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(Folge-)Änderung eines Steuerbescheids nach § 174 Abs. 4 AO in einer anderen Steuerart

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 17.3.2022, XI R 5/19

 

Karma – das Gesetz von Ursache und Wirkung – ist ein Kernelement verschiedener indischer Religionen. Das Ziel dieser Religionen ist, aus dem Kreislauf von Ursache und Wirkung auszubrechen und das sogenannte Nirvana zu erreichen. Trotz transzendentaler Anklänge in der Urteilsbegründung, wie „Der Gegenstand der irrigen Beurteilung mussanders als diese Beurteilung selbstausschließlich der Seinswelt angehören …“, scheint die spirituelle Erleuchtung beim BFH noch nicht vollkommen erreicht worden zu sein, weshalb das höchste Finanzgericht weiterhin in Ursache-Wirkungszusammenhängen des Steuerrechts verhaftet bleibt.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung wurden bei einem Steuerpflichtigen zusätzliche Umsätze der Umsatzsteuer unterworfen, was zu einer Minderung des körperschaftsteuerlichen Gewinns führte. Die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide wurden entsprechend geändert. Nach erfolgreichem Einspruch der Klägerin gegen den Umsatzsteuerbescheid wurden die Umsätze wieder als steuerbefreit gewertet. Das Finanzamt änderte daraufhin auch den Körperschaftsteuerbescheid und erhöhte den Gewinn entsprechend.

Aus Sicht der Klägerin waren die Voraussetzungen für eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheids nach § 174 Abs. 4 S. 1 AO nicht gegeben. Die Regelung erlaube nur Änderungen, die unmittelbar aus dem Sachverhalt selbst resultierten. Bei einer Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Einstufung eines Sachverhalts würden sich aber die Folgerungen bei der Ertragsteuer nicht aus dem Sachverhalt selbst, sondern nur aus der Rechtsfolge dieses Sachverhalts ergeben. Da der Sachverhalt selbst keine direkte Auswirkung auf die Ertragsteuer habe, sei auch keine Ertragsteuerkorrektur vorzunehmen.

 

 

Lösung

Im Kern kommt der BFH in einer zum Teil rechtsphilosophischen Urteilsbegründung zu der Aussage, dass unter Umständen aus demselben – d.h. unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten – Sachverhalt andere steuerliche Folgerungen in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen sind.

Eine Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO setzt eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts voraus. Der Irrtum kann dabei rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Eine aus einem bestimmten Sachverhalt unzutreffende steuerrechtliche Folgerung ist somit eine irrige Beurteilung im Sinne der Vorschrift. Wirkt sich dieser Irrtum auf mehrere Steuerarten aus, so kann er auch mehrfach korrigiert werden. Entscheidend ist, dass eine sachliche Verbindung zu dem Irrtum besteht. Auch bilanzrechtlich zwingende Folgerungen aus der unrichtigen Beurteilung eines Sachverhalts reichen für eine Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO aus.

Im Ausgangsfall hat sich dieselbe irrige Beurteilung desselben Sachverhalts – mithin derselbe Rechtsirrtum – in verschiedenen Steuerbescheiden verschiedener Steuerarten ausgewirkt, ohne dass diese Beurteilungen allerdings rechtlich voneinander abhängen. Eine Korrektur des Rechtsirrtums wirkt sich somit auch in allen betroffenen Steuerbescheiden aus, sodass nicht nur der Umsatz-, sondern auch der Körperschaftsteuerbescheid zu ändern ist.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

BC 8/2022

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