Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Kernergebnisse der Allianz Trade Studie vom 15.10.2024
Keine rosigen Aussichten für die Weltwirtschaft: Die Bedrohung durch die weltweite Insolvenzentwicklung nimmt in Zeiten von schleppender Nachfrage, anhaltenden geopolitischen Spannungen und ungleichen Finanzierungsbedingungen weiter an Schärfe zu. Erwartet werden auch zunehmende Arbeitsplatzverluste; der Trend zu sinkenden Kreditzinsen verspricht nur wenig Entspannung.
Praxis-Info!
Problemstellung
Das Insolvenzgeschehen zieht weltweit stärker an als ohnehin schon erwartet: Einen Anstieg um 11% im Jahr 2024 und in 2025 um weitere 2% prognostiziert der Kreditversicherer Allianz Trade. Erst für 2026 sei eine Stabilisierung auf hohem Niveau in Sicht. Das bedeutet einen zweistelligen Zuwachs in Ländern, die mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen. Für Deutschland wird in 2024 ein Anstieg um 25% erwartet (+4 Pp), 2025 um weitere 4% (+2 Pp).
Die Kreditversicherungsexperten sehen demzufolge schwache Unternehmen auf des Messers Schneide, robuste benötigen Mut für Investitionen. „Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche in Europa, insbesondere in Deutschland, macht den hiesigen Unternehmen zu schaffen“, sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Durch eine stärkere Orientierung auf Wachstumsmärkte außerhalb Europas, sind sie Exportrisiken im Ausland ausgesetzt.“ Zudem kämpfen Unternehmen mit einem Mix aus schleppender Nachfrage, steigenden Löhnen, sinkender Wettbewerbsfähigkeit und fälligen (Corona-)Krediten sowie einer zunehmend schwierigeren und oft teureren Refinanzierung bei gleichzeitig schlechterer Zahlungsmoral und höheren Ausfallrisiken.
Lösung
Mit Blick auf schwach finanzierte Unternehmen erwartet Bogaerts zwar eine deutliche Marktbereinigung. Mutlosigkeit solle das aber nicht auslösen: „Viele deutsche Unternehmen sind weiterhin finanziell robust und haben – insbesondere im deutschen Mittelstand – gezeigt, dass sie jedem Sturm trotzen. Sie sollten an ihre Stärke glauben und jetzt den Mut finden, trotz vieler Unsicherheiten in ihre (grüne) Zukunft zu investieren, um dann bei der Erholung ganz vorne auf der Erfolgswelle zu surfen.“
Haupttreiber des erwarteten globalen Anstiegs 2025 sind die USA mit +12% – nach bereits 31% im Jahr 2024. Aber auch Russland (+16%) sowie China (+5%) und Taiwan (7%) in Asien sowie Deutschland (+4%) und Italien (+4%) in Europa tragen zum weltweiten Anstieg bei. In Frankreich und Großbritannien sind die Insolvenzen nach starken Anstiegen in den vorangegangenen Jahren bereits auf sehr hohen Niveaus und werden sich 2025 leicht abschwächen (jeweils -6%).
Seit Jahresbeginn sind die globalen Unternehmensinsolvenzen bereits um 9% gestiegen. Der Anstieg ist dabei über Regionen und Sektoren hinweg breit angelegt. Weltweit dürfte der Allianz Trade Insolvenzindex Ende 2024 voraussichtlich 13% über dem Durchschnitt der Jahre vor der Pandemie (2016 bis 2019) liegen, aber 11% unter dem Niveau der globalen Finanzkrise.
Die Bau-, Einzelhandels- und Dienstleistungsbranche sind am stärksten betroffen, sowohl in Bezug auf die Häufigkeit als auch auf die Schwere der Insolvenzen.
Insbesondere die Zahl der Großinsolvenzen hat ein neues Rekordniveau erreicht, wobei Westeuropa an der Spitze dieses Trends steht. Dies stellt auch eine große Gefahr für Arbeitsplätze dar, vor allem in Europa und Nordamerika. Bis 2025 könnten in diesen beiden Regionen mehr als 1,6 Mio. Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, was rund 8% der Gesamtzahl der Arbeitslosen entspricht und den höchsten Stand seit zehn Jahren markiert. Die am stärksten gefährdeten Sektoren sind auch hier das Baugewerbe, der Einzelhandel und der Dienstleistungssektor.
- Die vollständige Allianz Trade Studie zu globalen Insolvenzen finden Sie hier: https://www.allianz-trade.de/content/dam/onemarketing/aztrade/allianz-trade_de/presse/2024-10-15-allianz-trade-report-global-insolvencies-eng.pdf. Der bereits im Frühjahr 2024 skizzierte Trend (siehe BC-Newsletter vom 29.2.2024) setzt sich somit fort.
- Zu fragen ist, ob die zuletzt gesunkenen Zinssätze für Unternehmen eine Wende bringen können? Allianz Trade zeigt sich insoweit nur verhalten optimistisch: Eine allmähliche Lockerung der Geldpolitik könnte zwar eine gewisse Erleichterung bringen, sei aber kein Allheilmittel für angeschlagene Unternehmen. Niedrigere Zinssätze senken die Kreditkosten, verbessern den Cashflow und steigern die Rentabilität, können aber die finanziellen Herausforderungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, nicht vollständig kompensieren. Nach dem Kenntnisstand von Maxime Lemerle, Leiter der Insolvenzanalyse bei Allianz Trade, haben Unternehmen bereits Schulden abgebaut und sich an hohe Zinssätze angepasst: „Unsere Analyse deutet darauf hin, dass der aktuelle Lockerungszyklus (-2 Pp bis September 2025) dank höherer Margen zu einer Verringerung des Insolvenztrends um etwa 4 Prozentpunkte führen könnte. Dies würde aber den allgemeinen Anstieg, beispielsweise in den USA, nur geringfügig ausgleichen.“
- Forderungsmanager und andere kaufmännisch Verantwortliche sind also gewarnt und sollten in ihren Anstrengungen nicht nachlassen. Die bereits im BC-Newsletter vom 6.6.2024 beschriebenen Maßnahmenbereiche sind zu forcieren:
– Differenzieren Sie entsprechend der Marktlage, indem Sie den Fokus auf besonders bedrohte Branchen konzentrieren! – Forcieren Sie die Ingangsetzung oder Anpassung von Szenario-Planungen! – Konzentrieren Sie sich auf den Aufbau von Finanzreserven (insbesondere, um Umsatz- und/oder Forderungsausfälle auffangen zu können)! – Nutzen Sie neue Erkenntnisquellen, die über den Einsatz von KI erschlossen werden können.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 11/2024
BC20241113