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NZA Editorial

 

Kein digitales Zugangsrecht – Rückkehr zum schwarzen Brett?

Rechtsanwalt Professor Dr. Thomas Klebe, Frankfurt a. M.

Heft 4/2025

Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 4/2025 Dr. Thomas Klebe

Eine aktuelle Entscheidung des BAG vom 28.1.2025 (1 AZR 33/24, PM NZA aktuell H. 3/2025, S. VI) fordert zum Widerspruch heraus. Das Urteil lehnt Anträge der Gewerkschaft BCE ab, ihr bei dem Unternehmen Adidas in verschiedenen Varianten ein digitales Zugangsrecht einzuräumen, um gewerkschaftliche Rechte, wie zB die Mitgliederwerbung, auszuüben. Grundsätzlich habe zwar die Gewerkschaft nach Art. 9 III GG die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Beschäftigten zu nutzen. Allerdings sei, da der Gesetzgeber nicht tätig geworden sei, die Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit mit den Grundrechten des Arbeitgebers aus Art. 12 und 14 GG und denen der Beschäftigten in praktische Konkordanz zu bringen. Soweit sicher richtig.

Dann folgen allerdings Ausführungen, die nur schwer nachvollziehbar sind. Eine „bloße Übermittlung“ der Adressen ermögliche diese Abwägung nicht, ein Argument, das ich nicht einmal „ansatzweise“ verstehe, aber vielleicht hilft die Begründung. Weiter geht die Pressemitteilung davon aus, dass die Weitergabe der Adressen und ihre Verwendung das Unternehmen erheblich in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit beeinträchtigten und „schon für sich genommen“ sein überwiegendes Schutzbedürfnis begründeten. Wie das, wenn jedes halbwegs organisierte Unternehmen jederzeit eine aktuelle Liste der Adressen hat? Es ist kaum vorstellbar, wie die Überlassung und Nutzung ein Unternehmen auch nur geringfügig wirtschaftlich beeinflussen kann. Im Gegenteil: Hier wird offenbar keine praktische Konkordanz hergestellt, sondern die wirtschaftliche Seite trotz minimaler Kosten verabsolutiert. Unrealistisch ist dann die Anregung, die Gewerkschaft könne ja die einzelnen Arbeitnehmer vor Ort nach ihrer Adresse fragen. Dies erinnert stark an eine frühere, ebenfalls etwas wirklichkeitsferne Entscheidung des BAG (22.6.2010 – 1 AZR 179/09, NZA 2010, 1365), der zufolge ein halbjährliches Zugangsrecht zum Betrieb für die Gewerkschaft ausreichend sein soll. Mit so seltenen Besuchen ist ganz sicher keine strukturierte Wahrnehmung von Rechten, wie zB die Vorbereitung einer erstmaligen Betriebsratswahl, möglich.

Vielmehr hätte das BAG (20.11.2018 – 1 AZR 189/17, NZA 2019, 402) an die vom BVerfG (9.7.2020 – 1 BvR 719/19, 1 BvR 720/19, NZA 2020, 1118) bestätigte Amazon-Entscheidung anknüpfen sollen. Wenn ein Arbeitgeber den Betrieb so organisiert, dass die wirksame Ausübung von Gewerkschaftsrechten erheblich erschwert bis unmöglich wird, muss er solche Pflichten dulden, die die Rechte wieder effektiv werden lassen. Also dort die Streikmobilisierung auf dem eigenen Parkplatz und hier ein digitales Zugangsrecht, weil wegen Vertrieb, Service und Homeoffice ein Großteil der Beschäftigten für die Gewerkschaft über schwarze Bretter nicht mehr erreichbar ist. Leider ist das BAG diesen Weg offensichtlich nicht gegangen. So scheint die Digitalisierung an den Gewerkschaften in den Betrieben erst mal vorbeizugehen – anders als immerhin mit einem Link auf der Intranetseite der Dienststelle im öffentlichen Bereich (§ 9 III BPersVG) oder bei den Internet-Plattformen. Art. 20 der Plattformarbeits-Richtlinie verpflichtet diese über ihre digitale Infrastruktur oder ähnlich wirksame Mittel Kommunikationskanäle für die Beschäftigten sowie ihre Vertreter, also auch die Gewerkschaften, einzurichten. Wobei man auch getrost unterstellen kann, dass die europäischen Gremien ihre DS-GVO kennen.

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