FG Düsseldorf, Urt. v. 20.11.2024 – 7 K 2466/22 F
Ein Gewinnabführungsvertrag kann steuerlich innerhalb der Fünfjahresfrist nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Doch was genau ist ein wichtiger Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 KStG, und wie detailliert muss er dargelegt werden? Und ist die Aufhebung eines Gewinnabführungsvertrags einer Kündigung gleichzusetzen? Mit diesen Fragen hat sich nun das Finanzgericht (FG) Düsseldorf auseinandergesetzt.
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Problemstellung
Die im Chemiebereich tätige Klägerin schloss als Organgesellschaft im Jahr 2017 einen Gewinnabführungsvertrag mit der Organträgerin ab. Der Gewinnabführungsvertrag wurde einvernehmlich mit Wirkung zum 31.2.2020 aufgehoben.
Aus Sicht des Finanzamts war aufgrund der vorzeitigen Auflösung eine Organschaft insgesamt nicht zustande gekommen. Die Klägerin argumentierte dagegen, dass sich durch den Beginn des Lockdowns und des nicht absehbaren Ausgangs der Corona-Pandemie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen signifikant geändert haben und somit ein wichtiger Grund für die Auflösung des Vertrags vorlag. Dies wurde durch diverse Gutachten untermauert, welche damals einen signifikanten Rückgang des Bruttogewinns (Earning before Taxes – Ertrag vor Steuern) prognostiziert hatten. Ein Festhalten am Vertrag sei für die Vertragsparteien nicht zumutbar gewesen, da diese bei Kenntnis der Pandemie den Vertrag seinerzeit nicht geschlossen hätten.
Lösung
Das FG Düsseldorf widerspricht der Auffassung der Klägerin. Das Urteil basiert auf den folgenden zentralen Punkten:
- Auflösung: Zunächst stellt das Gericht fest, dass aus seiner Sicht die Auflösung eines Gewinnabführungsvertrags der im Gesetzeswortlaut genannten Kündigung gleichzustellen ist.
- Pandemie: Das Auftreten der Pandemie ist an sich kein wichtiger Kündigungsgrund, da sie sich auf verschiedene Branchen unterschiedlich ausgewirkt hat. Während das Hotel- und Gaststättengewerbe signifikante Umsatz- und Gewinneinbußen hinnehmen musste, konnten z.B. die Unterhaltungsbranche, Impfstoffhersteller und Produzenten von Desinfektionsmitteln von der Krise profitieren. Anders als teilweise in der Literatur vertreten, stellt für das FG Düsseldorf nicht jede Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Außer einem temporären Rückgang des Vorsteuergewinns hat die Klägerin nicht substantiiert dargestellt, welche Umstände sich konkret durch die Pandemie geändert haben.
- Prognose: Die Klägerin begründete die Kündigung u.a. mit den schlechten Prognosen im März 2020. Die wirtschaftliche Existenz des Organträgers war aber durch die Situation nicht gefährdet. Auch hat die Prognose nur auf die Risiken abgestellt, hingegen die sich aufgrund der Branche der Klägerin bietenden Chancen nicht berücksichtigt. Dies ergibt sich auch aus einer Pressemitteilung der Klägerin aus dem Jahr 2021, in welcher über den Umsatzwachstum des Vorjahres berichtet wurde. Schon die ursprüngliche Prognose sah lediglich einen vorübergehenden Verlust mit einer Rückkehr in die Gewinnzone im Jahr 2022. Eine nur potenzielle kurzfristige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage stellt aber keinen wichtigen Grund dar.
- Staatshilfen: Auch wenn im Kündigungszeitpunkt noch nicht im vollen Umfang sichtbar, konnte die Klägerin dennoch von diversen Staatshilfen (z.B. Corona-Soforthilfe) ausgehen, welche die Verlustprognosen weiter abgemildert hätten.
Allgemeine wirtschaftliche Schwierigkeiten stellen keinen wichtigen Kündigungsgrund dar. Weil die Klägerin nicht ausreichend darlegen konnte, inwieweit sich die Pandemie auf die zum Vertragsschluss bestehenden Umstände negativ ausgewirkt hat, führt die Kündigung steuerlich zu einer generellen Nichtanerkennung des Gewinnabführungsvertrags.
Praxishinweis: Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Unternehmen geneigt, schlechte Ergebnisse pauschal auf bestimmte Ereignisse – schwache Konjunktur, geopolitische Krisen, Naturkatastrophen etc. – zu schieben. Das FG Düsseldorf folgt hier der chinesischen Weisheitslehre. In der chinesischen Schrift setzt sich das Wort „Krise“ aus den Schriftzeichen für Gefahr und Chance zusammen. Analog sind auch bei der Ermittlung eines wichtigen Grundes beide Seiten der Medaille zu betrachten. Es ist genau darzulegen, wie sich eine Krise auf die Umstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gelten, ausgewirkt hat. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 1/2025
BC20250123