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Krisenkommunikation auf dem Prüfstand

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Praxis-Empfehlungen anlässlich des Kölner Krisenkommunikationsgipfels vom 22.3.2023


Beispiele wie Cyber-Attacken und Desinformationskampagnen sowie etwa die hohen Inflationsraten und multiplen Lieferkettenprobleme zeigen, dass die Herausforderungen für Krisenmanager und Kommunikationsverantwortliche gewachsen sind. Wie gelingt es den Verantwortlichen in der Geschäftsführung und insbesondere im Risiko- und Krisenmanagement, den Überblick über die Lage zu behalten und auch multiple Krisen erfolgreich zu bewältigen?

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Anlässlich des diesjährigen Krisenkommunikationsgipfels zeigte sich, dass die Krisenkommunikation noch mehr Aufmerksamkeit verdient als zuletzt. Die Erfahrungsberichte von Behördenleitern, Unternehmenskommunikatoren und Fachjournalisten vermittelten den Teilnehmern ein vielfältiges Bild der aktuellen Aufgabenpalette. Nachdem zuvor Corona lange alles überlagert hatte, ist nun im Gefolge des Russland-Kriegs in der Ukraine eine Ereigniskette mit noch völlig unabsehbaren Auswirkungen ausgelöst worden. Insbesondere im Mittelstand stellen sich vielerorts vor allem folgende Fragen: Wie lässt sich in Zeiten multipler Krisen erfolgreich kommunizieren? Und wie haben Fach- und Führungskräfte bei den zurückliegenden Krisen ihre Beschäftigten motiviert und sie beim Krisenmanagement kommunikativ mitgenommen?

 

 

Lösung

Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt des Krisenkommunikationsgipfels 2023, der in 34. Auflage am Mittwoch, 22.3.2023, in Köln auf Einladung des Kieler Instituts für Krisenforschung („Krisennavigator“) unter der Leitung des Institutsleiters Frank Roselieb stattfand. 15 namhafte Referentinnen und Referenten aus Wirtschaftsunternehmen, von Behörden, Verbänden, den Medien und der Wissenschaft gewährten spannende Einblicke in ihr Krisenmanagement und ihre Krisenkommunikation. Die Fachleute erläuterten aus erster Hand, worauf es bei der glaubwürdigen Kommunikation, vorausschauenden Prävention (Verhinderung), erfolgreichen Bewältigung und verlässlichen Berichterstattung in kritischen Situationen wirklich ankommt.

Aus den in vielfältiger Sicht vorgetragenen Antworten soll hier als Praxisbeispiel näher betrachtet werden, wie das Unternehmen Infraserv Höchst Krisenprävention und Krisenkommunikation an einem Chemie- und Pharmastandort organisiert. Dies beschrieb Michael Müller, der als Leiter Unternehmenskommunikation der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG in Frankfurt/M. für eine erfolgreiche Krisenkommunikation folgende grundlegende Empfehlungen benannte:

  • Offene und sachliche Aufklärung über Gefahren und Risiken
  • Sensibilisierung der Zielgruppen
  • Handlungsempfehlungen zur Einschätzung und Minimierung des Risikos
  • Kommunikation langfristig konzipieren und insbesondere auch anlassunabhängig ausführen
  • Nutzung unterschiedlicher Informationskanäle
  • Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Transparenz als Leitlinien
  • Dialog mit Zielgruppen.

Das betrachtete Unternehmen stammt aus einer Branche, deren Wirken zunehmend kritisch beäugt wird. Umso wichtiger ist eine intensive Umfeldkommunikation, die eine Vielzahl von Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen umfasst. Konkret benannte Müller die in der Tabelle aufgeführten Aufgaben und Inhalte.

Im Ergebnis zeigen Umfragen, dass 79% der befragten Anwohner (n = 1.200) eine positive Meinung zum Industriepark Höchst haben (davon 7% sehr positiv, 72% positiv, 19% weniger positiv, nur 2% überhaupt nicht positiv; in 2012 hatten lediglich 50% der Befragten eine gute Meinung vom Industriepark Höchst).

 

 

Tabelle: Aufgaben und konkrete Maßnahmen im Rahmen der Umfeldkommunikation
Aufgabenbereich Maßnahmen
Engagement für die Umwelt zeigen:
  • Spendenkonzept,
  • Initiative Pro Höchst,
  • Aktionen für die Nachbarschaft.
 
Beziehungsaufbau:
 
  • Schirmherrschaften,
  • Sponsoringmaßnahmen.
 
Offene und transparente Information:
 
  • Ihr-Nachbar.de,
  • Öffentlichkeitsarbeit Presse und Social Media,
  • Werksfeuerwehr auf Instagram.
 
Dialog fördern:
  • Gesprächskreis mit Nachbarn,
  • Besucherprogramme,
  • Veranstaltungen im Industriepark, wie z.B. Tag der offenen Tür, Route der Industriekultur.
 
Risiko-/Krisenkommunikation:
  • Notfallorganisation,
  • Bürgertelefon,
  • etc. (anlassabhängig).
 

 

 

Praxishinweise:

  • Auf Nachfrage des Verfassers zu den relativ hohen Image-Werten erklärte Müller (Leiter Unternehmenskommunikation), dass ein Benchmark-Vergleich mit anderen Unternehmen aus der Branche allerdings nicht vorliege. Dies könnte im Zusammenhang mit ESG-Ratings noch von Bedeutung sein (Environmental (E), Social (S) und Governance (G) – auf Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).
  • Der Initiator und Leiter des Krisengipfels Frank Roselieb ist in seiner Hauptfunktion Geschäftsführender Direktor des Krisennavigator – Institut für Krisenforschung, ein Spin-Off der Universität Kiel (zum Gesamtprogramm siehe unter https://www.krisenkommunikationsgipfel.de/). Das nächste Gipfeltreffen wird im März 2024 in Stuttgart stattfinden.
  • Die wachsende Problemschärfe der oben eingangs benannten Cyber-Attacken wurde in Köln von verschiedenen Referenten bekräftigt. Am folgenden Tag, also dem 23.3.2023, wurden dazu aktuelle Zahlen wie folgt bekannt: Das auf Beratung im Bereich Datenschutz, Informationssicherheit, Cloud- & Cyber-Security und Compliance spezialisierte Unternehmen Althammer & Kill teilte mit, dass 38% der Organisationen noch einen niedrigen Reifegrad ihrer Maßnahmen aufweisen, 41% einen mittleren und (nur) 21% einen hohen (Angaben unter Bezug auf die aktuelle Studie „Global Future of Cyber Survey 2023“ von Deloitte). Fast vier Fünftel haben also wesentlichen Nachholbedarf zu bewältigen, um nicht infolge lahmgelegter Prozesse über kurz oder lang zwangsläufig Krisenkommunikation betreiben zu müssen.
  • Thomas Althammer, Geschäftsführer der Althammer & Kill GmbH & Co. KG betonte, dass Cyber- und Informationssicherheit keine Modeerscheinung sei, sondern Unternehmen aller Branchen auf dem Weg durch die digitale Transformation weiter beschäftigen werde. Dazu gab er den Verantwortlichen in mittelständischen Unternehmen in der Studienmitteilung vom 23.3.2023 als Handlungsempfehlung mit auf den Weg, strategische und konzeptionelle Beratung wahrzunehmen. Diese sollte Analysen des Status Quo und des Gefahrenpotenzials enthalten, gesetzliche Vorgaben berücksichtigen sowie interne und externe Audits. Wichtig sei, Mitarbeitende zu schulen und zu sensibilisieren. Wo noch nicht vorhanden, sollte ein Informationssicherheits-Managementsystem aufgebaut und ein Informationssicherheitsbeauftragter etabliert werden.

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 4/2023 

BC2023415

 

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