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Sanierung & Restrukturierung: Trendradar 2023

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Daniel Emmrich und Matthias Müller

 

Was sind die für Sanierungs- und Restrukturierungsexperten angesagten Themen im Jahr 2023? Klar ist, dass die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells als Problemfeld Nr. 1 auf den Prüfstand gehört. Mit Blick auf die Finanzierungsnotwendigkeiten kommt es darauf an, im Bereich Private Equity/Debt Sanierungskonzepte als Entscheidungsgrundlage in den Mittelpunkt zu stellen. Mit gleicher Gewichtung wird empfohlen, das Sanierungshindernis (Minderheits-)Gesellschafter in den Blick zu nehmen.

 

Praxis-Info!

Problemstellung

Im aktuellen Krisenumfeld ist das Themenfeld „Sanierung & Restrukturierung“ für 2023 von besonders großer Bedeutung. Die Münchener Experten der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH sehen in ihrem kürzlich veröffentlichten Trendradar 2023 die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells als Top-Thema an: Es komme darauf an, jetzt aktiv zu gestalten und Finanzierungsrisiken zu vermeiden. Private Equity/Debt (privates Beteiligungskapital/Fremdkapital) wird als Themenfeld Nr. 2 genannt. Mit gleicher Gewichtung wird empfohlen, das Sanierungshindernis (Minderheits-)Gesellschafter in den Blick zu nehmen. Was das konkret für den Handlungsbedarf in 2023 bedeutet, wird nachfolgend anhand eines Wieselhuber-Thesenpapiers vom 8.12.2022 skizziert.

 

 

Lösung

(1) Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells: Eine Sanierung oder Restrukturierung über ambitionierte Vertriebsplanungen ist unverändert unglaubwürdig. Anhaltende operative Verluste, alte ineffiziente Geschäftsprozesse und Kommunikation über intransparente Reporting-Kanäle werden auch im Jahr 2023 nicht fremdfinanziert. Damit das Geschäftsmodell als zukunftsfähig gelten kann, muss es den Effekten der geopolitischen und finanzwirtschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart Rechnung tragen, aber auch den Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit (ESG), Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität genügen. Das bedeutet: Effiziente Prozesse und schlanke Organisationsstrukturen sind zu verbinden mit einer  transparenten (automatisierten) Berichterstellung und einer engen Vertriebssteuerung, um über adaptive (anpassungsfähige) Mengen-/Preisgerüste die eingepreisten Risikofaktoren z.B. in Beschaffung, Energie und Personal auszugleichen. Die aktive Gestaltung der notwendigen Transformation oder Restrukturierung entscheidet, denn „was gestern richtig war, kann schon heute falsch sein“.

(2) Private Equity/Debt: Die Forderung der Wieselhuber-Experten – namentlich als Mitglieder der Geschäftsleitung insbesondere Daniel Emmrich und Matthias Müller (Letzterer begleitet Unternehmen bei der finanziellen Sanierung an der juristisch-betriebswirtschaftlichen Nahtstelle) –, Sanierungskonzepte als Entscheidungsgrundlage in den Mittelpunkt zu stellen, hat folgenden Hintergrund: Bis zum Februar 2022 waren M&A-Transaktionen (Mergers & Acquisitions – Fusionen & Unternehmenserwerbe) durch hohe Multiples (Multiplikatoren u.a. zu Umsatz, Ergebnis) und ambitionierte Geschäftsplanungen gekennzeichnet. Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte häufig zu mindestens 50% über die Bilanz des gekauften Unternehmens, was zu sehr hohen Verschuldungswerten führte. Durch die Entwicklungen des Jahres 2022 sinkt die Ertragsqualität deutlich, und die Durchfinanzierung ist dann auch aufgrund der hohen Zins- und Tilgungszahlungen gefährdet. Ebenso zeigt sich, dass die Rückkehr in stabile Verschuldungsrelationen einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Um wieder ins Geld zu kommen, wird häufig ein Haircut verlangt werden. Erwartet wird, dass alternativ verstärkt Debt-to-equity-Swaps (Umwandlung von Kreditforderungen gegenüber einem Schuldnerunternehmen in Eigenkapital bzw. Anteilsrechte) vonseiten der Kaufpreis-Gläubiger zu beobachten sein werden. Zur Haftungsverringerung und auch zur Entscheidungsfindung wird hier ein Sanierungskonzept (gemäß IDW S6) als neutrale Entscheidungsgrundlage im Mittelpunkt des Sanierungsprozesses stehen. Notwendig ist – so betonen Emmrich/Müller – ein nachvollziehbares Zahlengerüst als Basis von umsetzungsorientierten und konsensfähigen Handlungsoptionen, vor allem im Kontext der aktuellen geopolitischen Spannungen.

(3) Sanierungshindernis (Minderheits-)Gesellschafter: Häufig befinden sich die Gesellschafter im Rahmen einer Sanierung im Konflikt. Die Hintergründe sind so vielfältig und mehrschichtig, weshalb es fast immer zu massiven Blockaden in der Fortentwicklung des Unternehmens kommt. Ein zentraler Erfolgsfaktor in der Sanierung & Restrukturierung ist deshalb ein schneller und stabiler Konsens über die ausgewogenen und verursachungsgerechten Beiträge zur Bewältigung der Krise. Vorgelagert ist dabei der Erkenntnisprozess über die tatsächliche wirtschaftliche Position im Rahmen der Sanierung sowie – gerade in volatilen Zeiten – die Fähigkeit zur schnellen Handlungsfähigkeit. Nicht nur dann, wenn einer oder mehrere Gesellschafter „aus dem Geld sind“, zeigen sich Konflikte, welche eine erfolgreiche Sanierung verhindern. Klassische Anlässe sind dabei Nachfolgethematiken und komplexe Gesellschafterstrukturen (z.B. Stiftungen). Sehr häufig erschwert ein obstruierender (verhindernder) Minderheitsgesellschafter den Sanierungserfolg. Neben den klassischen Lösungsoptionen IPO, M&A, Treuhand hat sich nun das StaRUG als praxisbewährtes Lösungsinstrumentarium für solche Konflikte gezeigt. Der Rat von Emmrich/Müller lautet: Je früher man sich als Gesellschafter mit diesen Fragen beschäftigt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man nach der Restrukturierung auch noch Gesellschafter ist.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Wer dennoch in Insolvenznähe gerät, dem wird im Trendradar 2023 empfohlen, die Insolvenzantragsgründe in den Blick zu nehmen und einen regelmäßigen Finanzstatus zu ermitteln, um so eine Haftungsreduzierung bewirken zu können.
  • Hintergrund ist die neue BGH-Rechtsprechung: Mit dem Urteil vom 28.6.2022 (Az.: II ZR 112/21) hatte der BGH festgehalten, dass der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) durch mehrere, tagesgenaue Finanzstatus (Verhältnis freie Liquidität zu den fälligen Verbindlichkeiten) geführt werden kann. Ferner ist der Entscheidung vom 28.4.2022 (Az.: IX ZR 48/21) zu entnehmen, dass der Verweis auf vier Finanzstatus mit einer Unterdeckung von jeweils mehr als 40% als Nachweis ausreichend ist. Interessanterweise führt diese Methode in der Praxis nach den Feststellungen der Wieselhuber-Experten Emmrich/Müller regelmäßig zu einer früheren Annahme einer Zahlungsunfähigkeit als die Liquiditätsbilanz. Für die zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit verpflichteten gesetzlichen Vertreter des Unternehmens führe dies zu erhöhten haftungsrelevanten Fragestellungen, da der stichtagsbezogene Finanzstatus insbesondere rückwirkend recht einfach erhoben werden kann. Gerade in Krisenzeiten sollten Unternehmen die Zahlungsfähigkeit also aktiv beobachten. Der Finanzstatus schafft eine neutrale und emotionsfreie Gewissheit über die Ausgangslage und gibt die Richtung für die weitere Vorgehensweise vor. Daher sollte dieser als zusätzliches Instrument und Indikator zur Beurteilung der ständigen Zahlungsbereitschaft in regelmäßigen Abständen ermittelt werden.
  • Weiterhin wird in dem Trendradar 2023 empfohlen, die Schärfung von Effizienz und Skalierung dahingehend anzugehen, die Logik der Wertschöpfungsarchitektur nicht zu gefährden. Trotz aller aktuellen Beeinträchtigungen, etwa der Produktions- und Lieferfähigkeit, dürfe die über lange Jahre aufgebaute Logik der Wertschöpfung nicht gefährdet werden, Effizienz- und Skalierungsniveaus müssen auch in Zukunft stimmen. Deshalb sei es ratsam, die Anpassungen prozessbasiert vorzunehmen, also nach den Prozessanforderungen der unterschiedlichen Geschäfte. So können die Abläufe optimiert, der Ressourceneinsatz minimiert und trotz veränderter Mengengerüste und Kundenstrukturen Effizienz und Skalierung zumindest gehalten werden. 
  • Zuvor hatte im kürzlich veröffentlichten Trendometer Controlling 2023 Dr. Günter Lubos (Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner) neben den erforderlichen Restrukturierungen und Kostenanpassungen die Fokussierung auf das Management der Arbeitskosten und den gezielten Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI) empfohlen.

 

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

Daniel Emmrich, Mitglied der Geschäftsleitung bei W&P, berät Unternehmen bei der operativen Sanierung und Restrukturierung – vom Konzept bis zur Umsetzung.

Matthias Müller, Mitglied der Geschäftsleitung bei W&P, begleitet Unternehmen bei der finanziellen Sanierung an der juristisch-betriebswirtschaftlichen Nahtstelle.

 

 

BC 1/2023

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