Dr. Sebastian Löw
Heft 11/2025

Flughafenstreiks, wie sie am 10. März dieses Jahres nahezu bundesweit stattfanden, stellen ein besonders effektives Druckmittel im Arbeitskampf dar. Sie treffen nicht nur den Bestreikten, sondern auch Luftfahrtunternehmen, die – zum Leidwesen der Passagiere – Flüge annullieren müssen und/oder Frachten nicht rechtzeitig ausliefern können. Trotz dieses Umstands verneinte das BAG Schadensersatzansprüche von Luftfahrtunternehmen gegen die zum Flughafenstreik aufrufende Gewerkschaft bislang – mit Verweis auf deren reine Drittbetroffenheit – bereits im Ausgangspunkt und damit losgelöst von Folgefragen wie der Rechtswidrigkeit des Streiks (BAG 25.8.2015 – 1 AZR 754/13, NZA 2016, 47; 25.8.2015 – 1 AZR 875/13, NZA 2016, 179; 26.7.2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543).
Unbeachtet geblieben sind dabei allerdings die Bestimmungen der Flugsicherungsdienste-VO (EG) Nr. 550/2004. Die Flugsicherungsdienste-VO beruht auf der VO (EG) Nr. 549/2004, die den Rahmen für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums festlegt und die Steigerung der Gesamteffizienz des allgemeinen Flugverkehrs verfolgt (Art. 1 I). Der EuGH leitete daraus in der Rechtssache Skeyes ab, dass Art. 8 Flugsicherungsdienste-VO, der die Benennung von Dienstleistern für Flugsicherungsdienste regelt, Rechte des Luftfahrtunternehmens in Bezug auf die Luftraumnutzung vorsieht, die bei Eingriffen in Flugsicherungsdienste verletzt werden können (EuGH 2.6.2022 – C-353/20, ECLI:EU:C:2022:423 = EuZW 2022, 928 Ls. = BeckRS 2022, 12150).
Daran anknüpfend legte der Österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) dem EuGH die Folgefrage zur Vorabentscheidung vor, ob die Erbringung von Flugverkehrsdiensten auch dem Schutz des einzelnen Luftraumnutzers (Luftfahrtunternehmen) vor dem Eintritt von Vermögensschäden aufgrund rechtswidriger und schuldhafter Versäumnisse der mit den Flugsicherungsdiensten betrauten Flugsicherungsorganisation dient (OGH 27.5.2024 – 1 Ob 118/23v, RRa 2025, 40, anhängig beim EuGH unter C-408/24 – Austrian Airlines). Im Anlassfall kam es aufgrund von technischen Problemen der Flugsicherung zu verzögerten Abfertigungen, was letztendlich rund 60 Flugannullierungen des auf Schadensersatz klagenden Luftfahrtunternehmens zur Folge hatte.
Bejaht der EuGH die Vorlagefrage, ist auch die Haftung bei rechtswidriger Bestreikung von Flugsicherungsdiensten neu zu bewerten. Die aus Art. 8 Flugsicherungsdienste-VO entspringenden Rechte des Luftfahrtunternehmens zur Luftraumnutzung wären dann wohl nicht nur vor rechtswidrigen und schuldhaften Versäumnissen der Flugsicherungsorganisation, sondern auch vor entsprechenden Eingriffen durch Dritte wie Gewerkschaften geschützt. Denn nur in diesem Fall werden die mit den Sekundärrechtsakten verfolgten Ziele der Schaffung und Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveaus der Zivilluftfahrt (EuGH 2.6.2022 – C-353/20, ECLI:EU:C:2022:423 = EuZW 2022, 928 Ls. = BeckRS 2022, 12150; 5.7.2017 – C-190/16, ECLI:EU:C:2017:513 = NZA 2017, 897 – Fries) und eines leistungsfähigen und reibungslos funktionierenden Luftverkehrssystems in Europa (Erwägungsgrund 1 und 3 VO (EG) Nr. 549/2004) verwirklicht. Bei Flughafenstreiks könnte dem Arbeitskampfrecht damit ein Paradigmenwechsel bevorstehen.
