sie lediglich ungenaue, aber keine fehlenden Angaben enthält. Beispiele: - Namen und Anschrift des leistenden Unternehmers oder des Leistungsempfängers werden ungenau bezeichnet (z.B. zu dessen Rechtsform). Der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger müssen durch die Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung identifizierbar sein. Wird in einer Rechnung beispielsweise ein Unternehmer als Leistungsempfänger angegeben, der nicht der tatsächliche Leistungsempfänger ist, ist eine rückwirkende Rechnungsberichtigung unzulässig.
- Auch eine ungenaue Angabe der Leistungsbezeichnung kann die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe erfüllen (z.B. nicht spezifizierte Angabe „Beratung“ in der Rechnung eines Rechtsanwalts oder „Bauarbeiten“ in der Rechnung eines Bauunternehmens). Anders bei einer allgemein gehaltenen Angabe, wie z.B. „Produktverkäufe“; diese ermöglicht es nicht, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen.
- Durch die Angabe des Bruttorechnungsbetrags und des gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags lässt sich das Entgelt als Bemessungsgrundlage ohne Weiteres errechnen; insofern liegt eine berichtigungsfähige Rechnung vor. Werden indes lediglich das Entgelt und ein Bruttorechnungsbetrag angegeben, fehlt jedoch ein gesondert ausgewiesener Umsatzsteuerbetrag, mangelt es an einer rückwirkend berichtigungsfähigen Rechnung.
- Wird fälschlicherweise von einem Wechsel der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) ausgegangen und deswegen in der Rechnung hierzu ein Hinweis erteilt, ist die Rechnung rückwirkend berichtigungsfähig.
- Ebenfalls berichtigt werden kann eine Rechnung, wenn der Rechnungsaussteller in einer Rechnung die Umsatzsteuer nicht oder zu niedrig ausweist (vgl. § 31 Abs. 5 UStDV). Allerdings ist dann in der Regel keine Rückwirkung möglich: Belege ohne gesonderten Steuerausweis sind keine Rechnungen und daher einer Berichtigung mit Rückwirkung nicht zugänglich. Ebenfalls kann ein unzutreffend in einer Rechnung zu niedrig ausgewiesener Steuerbetrag nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Das Recht zum Vorsteuerabzug in Höhe des Mehrbetrags kann somit erst in dem Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem der Leistungsempfänger im Besitz der Rechnung ist, die den Steuerbetrag in zutreffender Höhe ausweist. Der Vorsteuerabzug des ursprünglich zu niedrigen Steuerbetrags bleibt bestehen.
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[Anm. d. Red.]
BC 1/2023
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