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Fallstricke beim Factoring im Falle der Insolvenz des Schuldners

Christian Thurow

BGH Urt. v. 19.12.2024 – IX ZR 114/23

 

Beim Factoring werden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an einen Finanzdienstleister verkauft. Ein aktuelles Urteil des BGH zeigt, dass im Rahmen eines solchen Kaufs auch geregelt sein sollte, wie im Falle einer Zahlungsstörung durch den Schuldner verfahren werden sollte.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin trat ihre Forderungen aus den Lieferverträgen mit einer Schuldnerin im Rahmen eines Factoringvertrags an eine Bank ab.

  • Im November 2013 beendete die Klägerin das Vertragsverhältnis mit der Schuldnerin.
  • Am 4.12.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
  • Am 6. Dezember meldete die Bank ihre Forderungen von über 18 Mio. € zur Insolvenztabelle an.
  • Am 9. Dezember meldete die Klägerin ihrerseits die Forderungen zur Insolvenztabelle an.
  • Während des Prüfungstermins am 13.2.2014 bestritt die Schuldnerin beide Forderungen, wobei der Forderung der Klägerin nur vorläufig widersprochen wurde.
  • Am 10.4.2014 trat die Bank die erworbenen Forderungen wieder an die Klägerin ab und zog ihre Anmeldung zur Insolvenztabelle zurück.
  • Im Jahr 2018 lehnte der Insolvenzverwalter die Forderung der Klägerin endgültig ab, was auch von den erstinstanzlichen Gerichten bestätigt wurde.

 

 

Lösung

Auch der BGH kommt zu dem Schluss, dass die Forderungen der Klägerin nicht wirksam zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind. Die Anmeldung der Forderungen erfolgte am 9.12.2013. Diese waren dann Gegenstand des Prüfungstermins im Februar 2014. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin aber die Forderungen abgetreten. Die im Klageverfahren von der Klägerin geltend gemachten Forderungen resultieren aus der Rückabwicklung des Factoringvertrags im April 2014. Somit waren die Forderungen zum Zeitpunkt des Prüfungstermins nicht rechtsidentisch mit den im Klageverfahren geltend gemachten Forderungen. In dem Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht – bzw. in der Umkehrung – liegt wegen der Änderung des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts ein Wechsel des Streitgegenstands vor.

Die Anmeldung einer fremden Forderung ist im Insolvenzverfahren nicht zulässig. Somit war die Anmeldung der Klägerin zum 9.12.2013 nichtig. Eine weitere Anmeldung nach der Rückabwicklung des Factoringvertrags hat nicht stattgefunden. Die zulässige Anmeldung der Forderungen durch die Bank war nach der Rückabwicklung zurückgezogen worden. Somit sind die Forderungen nicht wirksam zur Insolvenztabelle angemeldet worden.

 

 

Praxishinweis:

Beim Factoring werden noch nicht beglichene Kundenforderungen an einen Factoringdienstleister, den Factor (im Streitfall eine Bank), verkauft. Bereits nach wenigen Tagen wird ein Großteil der Forderungen – deutlich vor der eigentlichen Fälligkeit – an das verkaufende Unternehmen (sog. Anschlusskunde) ausgezahlt, meist 85 bis 90%. Beim echten Factoring übernimmt der Factoring-Geber bzw. Factor das Delkredererisiko. Daher behält sich der Factor den verbleibenden Teil der Forderungen ein (Sicherungseinbehalt), um seine Kosten zu decken für den Fall, dass es Zahlungsschwierigkeiten gibt, z.B. ein Kunde säumig wird.

In der Praxis existieren verschiedene Factoring-Varianten. Die „gängige” ist das Full-Service-Factoring. Bei ihm werden Kundenrechnungen bei der Factoringgesellschaft eingereicht und von dieser bezahlt. In der Regel ist ein Forderungsausfallschutz Bestandteil des Vertrags. Der Factor sichert sich wiederum mit einer Kreditversicherung ab. Die Kosten liegen je nach Vertragsstruktur und Volumen aktuell zwischen 0,10% und 5,00% vom Umsatz. Zudem übernimmt der Factor das Debitorenmanagement. Das Full-Service-Factoring – in der Branchenterminologie auch „Standard-Factoring” genannt – beinhaltet somit die drei Funktionen Finanzierung, Delkredere und Dienstleistung (vgl. Godek, BC 2014, 523 ff., Heft 12).

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 2/2025

BC20250201

 

 

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