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Zukunftsperspektiven für Familienunternehmen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Perspektiven für Gestaltungen eröffnen

 

Die im Mittelstand dominierenden Familienunternehmen sind gefordert, Zukunftsängste abzubauen und stattdessen positive Perspektiven zu vermitteln, insbesondere auch den nachfolgenden Generationen. Unternehmer gestalten mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Unternehmenskultur, Führung, Organisation und Strategie sind die wesentlichen Betätigungsfelder. Jenseits buchhalterischer Alltagsthemen lohnt sich auch für KMU-Verantwortliche ein Blick über den Tellerrand auf das, was die Zukunft bereithält.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Zu einer Reise in die Zukunft wurde am 17./18.10.2024 in den Bayrischen Hof in München eingeladen. Zur Eröffnung des von der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH veranstalteten Kongresses fand Prof. Dr. Norbert Wieselhuber deutliche Worte: Die Vielfalt der Veränderungen bereite vielen schlaflose Nächte – selbst wenn man sich auf wirtschaftliche Aspekte beschränkt, einmal ganz abgesehen von beispielsweise medizinischen und anderen naturwissenschaftlichen Herausforderungen. Veränderungen zeichnen sich durch schwache Signale ab: Zukunft hat Herkunft. Politik reduziere sich in diesem herausfordernden Umfeld leider auf einen Reparaturbetrieb. Deshalb bedürfe es umso mehr eigener Initiativen. Für Impulse werden Experten benötigt, die bei der Gestaltungsarbeit unterstützen. Die für die BC-Themenfelder wichtigsten Akzente werden nachfolgend skizziert.

 

 

Eckpunkte der Zukunftsgestaltung

Einführend wurde appelliert, die Zukunft Europas im Zeitalter der Komplexität und Konfusion damit zu verbinden, immer stärkere Sehnsüchte nach Orientierung in die richtigen Bahnen zu lenken, so Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld, der als Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung (CAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Rektor der Alma Mater Europaea der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste (Salzburg) die aktuelle strategische Sprachlosigkeit beklagte.

Die von Oliver Hermes (Vorstandsvorsitzender & CEO der Wilo Gruppe, einem weltweit führenden Pumpenhersteller) aufgezeigte Notwendigkeit der Business Transformation (Veränderungen der Geschäftsmodelle) enthält auch für andere Unternehmen umsetzbare Erfahrungsbereiche. Die Spannweite der Geschäftsmodelle wurde in dem 1872 gegründeten Unternehmen nach dem Durchlaufen etlicher Krisenzeiten zuletzt deutlich ausgeweitet (heute ein Global Player mit 2 Mrd. € Umsatz, davon 80% außerhalb Deutschlands). Für 2030 wurden ambitionierte Ziele festgelegt, u.a. auch eine Nachhaltigkeitsstrategie. Diese war bisher ein Appendix zur Unternehmensstrategie und ist nun übergeordneter Maßstab für alle Aktivitäten. Die Darstellung als Klimaschutz-Unternehmen befördert die Vertriebsaktivitäten. Auch die Finanzierungsstrategie wurde dem Nachhaltigkeitsziel unterworfen (green bond). Durch zwischenzeitlich erhaltene Auszeichnungen (Awards, z.B. von ecovadis im August 2024, dazu gehört auch die Stärkung der Gesundheit der Mitarbeitenden) konnten Zinsersparnisse in vielfacher Millionen-Höhe realisiert werden.

Die Wilo-Nachhaltigkeitsstrategie basiert auf drei Säulen:

  • Creating,
  • Caring (sich kümmern, Beispiel: Emissionsreduzierung) und
  • Connecting (Mitwirkung in Netzwerken).

Creating bedeutet konkret u.a. Erhöhung der Energiesicherheit, Einsparungen beim Energieverbrauch (Pumpen verursachen 10% des Welt-Stromverbrauchs), Entschleunigung des Klimawandels sowie Entwicklung von Produkten, Systemen und Lösungen für das digitale Zeitalter. 30 Jahre Hyperglobalisierung seit 1990 sind Geschichte. Unter Globalisierung 2.0 wird die Veränderung in Zeiten zunehmenden Protektionismus verstanden, nicht De-Globalisierung. Es bilden sich neue Allianzen; zu beobachten ist eine Entkopplung in regionale Wertschöpfungsketten (Beispiel: Kfz-Produktion in den USA als Voraussetzung der Marktteilnahme). Hinsichtlich Deutschland bzw. Europa haben hohe Energiekosten, Bürokratielasten, Fachkräftemangel und die Abgabenlast, so die Beobachtung des CEO Hermes, vielerorts bereits eine Endzeitstimmung als Standort ausgelöst. Wenn in Deutschland investiert wird, dann in eine smart factory mit geringem Arbeitskräftebedarf. Hinzukommen als in Deutschland belastende Einflüsse mangelnde Leistungsbereitschaft, hoher Krankenstand, Arbeitszeitreduzierung. Erforderlich sei eine geoökonomische Zeitenwende; dies bedeutet, das Wirtschaftsgeschehen aus der Perspektive des globalen Südens zu betrachten, nicht mit europäischem Werteverständnis. Für Wilo konkretisiert sich das in der Begründung neuer Produktionsstätten und Headquarters in Indien, China, Dubai und den USA. Als Marketinginstrument wird auch das Sportsponsoring eingesetzt (Basketballer Milwaukee Bucks).

Ein weiteres konkretes Ziel ist die Schaffung nachhaltig urbaner Lebensräume, um der weiter zunehmenden Weltbevölkerung Rechnung zu tragen. Es gilt, den Zugang zu sauberem Wasser zu verbessern (Beispiel: Wasserleitungsprojekt über 67 km in Marokko). Generell sind kritische Infrastrukturen mit Resilienz (Widerstandsfähigkeit) auszustatten. Wilo versteht sich zudem auch als Enabler („Ermöglicher“) für die Digitalwirtschaft mit Amazon, Google und Alibaba als Auftraggebern, indem Kühltechnologie für Rechenzentren zur Verfügung gestellt wird.

In einer Podiumsdiskussion „Energien, Rohstoffe & Mobilität“ wurden unter der Moderation von Prof. Dr. Helmuth Trischler (Senior Researcher Wissenschafts-, Technik- und Umweltgeschichte, ehem. Bereichsleitung Forschung des Deutschen Museums) Ansatzpunkte für Zukunftsthemen erkennbar:

  • Prof. Dr. Anja Engel, Professorin für Biologische Ozeanographie, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, ist als Meeresforscherin tätig. Die wirtschaftliche Nutzung der Ozeane ist extrem vielfältig und kann bei der Erreichung der Klimaziele unterstützen. In den Tiefsee-Regionen ist die Ressourcen-Erschließung erst am Anfang. Die Nutzung des Ozeans ist mit dem Schutz des Ozeans in Einklang zu bringen. Es fehlt an einer entsprechenden Governance (Steuerung), die das gewährleistet. Die erzielbare Wertschöpfung des Ozeans ist ein sehr komplexes Thema mit Risiken einer Übernutzung. Eine nachhaltig ausgerichtete Nutzung ist Pflicht. Internationale Vereinbarungen sind erforderlich, um die Balance zwischen Nutzung und Schutz zu schaffen. Der herkömmliche Wohlstandsbegriff muss um die Intakthaltung der Natur erweitert werden (Beispiel: Überfischung vermeiden). Die Forschungsmittel sind größtenteils staatlichen Ursprungs; es gibt aber auch kleinere Projekte unter Mitwirkung mittelständischer Unternehmen.
  • Für Prof. Dr. Sibylle Günter, Wissenschaftliche Direktorin, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, ist die Kernfusion eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft, derzeit werden aber noch 80% der Energiemengen aus den herkömmlichen fossilen Energieträgern Kohle, Öl etc. gewonnen. Notwendig ist ein langfristiger Bezugsrahmen, ohne den das Vertrauen in neue Technologien nicht wachsen kann.
  • Prof. Dr.-Ing. Hermann Rottengruber, Leiter des Instituts für Mobile Systeme IMS an der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg, beschäftigt sich mit der Wasserstoffnutzung in der Mobilität und im energetischen Bereich. Die öffentliche Wahrnehmung der Potenziale sei stark verzerrt. Batteriesysteme sind trotz erheblicher Fortschritte noch nicht auf dem Stand herkömmlicher Energieträger. Es gilt, die Kohlenstofffreisetzung zu vermeiden. Selbst auf Emissionsfreiheit abzielende Projekte, wie atomgetriebene Frachter (China), sind spätestens dann umstritten, wenn es um Einfahrten in deutsche Häfen geht. Der Haupthebel wird seiner Überzeugung nach in der industriellen Nutzung liegen, nur ergänzend werden Effekte über die Mobilität der Zukunft eintreten. In der Politik kommen die Interessen ländlicher Räume zu kurz, meist geht es um urbane Zentren, wie z.B. den Großraum München. In seinem Bereich kommen Drittmittelprojekte mit Industriebeteiligungen häufig vor.

Künstliche Intelligenz war ein weiteres Konferenz-Thema: Seit 30.11.2022 ist ChatGPT in der Welt, scherzhaft als „Quassel-Roboter“ bezeichnet von Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer (Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III der Universität Ulm). KI umfasst jedoch viel mehr: Als Erfinder der Computer gilt John von Neumann (1903 bis 1957), dessen Erkenntnisse von IBM etc. verwertet wurden, da er sich nichts patentieren ließ. Fast gleichzeitig wurden neuronale Netze erfunden. Synapsen übertragen Impulse; sie können sich verändern im Sinne von verstärken oder verkleinern. Die Synapsen-Zahl des menschlichen Gehirns wird voraussichtlich in spätestens 2 Jahren von der KI erreicht werden. KI als lernende neuronale Netze sind das Geschäftsmodell der fünf reichsten Firmen der Welt: Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft.

Der Referent gab den Zuhörern nach einer Skizze der mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit ablaufenden KI-Entwicklungsschritte abschließend mit auf den Weg, dass KI der menschlichen Intelligenz bereits heute in vielen Bereichen überlegen ist. Sie nimmt uns Arbeit ab, macht sie besser oder schneller. Sie kann uns beim Lösen der größten Probleme (Klimawandel) helfen, Stichwort: Unterstützung bei der Anfertigung von Nachhaltigkeitsberichten mit einer Vielzahl von Datenpunkten. KI kann aber auch selbst Probleme schaffen, wenn wir sie falsch einsetzen. Kontrollen und Regulierungen muss es geben, insbesondere wenn beim Training vom Menschen produzierte Daten verwendet werden.

Zum Klimawandel trat der aus Funk und Fernsehen bekannte Experte Prof. Dr. Mojib Latif (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Universität Kiel, Präsident der deutschen Gesellschaft Club of Rome und der Akademie der Wissenschaften in Hamburg) auf. Er mahnte einführend: „Mit Physik kann man nicht verhandeln und auch keine Kompromisse schließen.“ Spätestens in der Ölkrise 1973 hätte man sich aus der Begrenztheit der fossilen Energieträger befreien sollen. Die Erderwärmung fordere zu sofortigem Handeln auf. Die CO2-Zunahme sei leider nicht konkret spürbar wie ehemals der Smog, aber das mache sie umso gefährlicher. Spürbar sei aber die Zunahme an Intensität und Häufigkeit der kritischen Wetterlagen mit Dürren, Waldbränden, Hitzewellen, Starkregen, Sturzfluten und Überschwemmungen.

 

 

Praxishinweise:

  • Jenseits des Tagesgeschäfts sollte der vorstehende kurze Abriss über Zukunftsthemen für das Risikomanagement Anlass zur Überprüfung sein, ob beispielsweise für den Umgang mit Naturgewalten ausreichend vorgesorgt wird. Andererseits eröffnen Zukunftstechnologien zahlreiche Chancen, die nur positive Ausschläge bei den Ergebniskennzahlen herbeiführen können, wenn sie rechtzeitig angegangen werden.
  • Neben einer Podiumsdiskussion „Technologien der Zukunft“ waren weitere Konferenzthemen am 17. und 18.10.2024:
    – Nachhaltig erfolgreich auf dem Weg in die All Electric Society (Frank Stührenberg, Vorsitzender des Vorstands der Phoenix Contact Group)
    – Raumfahrt – Die Zukunft der Menschheit im Kosmos (Prof. Dr. Ulrich Walter, Space Shuttle Astronaut und Professor für Raumfahrttechnik an der TU München)
    – Die Reise von IKEA in die Zukunft (Walter Kadnar, CEO und Chief Sustainability Officer (CSO) von IKEA Deutschland)
    – Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten – Die Welt ordnet sich neu (Prof. Dr. Markus Gabriel, Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Bonn).

 

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

 

 

BC 11/2024

BC20241115

 

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