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Hohe Insolvenzzahlen, aber keine Welle

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

VID-Kongress am 7.11.2024 in unruhigem Umfeld

 

Rückläufige Gründungszahlen, demografischer Wandel und überholte Geschäftsmodelle hinterlassen ihre Spuren bei den Insolvenzen. Die Entwicklung kommt nicht unerwartet. Managementfehler sind die Hauptursache. Vor einer Insolvenzwelle sieht der „Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands“ (VID) die deutsche Wirtschaft aber weiterhin nicht.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die seit eineinhalb Jahren steigenden Insolvenzzahlen sorgen zwar für große Unruhe, zumal die deutsche Wirtschaft seit der Corona-Pandemie und dem Ausbruch des Ukrainekriegs unzweifelhaft vor großen Herausforderungen steht. Oft werden die Insolvenzzahlen als Indikator für die schlechte Wirtschaftslage angeführt. Das sehen ausgerechnet die Insolvenzverwalter aber anders. Zur Einordnung wurden anlässlich des VID-Jahreskongresses vom 7./8.11.2024 in Berlin einige Zusammenhänge klargestellt.

 

 

Lösung

In der Begrüßung der Kongressteilnehmer betonte der VID-Vorsitzende Dr. Christoph Niering (Köln), dass in unruhigen Zeiten mit politischen Verwerfungen eine ruhige Hand erforderlich sei. Insolvenzvermeidung um jeden Preis wie zu Corona-Zeiten dürfe es nicht mehr geben. Viele Branchen benötigen eine Marktbereinigung hinsichtlich der Unternehmen mit nicht mehr funktionierenden Geschäftsmodellen, selbstverständlich sozial abgefedert. Insolvenzen sieht er aber auch als ein Instrument der beschleunigten Transformation.

In einer parallel zum Kongress verfassten Mitteilung verwies der VID-Vorsitzende Dr. Christoph Niering zunächst auf niedrige Gründungszahlen als Erklärungsfaktor – relativ gesehen – niedriger Insolvenzzahlen: „Schaut man sich die langjährige Entwicklung der Insolvenzen an, dann erreichen wir nicht annähernd die Zahlen, wie wir sie zu Zeiten der Finanzkrise gesehen haben; dies hängt auch mit den abnehmenden Gründungszahlen zusammen. Historisch waren über viele Jahrzehnte junge Unternehmen überdurchschnittlich häufig von Insolvenzen betroffen“, so Niering weiter. Gerade in den ersten fünf Jahren nach Gründung besteht für Unternehmen die höchste Insolvenzgefahr. Rückläufige Unternehmensgründungen führen demgemäß unmittelbar auch zu entsprechend weniger Unternehmensinsolvenzen, was auf absehbare Zeit gegen die Erwartung neuer Rekordzahlen spreche.

Neu ist nach Ansicht des VID, dass die Branchen, die derzeit besonders von Insolvenzen betroffen sind, nicht mehr mit ein und derselben Ursache zu kämpfen haben. Eine allgemeine Konsumflaute erkläre nicht mehr die wirtschaftliche Schieflage. „Stattdessen hinterlassen Transformationsprobleme, demografischer Wandel und überholte Geschäftsmodelle ihre Spuren bei den Insolvenzen. Spürbar, aber eben nicht unerwartet oder dramatisch“, so der VID-Vorsitzende. Beispiele:

  • In der Automobilbranche finden Veränderungsprozesse schneller statt als bisher angenommen.
  • Der stationäre Einzelhandel hat bisher keine Antwort auf den Online-Handel gefunden.
  • In der Gastronomie und Hotellerie finden durch Insolvenzen Bereinigungsprozesse statt: Schlechte oder saisonale Arbeitszeit mit geringer Entlohnung sind keine attraktiven Angebote für Arbeitssuchende.

Weiterhin verweist der VID auf die Corona-Hilfen: „Die Beihilfen haben den Insolvenzprozess nur hinausgezögert und Veränderungsprozesse aufgehalten. Viele haben gehofft, dass sie mit ihren alten Geschäftsmodellen an das Vorher anknüpfen können“, meint Niering. Selten sehe man Unternehmen, die top aufgestellt und nun durch eine allgemeine Nachfrageschwäche in die Insolvenz gegangen seien. „Die meisten insolventen Unternehmen haben kein tragfähiges Geschäftsmodell oder sind nicht durchfinanziert. Nach wie vor sind zwei Drittel aller Insolvenzen auf Managementfehler zurückzuführen“, so Niering.

 

 

Praxishinweise:

  • Zu den Insolvenzursachen zählt natürlich auch die allgemeine Wirtschaftsschwäche. In seinem Vortrag über die konjunkturelle Entwicklung und strukturelle Herausforderungen konnte Prof. Dr. Hubertus Bardt (Geschäftsführer des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln) in Berlin am 7.11.2024 keine Entwarnung geben. Die deutsche Wirtschaft sei schon seit Jahren in der Stagnation (seit 2019 mit Ausschlag nach unten in 2020/2021). Wie sind die Aussichten für das neue Jahr? Branchen, die die Konjunktur treiben, sind nicht ersichtlich. Derzeit bestimmen negative Produktionserwartungen das Bild, in der Industrie sogar um 3,5%. Eventuelle höhere Zölle in den USA werden einen dauerhaften Wohlstandsverlust bewirken von ca. 1,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Hinzu kommt eine verschleppte Investitionsschwäche in Deutschland; insbesondere ausländische Investitionen sind massiv zurückgegangen seit der Energiekostenkrise. Die industrielle Standortqualität in Deutschland lässt allgemein nach. Ein Produktivitätswunder werde nicht eintreten. Mit KI kann, so Barth, zumindest teilweise gegengesteuert werden (vgl. dazu den parallel im BC-Newsletter vom 7.11.2024 enthaltenen Beitrag über die Kopplung von Nachhaltigkeit und Wachstum).
  • Die vom VID angeführte Gründungsschwäche wurde auch in dem am 21.8.2024 vorgestellten Gründungsreport 2024 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bestätigt, in dem man einen historischen Tiefstand für das Gründungsinteresse in Deutschland festgestellt hat. Die an der DIHK-Befragung beteiligten Unternehmer bewerteten den Gründungsstandort Deutschland 2024 mit einer 3,6 gerade einmal als „ausreichend“ (vgl. BC-Newsletter vom 22.8.2024). Dass sinkende Gründungszahlen auch auf in der Existenzgründung engagierte Selbstständige aus den Bereichen Buchführung, betriebswirtschaftliche Beratung bzw. Controlling durchschlagen, wurde unter Rückgriff auf entsprechende Creditreform-Ergebnisse bereits im BC-Newsletter vom 21.12.2023 angesprochen.

 

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

 

BC 12/2024

BC20241210

 

 

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