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KI-Revolution: Produktivitätszuwächse und Geschäftsmodellanpassungen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Aufbruchstimmung erfasst immer mehr Berufsgruppen

 

Deutschland steht an der Schwelle zu einer KI-Revolution. Ein internationaler Report, der am 7.3.2024 veröffentlicht wurde, lässt erkennen, dass die KI-Nutzung das Wirtschaftsgeschehen auch in Deutschland rasant verändern wird. Gesehen wird aber auch die zumindest heute noch bestehende Kluft zwischen ehrgeizigen Zielen und realen Gegebenheiten. Einig sind sich Experten, dass die Innovationsgeschwindigkeit ein Hochschalten um mehrere Gänge erfordert.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

In einer international angelegten Studie wurde der Einfluss von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) auf die deutsche und europäische Wirtschaft untersucht. Die Ergebnisse wurden in dem Report „Unlocking Europe’s AI Potential in the Digital Decade“ („Europas KI-Potenzial im digitalen Jahrzehnt freisetzen“) zusammengefasst. Sie unterstreichen, dass Deutschland an der Schwelle zu einer KI-Revolution steht: Durch die Einführung von digitalen Technologien wie KI und der Cloud wird ein positiver Gesamteffekt von 668 Mrd. € auf die hiesige Wirtschaft bis 2030 erwartet. Offenbar hat die damit bezifferte rasante Entwicklung der Fähigkeiten von KI vielerorts Hoffnungen auf die Steigerung von Arbeitsproduktivität geweckt. Denn nach einer anderen Studie, deren Ergebnisse einen Tag zuvor am 6.3.2024 bekannt gegeben wurden, gehen 40% der Führungskräfte davon aus, dass KI zu Produktivitätssteigerungen von mehr als 30% führen wird. Andererseits setzen nach einer weiteren Bitkom-Umfrage, über die parallel im BC-Newsletter vom 7.3.2024 berichtet wird, nur 3% der dort befragten Unternehmen die KI bereits zentral ein; sogar über 50% planen das auch nicht. Was gilt denn nun, so fragt man sich?

 

 

Lösung

Bei näherer Analyse lassen sich auf den ersten Blick schnell konstruierbare Widersprüche wieder auflösen. Danach werden einige Empfehlungen für die Managementpraxis auch in KMU abgeleitet.

 

1. Einzelne Studienergebnisse im Überblick

(1) Die Ergebnisse der oben zuerst genannten Studie zum Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die deutsche und europäische Wirtschaft hat das unabhängige Beratungsunternehmen Strand Partners im Auftrag von Amazon Web Services (AWS) erhoben und in dem Report „Unlocking Europe’s AI Potential in the Digital Decade“ zusammengefasst. Sie unterstreichen, dass Deutschland an der Schwelle zu einer KI-Revolution steht. Im Jahr 2023 haben demnach bereits 36% der Unternehmen KI eingesetzt, was einem Anstieg von 29% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Sollte der Einsatz von KI und anderen digitalen Technologien mit gleichem Tempo voranschreiten, könnte dies bis 2030 zu einer zusätzlichen Wertschöpfung von 116 Mrd. € in Deutschland beitragen (im Vergleich zu den Studienergebnissen aus 2022) und den oben bereits genannten positiven Gesamteffekt von 668 Mrd. € bis 2030 erbringen.

(2) Demgegenüber stehen in der zweiten Studie die mit dem KI-Zuwachs verbundenen Personalaspekte im Vordergrund. Es handelt sich um die breit angelegte Studie zu den „Global Talent Trends 2024“, die durch Mercer, ein Unternehmen von Marsh McLennan (NYSE: MMC), jährlich durchgeführt wird. Der fast unglaublich scheinende Produktivitätszuwachs von 30% und mehr in nur drei Jahren (s. Studie, S. 10) hat die befragten Führungskräfte quasi elektrisiert, weil zuvor bei solchen Zuwachsraten in Jahrzehnten gedacht werden musste, wenn man vielerorts mit 3% pro Jahr schon glänzen konnte. Allerdings muss – wie eigentlich immer im Leben – vor zu viel Euphorie gewarnt werden, zumal drei von fünf Führungskräften (58%) glauben, dass sich die Technologie schneller entwickeln wird, als die Unternehmen ihre Mitarbeitenden darauf vorbereiten können. Weniger als die Hälfte der Führungskräfte (47%) ist überzeugt, dass sie ihren Bedarf an Fachkräften mit ihrem derzeitigen Talentmodell in der Personalbeschaffung decken können. Hier tut sich also ein Problem beträchtlichen Ausmaßes auf – und auch eine Riesen-Chance für die, die zur Schließung der Lücke ihren Beitrag leisten können.

(3) In der bereits oben angesprochenen Bitkom-Studie wurde zudem im Gegensatz zu den unter (1) in der AWS-Studie genannten 23% aktiver KI-Anwender ermittelt, dass weit weniger Unternehmen insoweit bereits gut aufgestellt sind, da dort nur 3% den zentralen Einsatz bejahen, wonach die Unternehmen also in der betriebsalltäglichen Umsetzung noch ganz am Anfang stehen. Die krassen Unterschiede dürften sich mit dem unterschiedlich angelegten Studiendesign erklären lassen (Anzahl, Art und Größe der einbezogenen Unternehmen) und mit Begriffsabgrenzungen („zentraler“ KI-Einsatz z.B.).

 

2. Ableitung von Handlungsempfehlungen

(1) Schnelles Aufspringen auf den KI-Zug: Die Innovationsgeschwindigkeit ist der Schlüssel zur zukünftigen Erfolgssicherung. So formulierte es der Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst am 5.3.2024 auf dem Münchener MMK, einem großformatigen, äußerst hochkarätig besetzten Managementkongress mit vielen CEOs namhafter Unternehmen als Referenten (siehe unter https://management-kolloquium.de/thema-2024-gemeinsam-stark/). Wer glaubt, mit traditionellen Bordmitteln im Wettbewerb mit den KI nutzenden Konkurrenten bestehen zu können, wird – von wenigen Ausnahmen abgesehen – schon sehr bald einsehen müssen, dass ähnlich dem Umstieg vom Pferd auf motorisierte Beförderungsmittel kein Weg am KI-Einsatz vorbeiführen wird. Dies gilt keineswegs nur für die industrielle Produktion, sondern ebenso z.B. in der Touristik („KI macht Arbeitsplätze und Berufe in der Reisewirtschaft attraktiver“, so DRV-Mitteilung vom 21.2.2024) und ganz besonders auch in der Medizin (wie es der CEO von Siemens Healthineers, Dr. Bernd Montag, ebenfalls am 5.3.2024 anlässlich des MMK erklärte und mit eindrucksvollen Zahlen unterlegte).

(2) Fachkräfte motivieren: Hierzu werden in der Mercer-Studie „Global Talent Trends 2024“ folgende Ansatzpunkte genannt:

  • Anker zum Vertrauen & Eigenkapital: Pflege eines Vertrauensklimas durch faire Bezahlung, Gerechtigkeit und Inklusion.
  • Stärkung des Immunsystems des Unternehmens: Bauen Sie widerstandsfähige Kulturen mit Teams auf, die im Kern risikobewusst und gesund sind.
  • Kultivieren einer Digital-First-Kultur: Entwerfen Sie eine anpassungsgerechte, digital fließende Organisation, in der Menschen gedeihen können.

Kate Bravery (Senior Partner, Mercer) appelliert an die Unternehmen (und andere Institutionen), die Gelegenheit zu nutzen, „ihre People-Strategie neu zu gestalten, um nachhaltigere, inspirierendere und weniger anstrengende Arbeitsmodelle aufzubauen“.

(3) Interne Kommunikation intensivieren: Wenn es gelingen soll, über die vorgenannten Ansatzpunkte bisherige Bremser auf das Gaspedal zu bewegen und damit in Förderer umzuwandeln, dann wird es ganz entscheidend sein, über kommunikative Impulse eine entsprechende Bewusstseinsänderung auszulösen. Da wird es dann manchmal auch nicht ohne klare Ansagen gehen. Das bestätigte kürzlich ein Unternehmer, der aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten ab Herbst 2021 emotionale Tiefpunkte durchleben musste, bis die grundlegende Restrukturierung auf den Erfolgsweg zurückgeführt werden konnte. Er berichtete auf der BDU-Fachkonferenz Sanierung am 1.3.2024: Im Zahlenwerk musste mehr Transparenz geschaffen werden, so durch ein monatliches Reporting an die Banken. Dazu muss mit den Mitarbeitern gesprochen werden, die die Zahlen erzeugen. Klare Ansagen an die Belegschaft mussten kollegial verpackt werden, auch um das Abwandern der besten Kräfte über eine wertschätzende Kommunikation zu vermeiden.“

(4) Mit KI-Einsatz zurück auf den Erfolgskurs: Um die Notwendigkeit klarer Ansagen wissen insbesondere auch Beratende, die in Unternehmen gehen, wenn es fast schon zu spät ist. Auf dem eben bereits erwähnten BDU-Fachkongress Sanierung wagte Katherina Gasser, Direktorin in der Restrukturierungs- und Sanierungsberatung bei PwC, eine knallharte Prognose, die eine solche Bewusstseinsschärfung bei nicht wenigen hervorrufen könnte: „80% aller Unternehmen werden in den nächsten zwei Jahren KI adaptieren, alle anderen werden nicht mehr wettbewerbsfähig sein.“ Und als Co-Referent ergänzte ihr PwC-Kollege Sebastian Paas, dass in Situationen mit erhöhter Unsicherheit schnelle Transparenz der entscheidende Faktor für ein erfolgreiches Krisenmanagement ist. Vor diesem Hintergrund könne mittels benutzerfreundlicher Oberflächen generative KI-Technologie das Revolutionieren von Geschäftsmodellen bewirken.

 

3. Fazit

Der KI-Einsatz hilft also nicht nur ohnehin schon erfolgreichen Unternehmen, noch bessere Ergebnisse zu erzielen, sondern dürfte ein Instrument sein, das künftig in kaum einer Sanierung fehlen wird. Soweit insbesondere in kaufmännischen Berufsgruppen noch eine Abwehr- oder gar Verweigerungshaltung bestehen sollte, kann nur geraten werden, diese durch Aufgeschlossenheit zu ersetzen. Die KI-Revolution wird in unserer weltweit verflochtenen Wirtschaft manche Umorientierung erfordern und die bestrafen, die dieses Neu- oder Umdenken nicht rechtzeitig für sich in Vorteile ummünzen können oder wollen. Nur Beteiligte können daran mitwirken, mit der KI zweifellos auch vorhandene Gefahren einzudämmen und da, wo es nötig ist, über eine durch kritische Distanz geprägte Denkhaltung (vgl. zuletzt den Beitrag hinsichtlich des KI-Einsatzes im Reporting) einzugreifen. Die diesem Beitrag zugrunde liegenden Tagungsbesuche der letzten Tage vermittelten jedenfalls dem fachjournalistischen Beobachter das Vorliegen einer Aufbruchstimmung unter allen Teilnehmern – deren Bandbreite reicht vom CEO bis zum Bilanzbuchhalter, vom Krisenberater bis zum geretteten Unternehmer, vom Professor bis zum Studenten.

 

 

Praxishinweise:

  • Für die AWS-Studie (siehe oben unter (1)) wurden im Rahmen einer repräsentativen Studie insgesamt knapp 30.000 Unternehmen und Bürger befragt (zum Download siehe unter https://www.unlockingeuropesaipotential.com/germany).
  • Die Mercer-Studie basiert auf den Ansichten von über 12.000 Führungskräften, Personalleitern, Mitarbeitenden und Investoren weltweit und zeigt, welche Maßnahmen Arbeitgeber ergreifen, um in Zukunft erfolgreich zu sein (siehe dazu unter https://www.mercer.com/insights/people-strategy/future-of-work/global-talent-trends/). In dieser Studie wird zu wenig Zukunftsorientierung beklagt: „Die gesellschaftlichen Dynamiken verändern die Arbeitsstrukturen; Technologie und KI schreiten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit voran, und wir navigieren immer noch durch die Nachwirkungen und die Erholung einer Welt nach der Pandemie.“ Deshalb habe man es sich zur Aufgabe gemacht, quasi wachzurütteln. Mit hoch gehängtem eigenem Anspruch: Die diesjährig erhobenen Trends sollen „identifizieren, was führende Unternehmen anders machen, um agilere und nachhaltigere Menschen-Praktiken aufzubauen, die es Unternehmen, Arbeitskräften und Gesellschaften ermöglichen, auf Jahre hinaus zu gedeihen“.
  • Zur BDUI-Fachkonferenz Sanierung siehe unter https://www.bdu.de/veranstaltungen/fachkonferenz-sanierung-marz-2024; einen ausführlichen Rückblick wird es demnächst geben unter https://www.bdu.de/verband/fachverbaende/sanierungsberatung-und-insolvenzberatung/.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 4/2024

BC20240407

 

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