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NZA Editorial

 

  • Digitale Weihnachtswünsche

    Rechtsanwälte Dr. Ulrich Sittard und Dr. Benjamin Pant, Freshfields, Düsseldorf

    Heft 24/2024

    Foto eines der Autoren von NZA-Editorial Heft 24/2024 Dr. Benjamin PantFoto eines der Autoren von NZA-Editorial Heft 24/2024 Dr. Ulrich Sittard

    Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Wünsche. Das war auch im Jahre 1972 – der Geburtsstunde von § 87 I Nr. 6 BetrVG – schon so. Damals erklangen die meisten Weihnachtslieder aber von Schallplatten. Heute genügt ein Kommando, um die intelligente Sprachsteuerung im eigenen Wohnzimmer dazu aufzufordern, den gewünschten Weihnachtshit abzuspielen. Seit 1972 vom Wortlaut her unverändert unterwirft § 87 I Nr. 6 BetrVG die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dem Gesetzgeber ging es hierbei um technische Einrichtungen, die den Zweck haben, das Verhalten oder die Leistung zu überwachen (BT-Drs. VI/1786, 48 f.). Das BAG hat gleichwohl bereits 1975 betont, dass es aus seiner Sicht allein auf die objektive Eignung zur Überwachung ankomme (BAG Beschl. v. 9. 9.1975 – 1 ABR 20/74, NJW 1976, 261 = AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 2). An dieser Auslegung hält es trotz Digitalisierung und damit rasant gestiegener Bedeutung von IT-Tools und der Weiterentwicklung des deutschen und europäischen Datenschutzrechts weiterhin fest. Zumindest begrüßenswert ist eine praxisnahe Tendenz, die Zuständigkeit nicht auch noch allzu streng auf lokaler Ebene zu verorten (BAG, Beschl. v. 16.7.2024 – 1 ABR 16/23, NZA 2024, 1654).

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  • Kennen Sie schon die eGbR?

    Fachanwalt für Arbeitsrecht Stefan Fischer, Berlin

    Heft 23/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 23/2023 Stefan Fischer

    Obwohl die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine weit verbreitete Rechtsform insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Zusammenschlüssen von Freiberuflern ist, sind die mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) am 1.1.2024 eingetretenen Erleichterungen für die GbR als Arbeitgeber noch weithin wenig bekannt. Eine wichtige Neuerung betrifft die Kündigung von Arbeitsverhältnissen durch und auch gegenüber der GbR. Zentrales Element des MoPeG war die Einführung eines eigenen Gesellschaftsregisters für die GbR. War diese bislang mangels Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister eher „unsichtbar“, kann sie nun – freiwillig – in das neu geschaffene Gesellschaftsregister eingetragen werden (§ 707 BGB). Mit Eintragung hat sie dann den Zusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder eben kurz „eGbR“ zu führen (§ 707a BGB). Ist das geschehen, so dürften die in der Beratungspraxis auf Arbeitnehmer- wie Gesellschafterseite gar nicht so seltenen Unklarheiten bezüglich der Vertretungsverhältnisse ein Ende haben.

    Die Eintragung in das Gesellschaftsregister schafft Transparenz, insbesondere hinsichtlich des Gesellschaftsnamens, der Gesellschafter und – aus arbeitsrechtlicher Sicht besonders wichtig – der Vertretungsbefugnis der einzelnen Gesellschafter. So lässt sich insbesondere sicher erkennen, wer in einer eGbR tatsächlich berechtigt ist, eine Kündigung zu erklären. Wird die GbR hingegen nicht im Gesellschaftsregister eingetragen, gelten die bisherigen Regelungen weiter. Es liegt dann in der Zuständigkeit aller Gesellschafter, gemeinsam (§ 720 I BGB) eine Kündigung zu erklären (und diese wirksam handschriftlich zu unterzeichnen). Der Unterzeichner kennt etliche Fälle aus der Beratungspraxis, wo das beiderseits unbekannt war. Etwas anderes gilt nur, wenn im Gesellschaftsvertrag zB das Alleinvertretungsrecht eines bestimmten Gesellschafters geregelt ist. In diesem Fall muss allerdings der alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter dem zu kündigenden Arbeitnehmer nachweisen, dass er tatsächlich dazu befugt ist, zum Beispiel durch eine Vollmacht, ihrerseits handschriftlich unterzeichnet von allen anderen Gesellschaftern. Und nicht nur Arbeitnehmer, auch mancher GbR-Gesellschafter war oftmals überrascht, dass die als selbstverständlich „empfundene“ Alleinvertretungsbefugnis tatsächlich nicht bestand. Fehlt bei der Kündigungserklärung indes der Nachweis der Bevollmächtigung, so kann der Arbeitnehmer die Kündigung zurückweisen (§ 174 BGB analog). 

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  • Auf nach Herrenberg!

    Professor Dr. Gregor Thüsing, LL.M (Harvard), und Wiss. Mitarbeiter Simon Mantsch, Bonn

    Heft 22/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 22/2024 Simon MantschFoto des Autors von NZA-Editorial Heft 22/2024 Dr. Gregor Thüsing

    Herrenberg und seine Musikschule in der Bismarckstraße 9 haben eine Berühmtheit erlangt, wie sie das BSG vielleicht gar nicht vorhergesehen hat. Die Entscheidung (NZS 2022, 860 mAnm Zieglmeier NZS 2022, 863) hat für Irritation gesorgt, weil man nicht weiß, ob die in der Gewichtung neuen Maßstäbe auch für ähnliche oder auch nicht ganz so ähnliche Fälle gelten sollen. Die einleitenden Textbausteine Kassels waren die altbekannten, doch war die Subsumption eine neue und somit für viele unerwartet. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben den Ball aufgenommen und die „Versicherungsrechtliche Beurteilung von Lehrern und Dozenten“ als Reaktion auf Herrenberg am 4.5.2023 neu justiert. Doch auch diese Hinweise, die schon in ihrer Pauschalität kaum überzeugen, lassen für die zukünftige Prüfungspraxis viele Fragen offen.

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  • Beschäftigtendatengesetz – Innovation oder Hemmnis?

    Rechtsanwalt Professor Dr. Michael Fuhlrott und Rechtsanwalt Maximilian Luca Schunder

    Heft 21/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 21/2024 Maximilian Luca SchunderFoto des Autors von NZA-Editorial Heft 21/2024 Dr. Michael Fuhlrott

    "Die Bundesregierung setzt sich zum Ziel, eine innovative und verantwortungsvolle Datennutzung zu fördern“ und will dazu für den „sensiblen Beschäftigungskontext“ einen Rechtsrahmen schaffen, der einen starken Datenschutz mit innovativer Datennutzung verbindet – so liest sich die Begründung des Referentenentwurfs des BMAS und BMI vom 8.10.2024 des „Gesetzes zur Stärkung eines fairen Umgangs mit Beschäftigtendaten und für mehr Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Beschäftigte in der digitalen Arbeitswelt“ (kurz: Beschäftigtendatengesetz – BeschDG). Der bislang nahezu nur in § 26 BDSG und damit „stiefmütterlich“ behandelte Arbeitnehmerdatenschutz wird umfassend kodifiziert, von der Rechtsgrundlage über die Erforderlichkeit bis hin zur Einwilligung, greift relevante Beispiele auf wie etwa Einstellungsprozess, KI, Videoüberwachung, Profiling oder bEM. Unter der DS-GVO, dem BDSG, der DSK oder aus der Rechtsprechung gewonnene Erkenntnisse sind im RefE kodifiziert. Keine Frage, der Gesetzgeber hat viel Energie investiert: Wie im Lehrbuch erklärt das BeschDG in den jeweiligen Paragraphen anhand von Beispielen, was erlaubt ist. Zudem bietet das BeschDG Neuerungen, weil der Gesetzgeber unliebsame Entscheidungen unter dem Vorwand einer Klarstellung arbeitnehmerfreundlich niederlegt. Darüber hinaus darf etwas Bürokratie durch Auskunftsansprüche, Informationsrechte (zB bei berechtigtem Interesse, KI oder Profiling) und neue Mitbestimmungsrechte (zB Bestellung des Datenschutzbeauftragten) nicht fehlen.

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  • Datenschutzbehörden, AI Act und EuGH – Datendämmerung?

    Rechtsanwalt Tim Wybitul, Frankfurt a. M.

    Heft 20/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 20/2024 Tim Wybitul

    Die EU-weite umfassende Regelung künstlicher Intelligenz (KI) trat am 1.8.2024 in Kraft. Die ersten Vorgaben des AI Act – oder auf deutsch, der KI-VO – gelten ab dem 2.2.2025. Weitere Regelungen werden über die nächsten Jahre hinweg verbindlich.

    Ein Schwerpunkt der praktischen Anwendung des neuen Regimes dürfte auf dem Einsatz von KI am Arbeitsplatz liegen. Denn die KI-VO stuft KI-Systeme zur Überwachung oder Bewertung der Leistung oder des Verhaltens von Beschäftigten grundsätzlich als Hochrisiko-KI-Systeme ein. Die KI-VO ist ein spannendes Experiment. Der EU-Gesetzgeber kombiniert Produktrecht mit Grundrechtsschutz, oder anders formuliert Marktüberwachung mit Verbraucherschutz. Unternehmen dürften die KI-VO eher wegen ihrer Risiken spannend finden. Bei Verstößen drohen Geldbußen bis zu 35 Mio. EUR oder bis zu 7 % des globalen Vorjahresumsatzes – je nachdem, welcher Betrag höher ist. Bereits die unvollständige oder irreführende Beantwortung von Nachfragen von Behörden kann zu Geldbußen bis zu 7,5 Mio. EUR oder 1% des Umsatzes führen. Zudem arbeitet der EU-Gesetzgeber an einer Richtlinie zu Schadensersatz wegen Verstößen gegen die KI-VO. 

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  • Wirklich eine Zeitenwende beim Unterrichtungsschreiben nach § 613a BGB?

    Professor Dr. Abbo Junker, Ludwig-Maximilians-Universität München

    Heft 19/2024

    Foto von Prof. Dr. Abbo Junker

    Kürzlich wurde in dieser Zeitschrift (Editorial zu Heft 17/2024) – nicht zu Unrecht – eine „Kursänderung bei Unterrichtungsschreiben“ konstatiert. Seit der 2. Senat des BAG die Zuständigkeit vom 8. Senat übernommen habe, sei Bewegung in die Rechtsprechung zu § 613a V BGB gekommen. Der 8. Senat des BAG habe zuvor die Anforderungen an die Unterrichtung „ständig nach oben“ geschraubt, wohingegen der 2. Senat des BAG in zwei Entscheidungen vom 21.3.2024 (2 AZR 79/23, NZA 2024, 829, und 2 AZR 95/23, NZA 2024, 835) denjenigen, die Unterrichtungsschreiben verfassen müssen, eine gewisse Erleichterung verschafft und die Folgen fehlerhafter Unterrichtung abgemildert habe.

    Aber was bedeutet dies für die Praxis? Meines Erachtens wird nicht hinreichend in den Blick genommen, dass der 8. Senat des BAG die europaweit einmaligen Anforderungen an „Unterrichtungsschreiben zwecks Ingangsetzung der Widerspruchsfrist“ nicht aus Lust und Tollerei oder in einem Anfall von Buchstabenjuristerei eingeführt hat, sondern vielleicht (auch) deshalb, weil die Kombination der letzten beiden Absätze des § 613a BGB in der Fassung von 2002 ein probates Mittel bietet, die betroffenen Arbeitnehmer vor den Folgen dubioser Betriebsübergänge zu schützen.

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  • Betriebsrentenstärkungsgesetz II – Der große Wurf?

    Fachanwälte für Arbeitsrecht Dr. Rolf Kowanz und Jan-Jacob Roeder, LL.M., Hamburg/Berlin

    Heft 18/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 18/2024 Jan-Jacob Roeder, LL.M.Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 18/2024 Dr. Rolf Kowanz

    Die wachsende Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung bei sich leerenden Rentenkassen heute noch zu betonen, ist fast schon ein Allgemeinplatz. Ebenso offenkundig sind aber auch die Hemmnisse, die in Deutschland seit vielen Jahrzehnten dafür sorgen, dass die betriebliche Altersversorgung (bAV) nicht den Stellenwert einnehmen kann, der ihr als „dritte Säule“ neben der staatlichen Rente und der privaten Vorsorge gebührt. Einer der wichtigsten Gründe für die fehlende flächendeckende Verbreitung der Betriebsrente war und ist die Haftungsfrage: In Deutschland haftet der Arbeitgeber nicht nur für die Beiträge, die er für den Arbeitnehmer zum Aufbau der betrieblichen Altersversorgung leistet, sondern auch für die Versorgungsleistungen selbst. Solche „Defined Benefit“-Zusagen („DB“) sind in anderen europäischen Ländern seit vielen Jahren längst Geschichte. Dort geht der Trend zu „Defined Contribution“-Zusagen („DC“) nach dem „Pay and Forget“-Prinzip: Der Arbeitgeber zahlt die von ihm zugesagten Beiträge in die betriebliche Altersversorgung ein, trägt aber nicht mehr das Risiko, dass mit diesen Beiträgen auch tatsächlich die erhofften (Mindest-)Versorgungsleistungen erwirtschaftet werden. In vielen Mitgliedstaaten sind DC-Zusagen seit langem vorherrschend. Andere, wie zB die Niederlande, vollziehen derzeit den Wechsel von DB zu DC durch umfassende Gesetzesreformen.

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  • Kursänderung bei Unterrichtungsschreiben nach § 613a BGB

    Rechtsanwalt Dr. Boris Dzida, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg

    Heft 17/2024

    Foto von Rechtsanwalt Dr. Boris Dzida

    Seit der 2. Senat des BAG die Zuständigkeit für § 613a BGB vom 8. Senat übernommen hat, ist Bewegung in die Rechtsprechung zu Unterrichtungsschreiben und zum Widerspruchsrecht gekommen. Der 2. Senat fand eine verfahrene Situation vor, denn der 8. Senat und die betriebliche Praxis hatten sich ein jahrelanges Wettrennen geliefert: Das BAG schraubte die Anforderungen an § 613a V BGB ständig nach oben, die Praxis konterte mit immer ausführlicheren Unterrichtungsschreiben. Gelegentlich sind 30-seitige Unterrichtungsschreiben gesehen worden. Zum Mindeststandard von fünf Seiten schrieb Schmitz-Scholemann treffend: „Jedenfalls entspricht es ziemlich genau der Länge eines Beipackzettels für Mucosolvan-Hustensaft und wird wahrscheinlich genau so oft wie dieser vollständig gelesen und verstanden, nämlich nie“ (NZA-Beilage 2015, 107 (112)). 

    2021 gab der 2. Senat ein Signal für eine mögliche Kursänderung: Es könne dahinstehen, ob an den vom 8. Senat aufgestellten Anforderungen an Unterrichtungsschreiben und den Voraussetzungen für den Beginn der Widerspruchsfrist festzuhalten sei oder ob bei Fehlern, die für die Willensbildung der Arbeitnehmer unerheblich sind, eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist (BAG 22.7.20212 AZR 6/21, NZA 2021, 1405 (1406)). 

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  • Ist eine Neujustierung von Arbeits- und Sozialrecht nötig?

    Rechtsanwältin Dr. Susanne Clemenz, Gütersloh, und Rechtsanwalt Professor Dr. Georg Annuß LL.M., München

    Heft 16/2024

    Foto von Rechtsanwalt Prof. Dr. Georg AnnußFoto von Rechtsanwältin Dr. Susanne Clemenz

    In der Zeit vom 25. bis 27.9.2024 wird der 74. Deutsche Juristentag in Stuttgart stattfinden. Die Abteilung Arbeits- und Sozialrecht wird sich dieses Mal mit einer zentralen Frage des Arbeitsrechts befassen: „Wen schützt das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht? – Empfiehlt sich eine Neuausrichtung seines Anwendungsbereichs?“

    Diese Frage ist nicht nur eine rein juristische. Durch die Arbeit finden Menschen ihren Platz in der Gesellschaft. Die Art und Weise, wie Arbeit organisiert, geordnet und reguliert wird, hat entscheidenden Einfluss auf das Miteinander in einer Gesellschaft. Es geht also um ein Thema, das angesichts der rasanten technologischen wie auch politischen Entwicklungen der letzten Jahre nicht nur zu einer breiten rechtspolitischen Diskussion einlädt, sondern auch ohne dogmatische rote Linien und offen für neue Ideen diskutiert werden muss. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie findet sich beispielsweise bereits im Supiot-Report der EU aus dem Jahr 1999 sowie im Grünbuch der Europäischen Kommission „Ein modernes Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ (KOM/2006/0708 endg.). In der rechtspolitischen Diskussion hat sie allerdings kaum Widerhall gefunden, so dass die Frage nach dem Leitbild der arbeitsrechtlichen Regulierung und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bislang nicht vertieft behandelt wurden.

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  • Nachträgliche Klagezulassungsfrist zu kurz für Schwangerschaft

    Rechtsanwalt Dr. Steffen Krieger, Gleiss Lutz, Düsseldorf

    Heft 15/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 15/2024 Dr. Steffen Krieger

    Zwei Wochen vergehen (zu) schnell, zumindest zu Beginn einer Schwangerschaft, meint der EuGH in seinem Urteil vom 27.6.2024 – C-284/23 (NZA 2024, 969 – Haus Jacobus). Hier hatte der EuGH erneut Stellung zur Auslegung von Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85/EWG zu beziehen. Bereits in einer früheren Entscheidung (EuZW 2010, 190 − Pontin) hatte er eine luxemburgische Regelung, die eine Frist von 15 Tagen für das Geltendmachen der Unwirksamkeit einer Kündigung wegen nachträglich festgestellter Schwangerschaft vorsah, für unvereinbar mit Unionsrecht gehalten.

    Auch in Deutschland sieht § 5 I 2, III KSchG nur eine Frist von zwei Wochen für die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage für den Fall vor, dass die Frau von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG erfährt. Diese Frist sei zu kurz bemessen und verstoße deswegen gegen den Effektivitätsgrundsatz des Art. 4 III 2 EUV, so der EuGH. Danach müssen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen ergreifen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben. Art. 12 der Richtlinie 92/85/EWG konkretisiert dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Vorschriften zu erlassen, die einen effektiven Rechtsschutz ermöglichen.

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  • Novelle zur Betriebsratsvergütung – alles nun gut?

    Professor Dr. Stefan Greiner, Bonn

    Heft 14/2024

    Foto von Professor Dr. Stefan Greiner, Bonn

    Am 28.6.2024 hat der Bundestag die Novelle zur sog. Betriebsratsvergütung beschlossen (BT-Drs. 20/9469, 20/9875). Bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts nach § 37 IV BetrVG erfolgt nun eine Neubestimmung, soweit dafür ein „sachlicher Grund … vorliegt“. Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer Betriebsvereinbarung und Festlegung von Vergleichspersonen können gerichtlich nur auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden. Rechtswidrige Benachteiligung und Begünstigung werden durch den neuen § 78 S. 3 BetrVG ausgeschlossen, wenn die (kollektivvertraglich oder durch das Unternehmen) festgelegten „Anforderungen und Kriterien erfüllt“ sind und „die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt“.

    Ist damit die Verdienstausfallentschädigung der ehrenamtlich und unentgeltlich (§ 37 I BetrVG) tätigen Betriebsräte nach den Stürmen des Braunschweig-Wolfsburger Ermittlungsverfahrens (vgl. BGH NZA 2023, 301) nun wieder rechtssicher auf Kurs? Für die Causa Volkswagen und die bisherige Vergütungspraxis in vielen weiteren Fällen erzielt die Neuregelung wohl eine stabilisierende Wirkung: Durch die Topoi des „sachlichen Grundes“ und des „Ermessens“ wird eine halbwegs plausibel begründbare Karriereentwicklung jedenfalls vom Hautgout der strafrechtlich sanktionierbaren Untreue befreit. Diese Wirkung könnte wegen § 2 III StGB auch auf laufende Strafverfahren durchschlagen. Die Neuregelung würde dann wie eine Amnestie wirken, was man angesichts der schon zuvor unklaren Rechtslage durchaus gutheißen mag. Ein echtes Strafverfolgungsinteresse besteht in den allermeisten Fällen nicht; nicht für jedes Rechtsproblem ist die grobe Keule des Strafrechts die geeignete Antwort. Wie weit diese strafbarkeitsausschließende Wirkung reicht, bleibt freilich offen. Ist das Vergütungsniveau leitender Angestellter erreicht, dürfte angesichts des Verlusts von Wählbarkeit und Repräsentationsfähigkeit (vgl. § 5 IV Nr. 3, 4 BetrVG) trotz der Neuregelung die Rechtswidrigkeitsgrenze erreicht sein.

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  • Altersbefristung in Textform – Ein Kompromiss für weniger Bürokratie!

    Professor Dr. Gregor Thüsing, Bonn

    Heft 13/2024

    Foto von Professor Dr. Gregor Thüsing, Bonn

    Es geht ja doch. Das Kabinett hat sich zu einem Kompromiss durchgerungen und einen neuen § 41 II SGB VI ins parlamentarische Verfahren gegeben: „Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Textform. § 14 IV des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gilt nicht.“ Bereits vorher hatte man sich drauf geeinigt: Beim NachwG soll auch der digitale Nachweis möglich sein. Aber das würde faktisch ins Leere laufen, wenn nicht auch das Schriftformgebot des Teilzeit- und Befristungsgesetzes angepackt würde; man bräuchte ja dann im Regelfall immer einen schriftlichen Vertrag, sehen doch die meisten Arbeitsverträge eine Beendigung mit Erreichen der Regelaltersgrenze und damit eine Befristung vor.

    Das BAG (z.B. v. 3.9.2003 – 7 AZR 106/03, NZA 2004, 255) sieht den Zweck der Schriftform darin, dass einem Arbeitnehmer „deutlich vor Augen geführt werden [soll], dass sein Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss des befristeten Vertrags zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden kann. Außerdem dient das Schriftformerfordernis einer Erleichterung der Beweisführung. Dadurch soll unnötiger Streit über das Vorliegen und den Inhalt der Zeit- oder Zweckbefristung vermieden werden.“

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  • Ein Europa für das digitale Zeitalter

    Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Justus Frank, Maître en droit, LL.M.

    Heft 12/2024

    Foto von Rechtsanwalt Dr. Justus Frank, Maître en droit, LL.M.

    Die jüngst verabschiedete PlattformarbeitsRL ist das nächste europäische Mosaiksteinchen zur Regulierung der digitalen Arbeitswelt. Der neue Rechtsrahmen enthält neben der von Fischels/Sokoll (NZA 2024, 721) untersuchten Vermutung der Arbeitnehmereigenschaft allen voran umfassende Vorgaben zum algorithmischen Management. Plattformbetreiber müssen danach unter anderem besondere Datenverarbeitungsverbote beachten. Eine Datenerhebung soll bspw. generell untersagt sein, wenn Plattformarbeit nicht ausgeführt oder angeboten wird. Was unscheinbar anmutet, könnte weitreichende Folgen haben. Plattformbetreiber werden sich fragen, ob sie inaktiven Plattformarbeitern hiernach noch Aufgaben per Push-Nachricht anbieten dürfen. Der Einwilligungsvorbehalt in Art. 8 II GRCh spricht dafür. Eine besondere Bedeutung kommt auch den Transparenzanforderungen zu. Plattformbetreiber sind nicht nur verpflichtet, über die Nutzung automatisierter Überwachungs- und Entscheidungssysteme detailliert zu informieren. Sie müssen ihre Prozesse auch so umstellen, dass sie automatisierte Entscheidungen auf Verlangen betroffener Plattformarbeiter, einschließlich Selbstständiger, überprüfen, erklären und ggf. berichtigen können. Eine umfassende Übersicht über die Restriktionen eines algorithmischen Managements unter der PlattformarbeitsRL erscheint im nächsten Heft.

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  • Videokonferenztechnik im arbeitsgerichtlichen Verfahren

    Präsident des LAG Baden-Württemberg a. D. Professor Dr. Johannes Peter Francken, Freiburg

    Heft 11/2024

    Foto Professor Dr.  Johannes Peter Francken

    Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 26.5.2023 zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten (BR-Drs. 228/23; BT-Drs. 20/8095) befindet sich endlich auf der gesetzgeberischen Zielgeraden. Nachdem der Gesetzentwurf in der Fassung des Rechtsausschusses durch den Bundestag am 17.11.2023 angenommen worden war (3. Beratung BT-Plenarprotokoll 20/138), rief der Bundesrat am 15.12.2023 den Vermittlungsausschuss an (BR-Drs. 604/23 (B)). Dieser wird sich mit dem Gesetzentwurf nach nunmehr sechs Monaten (!) im Juni 2024 befassen. Von ihm sind für das arbeitsgerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungsvorschläge zu erwarten.

    Wegen der Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens werden die prozessualen Grundlagen für die Durchführung von Videoverhandlungen jetzt im ArbGG geregelt (insbesondere in § 50a ArbGG-E). An der Anwesenheit des gesamten Spruchkörpers im Sitzungszimmer wird auch bei Videoverhandlungen im Gegensatz zu § 128a III ZPO-E festgehalten. Dies war eine übereinstimmend und vehement vorgetragene Forderung von Verbänden und Arbeitsgerichtsbarkeit (Francken NZA-Editorial Heft 12/2023; s. auch Bader NZA-Editorial Heft 2/2023; Düwell jurisPR-ArbR 32/2023 Anm. 1; Francken NZA 2022, 1225; Heimann NZA-aktuell Heft 1/2023 S. VIII; Natter NZA-Beilage 2022, 37 (42)). Da dem Spruchkörper in Kammerterminen und Senatssitzungen ehrenamtliche Richter/innen angehören, die ihre Sachkunde, Erfahrungen und Kenntnis der betrieblichen Praxis in das Gerichtsverfahren einbringen, muss die wechselseitige und unmittelbare Kommunikation zwischen Berufsrichter/innen und ehrenamtlichen Richter/innen jederzeit gewährleistet sein. Dies ist durch die körperliche Präsenz des gesamten Spruchkörpers an der Gerichtsstelle auch bei Videoverhandlungen weiterhin sichergestellt.

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  • Gewerkschaftsbonus – tarifpolitischer Irrweg mit Streitpotenzial

    Rechtsanwältin Nora Schmidt-Kesseler, Nordostchemie-Verbände, Berlin

    Heft 10/2024

    Foto von Rechtsanwältin Nora Schmidt-Kesseler, Nordostchemie-Verbände, BerlinGewerkschaften stehen vor einer großen Herausforderung: Ihr Mitgliederbestand schwindet schleichend. Die Ursache? Der demografische Wandel. Es wachsen zu wenig Beschäftigte nach, um die Lücken zu schließen, die das Ausscheiden der geburtenstarken „Boomer“-Generation auch in den Arbeitnehmerorganisationen reißt. 

    Als Ausweg aus dieser Bredouille fassen einige Gewerkschaften die Anpassung ihres „Geschäftsmodells“ ins Auge. Sie versuchen, tarifliche Leistungen in Flächentarifverträgen exklusiv ihren Mitgliedern vorzubehalten. Die nichtorganisierten Beschäftigten werden als Trittbrettfahrer oder Schwarzfahrer tituliert, weil diese über Bezugnahmeklauseln in ihren Arbeitsverträgen von den Tarifabschlüssen profitieren. Die Folgen eines solchen Strategieschwenks wären weitreichend. Ob man es nun „Nachteilsausgleich“, „Bonus“ oder „Mitgliedervorteil“ nennt: Auf Basis der Gewerkschaftszugehörigkeit zu unterscheiden, würde insbesondere in einem Flächentarifvertrag erhebliche rechtliche Risiken mit sich bringen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Differenzierungsklauseln in Tarifverträgen existiert bislang nur in Bezug auf Haustarifverträge.

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  • Betriebliches Eingliederungsmanagement – „Update ausstehend!“

    Präsident des LAG Dr. Jürgen vom Stein, Köln

    Heft 9/2024

    Foto Dr. Jürgen vom SteinAls der Gesetzgeber am 1.5.2004 in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ein neues arbeitsrechtliches Rechtsinstitut etablierte, war es das erklärte Ziel, bei gesundheitlichen Störungen durch Einführung eines verpflichtenden Klärungsverfahrens die Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz zu stärken, um das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern (BT-Drs. 15/1783,16). 

    20 Jahre später fällt eine (Zwischen-)bilanz der Regelung in § 167 II SGB IX zwiespältig aus. Einerseits hat das Klärungsverfahren in der betrieblichen Praxis sicherlich den Blick auf Prävention und leidensgerechte Beschäftigungsalternativen geschärft und Hilfestellungen aktiviert. Das bEM stellt daher einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigungssicherung und für eine humane Arbeitswelt dar. 

    Andererseits werden nur rund 40 % der erforderlichen bEM tatsächlich angeboten. In kleineren Betrieben, im Handwerk und im Dienstleistungsbereich sind es noch weniger (Wrage/Sikora/Wegewitz, BAuA-Faktenblatt 37, 2020). Die Betriebspraxis kritisiert vielfach, dass belastbare aktuelle Erkenntnisse zu Aufwand, Wirksamkeit und Erfolg des Rechtsinstituts fehlen und eine rechtliche Überwölbung des gesamten Verfahrens mit richterrechtlichen Erweiterungen und ungeklärten Fragen stattgefunden habe. Hohe organisatorische Anforderungen sowie Unsicherheiten sowohl auf Seiten der Betroffenen als auch auf Seiten der Arbeitgeber seien die Folge.

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  • Unternehmensmitbestimmung in der SE: Der Ball liegt beim EuGH!

    Professorin Dr. Katharina Uffmann, Ruhr-Universität Bochum, und Fachanwalt für Arbeitsrecht Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco), Essen

    Heft 8/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 8/2024 Klaus ThönißenFoto der Autorin von NZA-Editorial Heft 8/2024 Katharina Uffmann

    2024 ist wieder ein spannendes Jahr für die unternehmerische Mitbestimmung in der SE: Auf Vorlage des 1. Senats des BAG vom 17.5.2022 (1 ABR 37/20 (A), NZA 2023, 44) wird der EuGH am 16.5.2024 darüber entscheiden, ob und ggf. bis wann bei einer sog. arbeitnehmerlosen SE das bei Gründung nicht durchgeführte Verhandlungsverfahren nachzuholen ist, wenn die arbeitnehmerlose SE herrschendes Unternehmen von Arbeitnehmern beschäftigenden Tochtergesellschaften wird. 

    Das BAG hält eine Nachverhandlung, obwohl in der SE-Beteiligungsrichtlinie (2001/86/EG, kurz SE-RL) nicht normiert, für unionsrechtlich geboten. Der 1. Senat kreiert damit einen neuen Nachverhandlungstatbestand, was für die Attraktivität der SE als mitbestimmungsorientierter Rechtsformoption bei Umstrukturierungen praktisch erhebliche Folgen hätte. 

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  • Nadelstichtaktik

    Professor Dr. Richard Giesen, ZAAR, Ludwig-Maximilians-Universität München

    Heft 7/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 7/2024, Prof. Dr. Richard GiesenIm 12. März erlaubte das LAG Hessen (10 GLa 229/24) der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), einen Streik zu führen, der nur 22 Stunden vor seinem Beginn angekündigt worden war. Dem waren erstaunliche Dinge vorangegangen. Die GDL hatte unter Streikandrohung gefordert, binnen einer von ihr festgesetzten Frist müsste die Arbeitgeberseite ein schriftliches Angebot vorlegen. Hier diktierte eine Seite die Art des Umgangs, was mit freien Tarifverhandlungen wenig zu tun hatte. Der Vorsitzende Weselsky hatte einen vorangegangenen Streik unter unzutreffender Inhaltsangabe eines Moderatorenvorschlags ausgerufen – weshalb er später gegenüber der Süddeutschen Zeitung einen „Denkfehler“ eingestand, um dem Vorwurf eskalationsfördernder Täuschung zu entgehen. Die GDL führte den Arbeitskampf im Interesse der von den Gewerkschaftsverantwortlichen gegründeten „Fairtrain e. G.“, was deutliche Zweifel an ihrer Tariffähigkeit aufkommen ließ. Und sie hatte daran festgehalten, die DB solle das Tarifeinheitsgesetz (§ 4a II TVG) nicht anwenden. Zudem wurden viele Betriebe bestreikt, in denen die angestrebten Tarifverträge gar nicht anwendbar sein würden, und zwar wegen der dortigen Minderheitsposition der GDL nach § 4 II TVG. Das alles sprach gegen die Rechtmäßigkeit des Streiks, wenn auch der Öffentlichkeit die Details möglicherweise nicht in Gänze gegenwärtig waren. Gegenwärtig waren der Öffentlichkeit aber sicherlich zwei Merkmale des Streiks, nämlich erstens, dass er den Schienenverkehr in Deutschland weitgehend lahm legte, und zweitens, dass die Ankündigungsfrist zu kurz war. Fahrten waren, vor allem für Menschen, die beim Reisen auf Hilfe angewiesen sind, nicht mehr planbar. Das war gewollt, denn die ausdrückliche GDL-Ankündigung lautete, die Bahn würde aufgrund der neuen „Wellenstreiktaktik“ nunmehr „kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr“ sein. Umso erstaunlicher war, was die Hörer und Leser der Berichterstattung am 12. März als Kernbegründung des LAG erfuhren: Das Instrument des Wellenstreiks sei als Nadelstichtaktik zulässig, so der Vorsitzende Richter.

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  • Das neue Postgesetz: Subunternehmerverbot in der Paketbranche?

    Professor Dr. Stefan Greiner, Bonn

    Heft 6/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 6/2024, Professor Dr. Stefan GreinerDirektanstellungsgebote haben Konjunktur. Nachdem der Gesetzgeber in der Frühphase der Corona-Pandemie mit § 6a GSA Fleisch einen „Testballon“ gestartet hat, ist mit der Paketbranche nun der nächste Wirtschaftsbereich im Visier: Der Bundesrat hat hier im Mai 2023 (BR-Drs. 117/23) ein grundsätzliches Verbot von Subunternehmerstrukturen gefordert und dies Anfang Februar 2024 in seiner Stellungnahme zum Postrechtsmodernisierungsgesetz (BR-Drs. 677/23) bekräftigt. 

    Eine Verbesserung behördlicher Kontrollen und die Stärkung von Tarifbindung und Mitbestimmung sind durchaus legitime Regelungsziele. Mit dem vorgeschlagenen Regelungsinstrument wären aber brachiale Eingriffe in die Berufsfreiheit verbunden. Die Entscheidung, in welchen Bereichen ein Unternehmen in voller Verantwortung tätig sein will, ist eine klassische unternehmerische Kernentscheidung. Zudem würde das Berufsbild des selbstständigen Kleinunternehmers faktisch abgeschafft. Unter den spezifischen Bedingungen der Paketbranche würde eine Marktzugangshürde errichtet, die – im Widerspruch zur Grundidee des europäischen Binnenmarktes – zu einer Re-Nationalisierung und Re-Monopolisierung des Paketmarktes führen kann. Die scharfen Eingriffswirkungen lassen sich – wie der Verfasser gutachterlich ausgeführt hat – durch die Regelungsziele nicht rechtfertigen.

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  • Die 35-Stunden-Woche – Ein-, Zwei- oder Mehrbahn-Straße?

    Rechtsanwalt Professor Dr. Cord Meyer, Berlin/Stemwede

    Heft 5/2024

    Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 5/2024 Cord MeyerDie Gewerkschaften fordern in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen eine 35-Stunden-Woche – bei vollem Lohnausgleich – als gemeinsames Credo von der GDL bis ver.di. Im Gegensatz zu den Zeiten, als die IG Metall erstmals die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche erhob, ist das arbeitsmarktpolitische Umfeld drastisch verändert: Anstelle eines damals – tendenziell – Über-Angebots an Arbeitnehmern, herrscht heute ein Arbeitskräftemangel vor. Dies bedeutet etwa im DB Konzern, dass das Angebots-Volumen gegenüber den Kunden im worst case um ca. 10 % absinkt, wenn die verkürzte Arbeitszeit nicht durch andere – zudem im Zweifel nur befristet beschäftigte – Arbeitnehmer kompensiert wird. Und das in einer Zeit, in der die Politik von einer „Verkehrswende“ von der Straße auf die Schiene nicht nur im Kontext des 49 EURO-Tickets spricht. Die aktuellen Tarifkonflikte fokussieren sich auf die ohnehin kritischen Zweige der Infrastruktur und Daseinsvorsorge – von dem ÖPNV bis hin zum SPNV.

    Die insbesondere im Falle der GDL hingegen eher an ein Diktat erinnernde Forderung nach der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich – und zwar „flächendeckend“ in allen EVU (= Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen) aufgrund einer diese strikt knebelnden Junktim-Klausel – widerspricht zum einen dem im Allgemein-Interesse liegenden Auftrag der Daseinsvorsorge durch Absicherung der Mobilität in unserer Republik. Das BAG begründete zum anderen den Schwenk zur Tarifpluralität am 7.7.2010 (NZA 2010, 1068) damit, dass in der Realität des Arbeits- und Wirtschaftslebens eine Tendenz zur Individualisierung bestehe. Nimmt man diese Aussage als zutreffende Feststellung der gesellschaftlichen Entwicklung ernst, so verwundert es schon, dass aktuell Gewerkschaften meinen, ihren Mitgliedern rigide eine „Einbahn-Straße“ verordnen zu müssen. Liegt es umgekehrt nicht im Interesse auch der Res Publica, dass individuelle Lösungen als „Mehrbahn-Straßen“ dem Trend der Zeit entsprechen? Das BAG jedenfalls sieht eine Absenkung der Arbeitszeit nicht eindeutig als günstigere Lösung nach § 4 III TVG an (vgl. BAG 27.1.2004 – 1 AZR 148/03NZA 2004, 667). 

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