Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Anwendungsmöglichkeiten und rechtliche Grenzen
Die Nutzung generativer Künstlicher Intelligenz entwickelt sich seit ChatGPT mit rasanten Fortschritten vielerorts zum Top-Thema. Bezüglich einer Umsetzung im Betriebsalltag stehen die Unternehmen aber erst am Anfang.
Praxis-Info!
Problemstellung
Mittlerweile vergeht fast kein Tag mehr, an dem nicht der KI-Einsatz als Einflussfaktor Nr. 1 auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit heraufbeschworen wird, so auch jüngst anlässlich des Münchner Management Kolloquiums am 5./6.3.2024 (31. MMK). Dies konnte der Verfasser bei seinem dortigen Besuch beispielsweise den CEO-Vorträgen von Firmen wie Bosch Haushaltsgeräte GmbH und Siemens Healthineers AG entnehmen. Nach Bitkom-Angaben vom 28.2.2024 nutzen aber erst 3% generative KI bereits zentral im Unternehmen. Weitere 6% haben den Einsatz für das laufende Jahr geplant. Diese noch geringe Nutzungsintensität überrascht. Woran mag das liegen?
Lösung
„Abwarten und Nichtstun ist bei Künstlicher Intelligenz die falsche Strategie“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. In den vergangenen Monaten habe man rasante Fortschritte bei generativer KI gesehen. Die Möglichkeiten würden inzwischen von der Textanalyse und -erstellung über das Schreiben von Programmcodes bis zum Erzeugen von Fotos und Videos reichen. Jedes Unternehmen sollte sich mit dem KI-Einsatz beschäftigen und die Chancen von höherer Effizienz bis zu neuen Produkten oder Dienstleistungen nutzen.
Um Hemmschwellen aufgrund derzeit noch großer Unsicherheiten bei der gewerblichen Nutzung von KI abzubauen, hat Bitkom am 28.2.2024 einen Leitfaden veröffentlicht, der die wesentlichen rechtlichen Fragen beim Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz in Unternehmen beantwortet. Nach einer kurzen Einführung in die technischen Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten generativer KI werden zunächst rechtliche Aspekte bei der Beschaffung von Künstlicher Intelligenz erörtert (einschl. Checkliste). Im folgenden Hauptteil zum KI-Einsatz in der Praxis werden viele Fragen gestellt und beantwortet, etwa
- welche Rolle der Datenschutz spielt und was bei der Datenverarbeitung zu beachten ist,
- wie KI-Systeme abzusichern sind und
- wie es um Haftungsrisiken steht.
Ausführlich werden Schutzrechtsfragen, insbesondere zum Urheber-, Geschäftsgeheimnis- und Markenschutzrecht diskutiert. Schließlich werden auch arbeitsrechtliche Aspekte behandelt (vgl. zuletzt zur KI-Nutzung am Arbeitsplatz den Beitrag von Dornau, der darauf hinweist, dass die Risiken Handlungs- und Arbeitsanweisungen erfordern, siehe BC 2024, 107 f., Heft 3).
Und zum Schluss enthält der Leitfaden auch ethische Überlegungen zum KI-Einsatz. Hier wird u.a die Fairness des Einsatzes von KI angesprochen: KI-Systeme müssen frei von Vorurteilen und Diskriminierung sein und zur Förderung von Chancengleichheit beitragen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Prinzip der menschlichen Verantwortlichkeit. Entscheidungen, die von KI-Systemen getroffen werden, müssen stets von Menschen überwacht und verantwortet werden („human in the loop“ („Mensch in der Schleife“) oder „human oversight“ (menschliche Aufsicht)). Klare Kommunikations- und Berichtsprozesse sind hierfür essenziell.
Praxishinweise: - Der oben genannten Mitteilung vom 28.2.2024 liegen Ergebnisse einer Befragung von 606 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom zugrunde. Der 63-seitige Leitfaden „Generative KI im Unternehmen – Rechtliche Fragen zum Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz im Unternehmen“ steht unter https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Generative-KI-im-Unternehmen zum kostenlosen Download bereit. Das sollte man nutzen, um sich dieser unausweichlichen Entwicklung anzunähern, sofern nicht bereits geschehen.
- Tatsächlich ist nach der oben genannten Bitkom-Studie derzeit noch für mehr als die Hälfte (54%) der befragten Unternehmen der Einsatz generativer KI auch in der Zukunft kein Thema. Dass sich dieser Wert bei fortgesetzten Befragungen der einbezogenen 606 Unternehmen in den nächsten Jahren zumindest rasch halbieren wird, darf hier einmal als Prognose gewagt werden. Denn die Transformation der Arbeitswelt durch KI birgt nicht nur erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung, sondern auch bei der Anpassung und Neuentwicklung von Geschäftsmodellen. Und andere Studien zeichnen ein schon viel fortgeschritteneres Bild des KI-Einsatzes (mehr dazu im Newsletter vom 7.3.2024; die im Vergleich sichtbaren Unterschiede dürften mit der Größe und Art der befragten Unternehmen zusammenhängen).
- Der rasante Zuwachs der KI-Nutzung hat sich auch anhand bereits bestehender Einsatzfelder und nachweisbarer Geschäftserfolge anlässlich des oben bereits angesprochenen MMK vom 5.3./6.3.2024 gezeigt. Das Tagungsmotto in München lautete: Gemeinsam stark – Resilienz durch Vernetzung und Zusammenarbeit, mehr dazu siehe unter https://management-kolloquium.de/thema-2024-gemeinsam-stark/ und demnächst an dieser Stelle.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 4/2024
BC20240406