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Gewinnrealisierung bei Verträgen mit werk- und mietvertraglicher Komponente (hier: Gerüstbauvertrag)

Christian Thurow

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.3.2016, 3 K 1603/14 (Revision zugelassen)

 

Während bei Werkverträgen die Gewinnrealisierung regelmäßig erst mit Abnahme des Werks durch den Auftraggeber erfolgt, wird sie bei sog. Dauerschuldverhältnissen fortlaufend verwirklicht. Doch wie sieht das bei gemischten Verträgen aus? Dieser Frage ist das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg in einem aktuellen Urteil nachgegangen.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin betreibt eine Gerüstbaumontage in der Rechtsform einer GmbH. Gegenstand des Unternehmens sind die Aufstellung, Vermietung und der anschließende Abbau von Gerüsten und Gerüstteilen. Die Abrechnung erfolgt nach Einheitspreisen für das erstellte Aufmaß auf Basis einer individuell vereinbarten Grundeinsatzzeit. Bei einer Gebrauchsüberlassung über die Grundeinsatzzeit hinaus erfolgt eine Abrechnung nach Flächen- oder Längenmaß pro Woche, wobei diese Abrechnung Teil der Endrechnung ist. Nach Aufbau eines Gerüsts wird dies von der Klägerin zur Nutzung freigegeben. Nach Fertigstellung der Arbeiten meldet der Kunde das Gerüst ab, und das Gerüstbauunternehmen führt den Abbau schnellstmöglich durch. Eine gesonderte Abnahme von Auf- bzw. Abbau des Gerüsts durch den Kunden findet nicht statt.

Nach dem Aufbau des Gerüsts fordert die Klägerin in regelmäßigen Abständen Abschlagszahlungen an, die als Kundenanzahlung in vollem Umfang passiviert werden. Die Schlussrechnung (und damit die Gewinnrealisierung) erfolgt, sobald sämtliche Gerüstteile der Baustelle abgebaut sind.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass es sich bei der Gebrauchsüberlassung des Gerüsts über die vereinbarte Grundeinsatzzeit hinaus um eine gesonderte Teilleistung handelt. Da der Leistungsempfänger die Teilleistung nutzen und verwerten kann, kommt es bei dieser Teilleistung zu einer Gewinnrealisierung. Die Passivierung der Abschlagszahlungen ist daher um den enthaltenen Mietanteil zu kürzen. Dieser ist als Umsatzerlös zu erfassen.

Die Klägerin vertritt dagegen die Auffassung, dass der Aufbau, das Vorhalten und der Abbau des Gerüsts als eine Einheit anzusehen sind und eine Teilgewinnrealisierung nicht in Betracht kommt.

 

 

Lösung

Das FG Baden-Württemberg folgt in seinem Urteil der Argumentation der Klägerin. Nach allgemeiner Rechtsauffassung bestimmt sich der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung danach, wann die geschuldete Erfüllungshandlung wirtschaftlich erfüllt wurde. Bis zur Gewinnrealisierung handelt es sich um ein sog. schwebendes Geschäft, welches durch Aktivierung (unfertige Erzeugnisse) und Passivierung (erhaltene Kundenanzahlungen) bilanziell neutralisiert wird.

  • Bei Werkverträgen setzt die Gewinnrealisierung die Abnahme des Werks durch den Kunden voraus.
  • Bei Dauerschuldverhältnissen – wie z.B. Mietverträgen – hingegen wird die Gewinnrealisierung fortlaufend verwirklicht.

Eine Teilgewinnrealisierung kann nur dann verwirklicht werden, wenn der Kunde die Teilleistung bereits nutzen bzw. verwerten kann und ein gesonderter Anspruch auf Vergütung vereinbart wurde. Ob bei einem Gerüstbauvertrag der Schwerpunkt auf dem Miet- oder dem Werkvertragsrecht liegt, ist im Schrifttum umstritten. Aus Sicht des FG Baden-Württemberg überwiegt das werkvertragliche Element die mietvertragliche Komponente.

Der Monteur schuldet einen einheitlichen Leistungserfolg, bestehend aus

– Auf- und gegebenenfalls Umbau,

– Vorhaltung und

– Abbau des Gerüsts.

Diese einzelnen Leistungsbestandteile sind aufeinander bezogen und können für sich alleine nicht zweckmäßig genutzt werden. Dies zeigt sich auch in der Abrechnung auf Basis eines Einheitspreises gemäß DIN 18541. Eine gesonderte Abrechnung der Nutzungsüberlassung, die über die Grundeinsatzzeit hinausgeht, findet nicht statt. Des Weiteren trägt die Klägerin bis zum Abbau des Gerüsts das Risiko der Gesamterfüllung des Vertrags. Insofern scheidet eine Teilgewinnrealisierung aus.

Die Revision gegen das Urteil ist zugelassen.

 

 

Praxishinweis:

Im Werkvertragsrecht setzt die Gewinnrealisierung die Abnahme des Werks durch den Kunden voraus. Das FG Baden-Württemberg weist darauf hin, dass diese Abnahme auch implizit erfolgen kann. So wird im Ausgangsfall keine gesonderte Abnahme des Gerüstaufbaus vorgenommen. Allerdings kann die Ingebrauchnahme des Gerüsts durch den Kunden als Abnahme gewertet werden.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 6/2016

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