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Keine Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen im Falle des Schuldbeitritts

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 26.4.2012, IV R 43/09

 

Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen sind nicht zu bilden, wenn eine Inanspruchnahme am maßgeblichen Bilanzstichtag infolge eines Schuldbeitritts nicht (mehr) wahrscheinlich ist. In einem solchen Fall ist auch kein Freistellungsanspruch wegen des Schuldbeitritts zu den Pensionsverpflichtungen zu aktivieren.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine KG hatte ihren Mitarbeitern in 1992 einen Anspruch auf Alters- und Invalidenrente für jedes anrechenbare Dienstjahr eingeräumt und diesen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in Handels- und Steuerbilanz bilanziert. Im Streitjahr 2002 hatte sie dann mit einer konzernverbundenen GmbH einen entgeltlichen Schuldbeitritt vereinbart, mit dem sich die GmbH im Innenverhältnis verpflichtete, als weitere Schuldnerin für die Pensionszusagen einzustehen. Als Gegenleistung war von der KG ein sofort fälliges, an den Barwerten der Zahlungsverpflichtungen orientiertes Basisentgelt zu zahlen. Auf der anderen Seite war die GmbH verpflichtet, die Zahlungen unter Ausschluss eines Ausgleichsanspruchs zu leisten. Für den Fall, dass die KG in Anspruch genommen werden sollte, sollte sie die Zahlungen im Innenverhältnis für die GmbH leisten, diese Zahlungen aber einmal jährlich nachschüssig ausgeglichen erhalten.

Auf dieser Basis wies die KG für das Streitjahr 2002 dann keine Pensionsrückstellung mehr aus (weil infolge der Freistellung durch den Schuldbeitritt keine wirtschaftliche Belastung mehr bestehe) und behandelte das gezahlte Basisentgelt als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe.

Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Pensionsverpflichtungen auch nach dem Schuldbeitritt fortbestünden und der Freistellungsanspruch in Höhe des gezahlten Basisentgelts (Anschaffungskosten) als Forderung zu aktivieren sei. Eine Auflösung sei nicht zulässig, weil der Grund für die Rückstellung nicht entfallen sei (§ 249 Abs. 2 Satz 2 HGB). Durch den Schuldbeitritt sei lediglich im Innenverhältnis der Beitretende Schuldner potenzieller Pensionsforderungen geworden.

Dem widersprach das Finanzgericht. Das Finanzamt sei zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin habe in der Bilanz des Streitjahres für die von dem Schuldbeitritt erfassten Pensionsverpflichtungen weiterhin Pensionsrückstellungen zu passivieren. Denn es sei nicht wahrscheinlich, dass die Klägerin daraus in Anspruch genommen werde.

Das im Revisionsverfahren beigetretene Bundesfinanzministerium (BMF) vertrat wiederum die gegenteilige Auffassung, die Pensionsverpflichtungen seien nach § 6a EStG zu passivieren gewesen. An der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme daraus habe sich auch nach dem Schuldbeitritt der GmbH nichts geändert. Die Verpflichtung zur betrieblichen Altersversorgung bestehe bei der Klägerin als Arbeitgeberin fort, die zivilrechtlich und arbeitsrechtlich den Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet bleibe und sich lediglich durch den Vertragsschluss mit der GmbH abgesichert habe. Das Risiko der Inanspruchnahme sei nicht auf die GmbH übertragen worden.

 

 

Lösung

Vor diesem Hintergrund kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die KG weder eine Rückstellung für die vom Schuldbeitritt betroffenen Pensionsverpflichtungen zu bilden hatte noch einen Freistellungsanspruch gegen die beitretende GmbH ansetzen durfte. Der BFH wendet sich insoweit gegen das BMF-Schreiben vom 16.12.2005 (IV B 2 – S 2176 – 103/05, BStBl. I 2005, 1052). Die unterschiedlichen Auffassungen haben ihren Ursprung in der steuerlichen Sonderregel für die Bewertung von Pensionsrückstellungen gemäß § 6a EStG. Aufgrund der zu beachtenden Passivierungsbeschränkungen entstehen bei den Unternehmen stille Lasten. Die in der Bilanz ausgewiesene Pensionsrückstellung wird i.d.R. niedriger als das Entgelt für den Schuldbeitritt. Folglich kommt es bei gewinnerhöhender Auflösung der Rückstellung und Behandlung des Entgelts als Betriebsausgabe zur Entstehung von Verlusten beim Originärschuldner. In Anwendung der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung würde hingegen im Jahr des Schuldbeitritts keine Gewinnänderung eintreten.

Insbesondere widerspricht der BFH vorliegend der Auffassung der Finanzverwaltung, dass sich mit dem Schuldbeitritt die für die Bildung der Pensionsrückstellungen maßgeblichen Verhältnisse nicht geändert haben sollen. Vielmehr habe die Klägerin die stillen Lasten im Wege des entgeltlichen Schuldbeitritts mit Erfüllungsübernahme durch die GmbH realisiert, und eine Inanspruchnahme aus den fortbestehenden rechtlichen Verpflichtungen war nicht mehr wahrscheinlich. Hier wird der BFH deutlich: „Die Auffassung des BMF, dass sich das Risiko der Inanspruchnahme für die Klägerin nicht geändert habe, ist nicht nachvollziehbar.“ Es treffe auch nicht zu, dass der Schuldbeitritt lediglich das Innenverhältnis zwischen Klägerin und GmbH berührt; vielmehr erhielten die Versorgungsberechtigten einen unmittelbaren Anspruch gegen die GmbH als Gesamtschuldnerin.

Insgesamt gesehen sieht der BFH daher die Einwände des Finanzamts und des BMF als nicht gerechtfertigt an.

 

 

Praxishinweise:

  • In sehr ausführlich gehaltener Begründung weist der BFH darauf hin, die hier von ihm vertretene Rechtsauffassung stehe auch mit seiner Rechtsprechung zur bilanziellen Behandlung von Versorgungszusagen in Einklang, für die einerseits eine kongruente Rückdeckungsversicherung abgeschlossen wurde oder die andererseits durch eine selbstständige, umlagefinanzierte Versorgungskasse erfüllt werden.
  • Tragfähige Anhaltspunkte für die vom Finanzamt vorgetragene Auffassung, dass sich die KG mit der gewählten Konstruktion des Schuldbeitritts gesetzlichen Verpflichtungen aus dem BetrAVG, dem BGB oder § 6a EStG entziehen wollte, kann der BFH nicht erkennen.
  • Huken weist der vorliegenden Entscheidung des BFH in seiner Kommentierung (unter DB0481047) für alle Fälle Bedeutung zu, die durch das BMF-Schreiben vom 16.12.2005 erfasst werden. Mit Blick auf das Gestaltungspotenzial durch einen entgeltlichen Schuldbeitritt, bei dem der Zusatzschuldner im Innenverhältnis die Gesamtschulderfüllung übernimmt, bestehe nun Rechtssicherheit. Während der Originärschuldner regelmäßig die Möglichkeit erhalte, stille Lasten steuerwirksam aufzudecken, könne der Zusatzschuldner bei verzinslicher Ausgestaltung der Verpflichtungen zusätzlich steuerwirksamen Aufwand erzeugen (unter Hinweis auf Prinz, FR 2011, 561).
  • Geberth erwartet in seiner Kommentierung (in: BB 2012, S. 1662), dass der BFH seiner jüngeren Rechtsprechung zur steuerbilanziellen Behandlung „angeschaffter Rückstellungen“ auch bei Schuldbeitritten folgen wird. Der feinsinnigen Unterscheidung der Finanzverwaltung zwischen Schuldbeitritten und Schuldübernahmen (siehe auch Künkele/Zwirner, November-Ausgabe, BC 2011, S. 479 ff.) hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 14.12.2011, I R 72/10, eine klare Absage erteilt (vgl. Lange, in: BiM 3/2012, 70). Abzuwarten bleibt für die weitere Entwicklung insbesondere die Entscheidung des BFH im Verfahren I R 69/11.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 7/2012

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