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Vereinfachung beim elektronischen Rechnungsversand ab 1.7.2011: kritische Hinweise und Praxiskonsequenzen

Peter tom Suden

 

Rückwirkend zum 1.7.2011 sind die neuen Vereinfachungsregeln zur elektronischen Übertragung von Rechnungen (nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 UStG n.F.) in Kraft getreten (siehe hier).

Diese Regelung setzt die von der EU nach Art. 233 MwStSystRL geforderte Gleichstellung von Papier- und elektronischen Rechnungen um, und zwar 18 Monate früher als gefordert. Denn spätestens zum 1.1.2013 haben alle EU-Staaten die Regelung in nationales Recht umzusetzen.

Damit gelten für beide Übermittlungsarten (sowohl Papier- als auch E-Rechnung) für die Dauer der Aufbewahrungsfrist (10 Jahre plus Anlaufsperrfrist bis zu 2 Jahre) die folgenden Anforderungen:

  1. Echtheit der Herkunft der Rechnung, d.h. Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers;
  2. Unversehrtheit des Inhalts, d.h. keine Änderung der nach diesem Gesetz (UStG) erforderlichen Angaben;
  3. NEU: Sicherstellung der Lesbarkeit, und zwar über den ganzen Aufbewahrungszeitraum.

Unverändert gilt die gesetzliche Forderung nach einer Zustimmung des Rechnungsempfängers zum elektronischen Rechnungsdatenaustausch. Ist dieses Verfahren zwischen den Parteien nicht vereinbart, so wird mit einer elektronischen Rechnung nicht gesetzeskonform abgerechnet. Eine schriftliche Vereinbarung des elektronischen Rechnungsdatenaustauschs ist dringend angeraten, um diese Vereinbarung in allen Einzelabreden beweisen zu können.

Die Folgen einer nicht vereinbarten elektronischen Rechnungsstellung sind:

 

Aufseiten des Rechnungsstellers:

  • Die „Rechnung“ kann nicht in Verzug geraten (§ 286 BGB); der Aussteller kann kein Mahnverfahren mit Aussicht auf Erfolg einleiten.
  • Umsatzsteuerlich wird möglicherweise § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG verletzt; die Folge könnte eine Geldbuße von bis zu 50.000 € je Einzelfall sein (§ 26 b UStG).

 

Aufseiten des Rechnungsempfängers:

  • Risiko für Betriebsausgabenabzug, da kein legaler Beleg;
  • Zinsrisiko, wenn der Vorsteuerabzug erst nach „Heilung“ gewährt wird;
  • Risiko für Vorsteuerabzug, wenn „Heilung“ nicht möglich ist.

Selbstverständlich müssen beide Geschäftspartner die schon seit 2002 in den GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) formulierten Anforderungen nach Aufstellen und Vorhalten einer historisierten Verfahrensbeschreibung erfüllen können.

Gegenüber der bisherigen Rechtslage, die bei der elektronischen Rechnung zur Erfüllung dieser Anforderungen nur die beiden Verfahren „qualifizierte elektronische Signatur“ und „EDI“ (Electronic Data Interchange) vorsah, ist der Unternehmer nach § 14 Abs. 1 UStG n.F. nunmehr in einem dritten Verfahren darin frei, wie er die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts gewährleistet (elektronische Signatur und EDI sind also weiterhin möglich). Er kann dies durch innerbetriebliche Kontrollverfahren erreichen, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen einer Rechnung und einer Leistung schaffen. Dies kann auch eine schon geltende, „herkömmliche“ Rechnungseingangsprüfung sein. Diese besteht in einer dokumentierten Belegablage der Transaktion – von der Bestellung bis mindestens zur Bezahlung; gegebenenfalls, z.B. bei Rechnungsdisput, auch darüber hinaus. Nur unter solchen, vom Rechnungsempfänger zu schaffenden Bedingungen können Rechnungen künftig grundsätzlich z.B. auch als pdf-Anlage von E-Mails versendet werden.

 

 

Die gesetzliche Formel hierzu in aller Kürze lautet: Wer (innerbetriebliche Kontrollverfahren ablaufen lassen) kann (und diese in einer historisierten Verfahrensdokumentation nachweist, im Übrigen der Nachweis, dass dieses Verfahren „lebt“), der kann (mit dem Rechnungssteller getrost unter Verzicht auf die Signatur einen elektronischen Rechnungsdatenaustausch per Signatur vereinbaren). Wer das nicht kann, der darf auch nicht! 

 

 

Unter dem sog. „verlässlichen Prüfpfad“ sind sämtliche der Rechnung zugrunde liegenden Dokumente oder Workflows zu verstehen:

Bestellung/Spediteuranweisung => Anerkennungsworkflow => Wareneingang/Leistungsbezug => Zahlungsabwicklung etc. (vergleichbar mit einem gut organisierten IKS – Internen Kontrollsystem).

Die gesetzliche Aufbewahrungsanforderung und -zeit gilt auch für sämtliche Elemente dieses Prüfpfades. Denn nur damit wird ein lückenloser Nachweis darüber erbracht, dass die Rechnung nicht verändert wurde.

Zwar erlaubt der Fiskus einen rein manuellen Bestellabgleich; dieses Verfahren unterliegt aber der Beurteilung in einer späteren steuerlichen Betriebsprüfung. Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem Steuervereinfachungsgesetz auch die Befugnisse der Finanzverwaltung ausgeweitet wurden. Im Rahmen einer sog. Umsatzsteuer-Nachschau bleibt dem Unternehmen keinerlei Zeit mehr zu vorbereitenden Maßnahmen. Elektronische Rechnungen und steuerrelevante digitale Dokumente sind für Prüfzwecke ständig in permanenter Prüfbereitschaft zu halten; denn wenn der Prüfer „vor der Tür steht“, will er diese Dokumente einsehen. Nur eine ordnungsgemäße Archivierung kann hier helfen. Die Anforderungen daran haben sich aber gerade nicht vereinfacht.

 

Unterschieden werden sollte:

  • EDI und elektronische Signatur sind Maßnahmen zur Erzeugung von Dokumentensicherheit; das Dokument erhält seinen Beweiswert aus der Sicherheit des Übertragungsweges.
  • Innerbetriebliche Kontrollverfahren sind Maßnahmen zur Erzeugung von Prozesssicherheit; daher muss der Prozess des elektronischen Rechnungsdatenaustauschs auch
    1. vereinbart und
    2. in einer Verfahrensdokumentation beschrieben
    worden sein (einschließlich Archivierung).

 

Praxishinweis:

Entgegen allen Bekundungen einer Vereinfachung des elektronischen Rechnungsaustauschs ab 1.7.2011 dürfte meines Erachtens bis auf Weiteres die elektronische Rechnungssignatur für Klein- und mittelständische Unternehmen die preiswerteste Lösung zur Herstellung von Legalität des Abrechnungsprozesses und zur Aufrechterhaltung des Beweiswerts des Rechnungsdokuments darstellen. 

 

 

Nicht übersehen werden sollten auch andere Vorschriften, z.B. die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) und des HGB zur elektronischen Archivierung, die weiterhin hohe Anforderungen stellen. Hieraus kann sich beispielsweise bei Eingangsrechnungen nicht nur ein Risiko für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges, sondern auch für den Betriebsausgabenabzug ergeben. Ohne legale Belege wird nämlich systematisch ohne Beleg gebucht. Dies hätte handelsrechtlich Folgewirkungen für den Jahresabschluss und alle auf dem Jahresabschluss aufsetzenden Beschlüsse und Handlungen, wie z.B.:

  • Feststellung des Jahresabschlusses,
  • Gewinnverteilungsbeschluss,
  • Bonifizierungsbeschlüsse,
  • Entlastungsbeschlüsse,
  • Veröffentlichung,
  • Einhalten von Financial Covenants.

Auch ist bei einer Rechnungsstellung per E-Mail nun einiges mehr zu beachten, u.a. die möglichen Zugriffsrechte der steuerlichen Betriebsprüfung auf das interne E-Mail-System.

 

 

Wichtiger Praxishinweis:

Die hier vorgestellten gesetzlichen Neuregelungen gelten nur für Deutschland. Diese Bestimmungen sind lediglich auf Rechnungen anwendbar, deren Leistungen in Deutschland steuerbar sind (Kennzeichen Steuerland = DE). Auslandssachverhalte, wie z.B.

–  Steuerschuldverlagerung in Spanien,

–  Vorsteuerabzug in Dänemark,

–  innergemeinschaftlicher Erwerb in Bulgarien,

sind von der Anpassung der deutschen USt-Vorschriften selbstverständlich nicht betroffen. Für derlei Vorgänge gilt auch weiterhin das nationale Recht des jeweiligen Steuerlandes. Die Übermittlung der Rechnung muss entweder in Papier oder – nach den landesspezifischen Vorschriften – signiert erfolgen. 

 

 

Die Art der elektronischen Übermittlung wird dabei irrelevant: Wenn vereinbart, können Rechnungen als .pdf, als .txt, .doc, .xls, als Fax, als Web-Download, XML etc. versandt werden. Auch neuere Verfahren wie DE-Mail oder E-Post sind dann zulässig.

Mit der Einführung einer elektronischen Rechnungsstellung bieten sich durchaus Chancen, insgesamt die unternehmerischen Prozesse aus Sicht der Umsatzsteuer ebenso wie aus wirtschaftlicher Sicht zu optimieren (z.B. mit einer Synchronisation von Debitoren- und Kreditoren-Laufzeiten etc.).

Es ist nun das angekündigte BMF-Schreiben abzuwarten. Für alle Unternehmen dürfte bis dahin die Frage, in welchen Fällen eine elektronisch übermittelte, nicht signierte Rechnung überhaupt akzeptabel ist und der gesetzlich geforderten Vereinbarung zum elektronischen Austausch von Rechnungsdaten entspricht, noch nicht ausreichend geklärt sein.

 

 

Praxisempfehlung:

Bei Frachtrechnungen sollte man, da für die Beweiskraft des Ausfuhrnachweises immer noch eine Unterschrift gefordert wird, unbedingt auf einer elektronischen Signatur bestehen, welche die eigenhändige Unterschrift ersetzt. Hiervon kann wohl nur dann abgesehen werden, wenn den Spediteuren durch die jeweils zuständige Landesfinanzbehörde eine Genehmigung zum Verzicht auf diese eigenhändige Unterschrift erteilt wurde (Abschn. 6.7 Abs. 2 UStAE).

 

Peter tom Suden, Steuerberater, Cuxhaven (http://www.rechnungsaustausch.org)

 

BC 11/2011

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