Rechtsanwalt Professor Dr. Michael Fuhlrott, Hamburg
Heft 2/2025
Betriebliche Interna sollten möglichst im Unternehmen bleiben – ob es sich dabei nun um Geschäftsgeheimnisse, personenbezogene Daten oder auch nur um die „Marotten“ des Chefs handelt. Um diese aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers gem. § 241 II BGB fußende Verpflichtung abzusichern, finden sich in nahezu jedem Arbeits- oder Aufhebungsvertrag umfassende Klauseln zur Verschwiegenheit. Die Stillschweigensverpflichtung erstreckt sich zumeist auf alle dem Arbeitnehmer „im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft“ und „besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus“ (sog. Catch-All-Klauseln). So jedenfalls sah es der Arbeitsvertrag eines Beschäftigten vor, den das BAG anlässlich seiner aktuellen Entscheidung (Urt. v. 17.10.2024 – 8 AZR 172/23, NZA 2025, 112, in diesem Heft) vorliegen hatte – und wie sich entsprechende Formulierungen auch in zahlreichen arbeitsrechtlichen Formularhandbüchern finden lassen.
Der Arbeitnehmer hatte – dies war unstreitig – in seinem vormaligen Arbeitsverhältnis technische Daten an einen Konkurrenten herausgegeben, das Unternehmen hiervon später Kenntnis erlangt. Der daraufhin auf das Geschäftsgeheimnisgesetz gestützte Unterlassungsanspruch scheiterte, da der Arbeitgeber keine ausreichenden Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen hatte. Da deren Vorhaltung seit Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetz konstitutiv ist, war die Gesellschaft damit erfolglos. Aber auch der weitere Unterlassungsanspruch, den der Arbeitgeber auf die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklausel stützte, blieb erfolglos: Die Erfurter Richter sahen in der zeitlich und inhaltlich umfassenden und unbegrenzten Klausel eine unangemessene und im Ergebnis unwirksame Regelung. Diese beeinträchtige das berufliche Fortkommen ungebührlich, sie komme einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung nahe. Wenn der Arbeitgeber eine wirksame Klausel wolle, so dürfe sich diese „allenfalls auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen“.
Was folgt aus der Entscheidung? Nun, viele Verfasser von Formularhandbüchern werden ihre Muster nunmehr überdenken, viele Unternehmen ihre Vertragsvorlagen anpassen müssen. Die Verwendung großer Catch-All-Klauseln ist nicht mehr ratsam. Wirksame Klauseln, die sich auf konkrete Geschäftsgeheimnisse beziehen (s. etwa das Muster von Fuhlrott/Fischer NZA 2022, 809) sind zwar gestaltbar, lassen den Umfang des Arbeitsvertrags aber anschwellen und bedürfen ständiger Anpassung. Zwar wäre die stark abgeschwächte Formulierung denkbar, wonach ein Arbeitnehmer „grundsätzlich“ über betriebliche Interna Stillschweigen zu wahren hat, soweit die Abwägung im Einzelfall ergibt, dass sein Interesse an der Offenbarung das Arbeitgeberinteresse nicht überwiegt. Ob eine solche weiche Formulierung hinreichend transparent ist und – bejahendenfalls – überhaupt noch die gewünschte Steuerungsfunktion ausüben kann, lässt sich ebenfalls bezweifeln. Die Entscheidung ist weiterhin ein Weckruf für alle Unternehmen, die den betrieblichen Geheimnisschutz bislang stiefmütterlich behandelt haben. Bestehen nämlich ausreichende Geheimhaltungsmaßnahmen, kommt es auf die vertragliche Formulierung nicht mehr allein entscheidend an.