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Pfändung von Corona-Soforthilfen

Christian Thurow

FG Münster, Beschlüsse vom 29.5.2020, 11 V 1496/20 AO, und vom 8.6.2020, 11 V 1541/20 AO (Beschwerde jeweils zugelassen)

 

Ein sog. P-Konto (Pfändungsschutzkonto) bietet einen automatischen Pfändungsschutz von 1.178,59 € je Kalendermonat. Doch was passiert, wenn Corona-Soforthilfen auf ein solches Konto gezahlt werden. Kann der den Pfändungsschutz übersteigende Betrag gepfändet werden?


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

In beiden Ausgangsfällen waren die Antragsteller Selbstständige mit einem P-Konto bei der Sparkasse. Beiden Antragstellern wurde ein Betrag von 9.000 € Soforthilfe aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Soloselbständige“ gewährt. Die Soforthilfe ging einher mit einer/einem …

  • Zweckbindung: Der Bescheid stellt klar, dass die Soforthilfe ausschließlich zur Milderung von finanziellen Notlagen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie dient, vor allem zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1.3.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 1.3.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe.
  • Aufrechnungsverbot: Die Soforthilfe unterliegt einem direkten Verrechnungs- bzw. Aufrechnungsverbot mit bereits bestehenden Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut.

Beide Antragsteller hatten Steuerschulden beim Finanzamt. Sie beantragten, dass das Finanzamt die Corona-Soforthilfen – soweit sie den Pfändungsschutz übersteigen – nicht pfänden soll. Aus Sicht der Antragsteller handelte es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine unpfändbare Forderung im Sinne von § 851 ZPO. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.

 

 

Lösung

Das FG Münster gibt den Antragstellern recht. Aus Sicht des Finanzgerichts stellt die Soforthilfe eine nicht der Pfändung zu unterwerfende Forderung im Sinne des § 851 Abs. 1 ZPO dar. Gemäß dieser Vorschrift kann eine Forderung nur insoweit der Pfändung unterworfen werden, als sie auch übertragbar ist. Zweckgebundene Forderungen sind nicht übertragbar und somit unpfändbar, soweit durch die Pfändung der Forderung deren Zweckbindung beeinträchtigt wird. Die Corona-Soforthilfen sind zur Überbrückung von nach dem 1.3.2020 entstandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgezahlt worden. Sie dienen gerade nicht der Tilgung von Altschulden. Insofern würde die Pfändung der Zweckbindung zuwiderlaufen. Altgläubiger aus der Zeit vor der Corona-Pandemie können daher auf die Corona-Soforthilfe nicht im Wege der Forderungspfändung zugreifen.

In beiden Ausgangsfällen liegt aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zusätzlich ein Anordnungsgrund vor. Die Soforthilfen werden zur Zahlung von Mieten und Versicherungen benötigt. Ohne diese Soforthilfen wäre die wirtschaftliche Existenz der Antragsteller gefährdet. Insofern können die Vollstreckungsmaßnahmen auch nach § 258 AO eingestellt oder beschränkt werden.

Bezüglich der Corona-Soforthilfen liegt eine faktische Ruhendstellung der Pfändungsverfügung vor. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamts wird aber nicht aufgehoben (was zu einem Rangverlust führen würde). Ob die Corona-Soforthilfen sachgerecht verwendet worden sind, ist erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums zu prüfen. Eine vorherige Nachweispflicht hinsichtlich der Zuschussverwendung ist nicht verhältnismäßig.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 7/2020

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