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Problemstellung
Mit den Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag des § 8 GewStG verfolgt der Gesetzgeber verschiedene Ziele. Auf dem Weg vom „Gewinn aus dem Gewerbebetrieb“ des § 7 S. 1 GewStG hin zum maßgebenden Gewerbeertrag, der schließlich in den Messbetrag Eingang findet, wird insbesondere der „Objektsteuercharakter“ der Gewerbesteuer durch die Hinzurechnungen ausgeformt (BFH Urt. v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498, Rn. 31).
In letzter Zeit haben sich insbesondere um die Hinzurechnung des § 8 Nr. 1 GewStG, die auf die „Finanzierungsneutralität“ bei der Gewerbesteuer zielt, Kontroversen ergeben. Neben Zinsen enthält diese eine Hinzurechnungsvorschrift auch für zinsähnliche Aufwendungen. Deren Abzug bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer wird durch die Hinzurechnung zum Gewerbeertrag teilweise negiert. Mittelstandsfreundlich hat der Gesetzgeber den Freibetrag bei § 8 Nr. 1 GewStG zwischenzeitlich auf 200.000 € erhöht, sodass sich das Problem der Hinzurechnung zinsähnlicher Aufwendungen erst ab einer solchen Größenordnung überhaupt stellt.
Im Fall von Miet- und Pachtzinsen wird hierbei zwischen solchen für bewegliche Wirtschaftsgüter (§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG) und solchen für unbewegliche Wirtschaftsgüter (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG) unterschieden. Die Quoten, zu denen diese dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind, unterscheiden sich jeweils. Gemeinsam ist den beiden Vorschriften jedoch, dass die Wirtschaftsgüter solche des Anlagevermögens sein müssen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass diese Wirtschaftsgüter „im Eigentum eines anderen stehen“ müssen. Daher handelt es sich nur um eine „fiktionale Annahme von Anlagevermögen als Tatbestandsvoraussetzung“ (BFH Urt. v. 25.10.2016 – I R 57/15, DStR 2017, 24).
Zu diesem Tatbestandsmerkmal hat der BFH nun erneut entscheiden müssen (siehe z.B. bereits BFH Urt. v. 8.12.2016 – IV R 24/11, DStR 2017, 1112; BFH Urt. v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51). Die Klägerin mietete in den Streitjahren 2009 bis 2011 wiederholt auf bestimmten turnusmäßig stattfindenden Messen Ausstellungsflächen und Räumlichkeiten an, um ihre Produkte dort zu präsentieren. Sie selbst hat keinen Direktvertrieb, sondern verkauft ihre Produkte durch ein stehendes Händlernetz.
Das Finanzamt rechnete die Aufwendungen für die Messestände dem Gewerbeertrag hinzu, da der Freibetrag von (in den Streitjahren) 100.000 € bereits überschritten war. Das FG hatte hingegen der Klage gegen den Messbescheid stattgegeben (FG Münster Urt. v. 9.6.2020 – 9 K 1816/18 G, DStRE 2021, 26).
Lösung
Der BFH hat die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen. Im Ergebnis hat er allerdings die Revision einstimmig für unbegründet gehalten (§ 126a FGO-Beschluss). Der Begriff „Anlagevermögen“ müsse fiktiv beurteilt werden: Wären die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Gewerbebetriebs, wenn sie in seinem Eigentum stünden? Bei dieser Prüfung ist der Geschäftsgegenstand des Unternehmens zu berücksichtigen, insbesondere, ob dieser das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter voraussetzt. Die Frage, ob die Mietverhältnisse jeweils kurz- oder langfristig sind, ist dabei jedoch – insoweit entgegen der Definition des § 247 Abs. 2 HGB („dauernd dem Geschäftsbetrieb … dienen“) – nicht entscheidend.
Der BFH hat die konkrete Subsumtion (Unterordnung) des Finanzgerichts unter diese Tatbestandsmerkmale nicht beanstandet und die Revision daher zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung des Geschäftsgegenstands und der Vertriebswege war die Klägerin auf die ständige Verfügbarkeit von Messestandflächen nicht angewiesen. Die kurzfristige Anmietung der Messestände lasse hier gerade nicht darauf schließen, dass die Klägerin auf diese dauerhaft angewiesen sei.
- Die Subsumtion (Unterordnung) unter die Regelung des § 247 Abs. 2 HGB, die auch die ertragsteuerliche Einordnung als Anlagevermögen bestimmt (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG; EStH 6.1, „Anlagevermögen“), wird für Zwecke des § 8 Nr. 1 Buchst. d, e GewStG fiktiv (als Annahme) vorgenommen. In anderen Regelungen ist hingegen die tatsächliche Einordung beim Steuerpflichtigen entscheidend. So wird bei der Hinzurechnung von Schuldzinsen aufgrund von Überentnahmen eine Ausnahme für „Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens“ gemacht (§ 4 Abs. 4a S. 5 EStG).
- Im Extremfall können durch die Hinzurechnungen des § 8 GewStG aus einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Verlusten positive Gewerbeerträge werden (siehe auch den Umkehrfall der GewStR 10a.1 Abs. 1 S. 5). Der BFH beurteilt auch dieses Besteuerungsergebnis als verfassungsgemäß (BFH Urt. v. 14.6.2018 – III R 35/15, DStR 2018, 1814).
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Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München