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NZA Editorial

 

Wenige Lichtblicke im „weiter so“

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sittard, Freshfields, Düsseldorf/München

Heft 9/2025

Foto des Autors von Heft 9/2025 des NZA Editorials Dr. Ulrich Sittard

Acht Seiten nimmt „Arbeit und Soziales“ im neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ein – von insgesamt 146 (s. NZA aktuell, S. VIII in diesem Heft). Auf das Arbeitsrecht entfallen davon – je nach Definition – höchstens zwei Seiten. Mandanten wünschen sich zumeist kurze und prägnante Zusammenfassungen, aber mit viel Inhalt. Das ist im Koalitionsvertrag nur im Hinblick auf die Kürze gelungen. Was den Inhalt angeht, fehlt es an großen Schritten. Unterstellt man die Umsetzung des Koalitionsvertrags in der neuen Legislaturperiode, kommt es im Arbeitsrecht zu einem „weiter so“. Bis hierhin ist das (hoffentlich) eine neutrale Analyse. Aus Sicht des arbeitgeberberatenden Anwalts, muss aber festgestellt werden, dass dieser Koalitionsvertrag von einer „Wirtschafts- oder Richtungswende“ im Arbeitsrecht weit entfernt ist. Statt nur in die Kritik einzusteigen, sollen vier Lichtblicke einer Modernisierung des Arbeitsrechts hervorgehoben werden: 

Einen wichtigen Impuls hin zu mehr Flexibilität stellt der geplante Wechsel von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit im ArbZG dar. Orientiert sich die neue Regierung, wie ankündigt, an der europäischen Arbeitszeitrichtlinie, wird die tägliche Höchstarbeitszeit künftig nur noch durch die tägliche Ruhezeit von elf Stunden vorgegeben. Es bleibt zu hoffen, dass die so wichtige Flexibilisierung des nicht mehr zeitgemäßen 8-Stunden-Tags flächendeckend umgesetzt wird und nicht im angekündigten „Dialog mit den Sozialpartnern“ von einer Regelung in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen abhängig gemacht wird.

Spannend wird die Umsetzung der (angeblichen) Zeiterfassungspflicht aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Die Zeiterfassung soll elektronisch erfolgen, aber unbürokratisch und mit Übergangsregelungen für KMUs umgesetzt werden. Bei Vertrauensarbeitszeit soll aber keine Arbeitszeiterfassung notwendig sein. Dahinter steckt die richtige These, dass sich echte Vertrauensarbeitszeit und Arbeitszeiterfassung ausschließen. Es ist begrüßenswert, wenn Arbeitnehmer, die ein hohes Maß an Arbeitszeitflexibilität genießen, von jeglicher Zeiterfassung befreit sein sollen. Mein Vorschlag wäre, viel mehr gar nicht zu regeln und auf eine lange Definition von „Vertrauensarbeitszeit“ zu verzichten. 

Ebenfalls positiv sind zwei geplante Änderungen des Befristungsrechts: Arbeitsverhältnisse während eines Studiums sollen vom Vorbeschäftigungsverbot des § 14 II 2 TzBfG ausgenommen werden – dies sollte auf alle Vorbeschäftigungen während der Ausbildungszeit ausgedehnt werden. Gleiches soll für eine „Rückkehr“ (Fortsetzung?) nach Erreichen der Regelaltersgrenze gelten, wodurch ein „befristetes Weiterarbeiten ermöglicht“ werden soll. 

An der Schnittstelle von Steuer- und Arbeitsrecht liegt die geplante Steuerfreiheit für Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen. Herausfordernd wird es den Konflikt mit dem Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter und damit der mittelbaren Geschlechterdiskriminierung (s. zuletzt BAG 5.12.2024 – 8 AZR 370/20, NZA 2025, 431) zu vermeiden, weil die Steuerfreiheit von Zuschlägen ab einer festen Wochenstundenzahl genau dieses Risiko mit sich bringt. 

Im Ergebnis dürfen diese Lichtblicke aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der deutsche Arbeitsmarkt auch im Arbeitsrecht mehr gebraucht hätte als ein „weiter so“ (s. dazu auch von Schassen NZA 2025, 615, in diesem Heft).

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