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KI-Einsatz im Reporting

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Revolutionäre Entwicklungen mit vielen Vorteilen, aber auch Gefahren

 

Die zunehmende Digitalisierung hat nahezu alle Bereiche der Wirtschaft und natürlich auch die Finanzabteilungen erfasst. Als eine der bedeutendsten Entwicklungen in diesem Zusammenhang schält sich immer mehr der Einsatz generativer künstlicher Intelligenz (KI) in der Bilanzierungswelt bzw. im Corporate Reporting heraus. Dies umfasst letztlich alle Prozessschritte von der ersten buchhalterischen Erfassung einer Transaktion bis hin zur internen sowie externen Berichterstattung.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie maschinelles Lernen und die Verarbeitung natürlicher Sprache möglich ist, grundlegend verändert. Entscheidende Treiber für den Erfolg generativer KI sind der scheinbar unaufhaltsame Zuwachs von Rechnerleistungen und der Zugang zu immer größeren Datensätzen. Dies ermöglicht es generativen Modellen, bessere und vielfältigere Ergebnisse zu erzielen.

Vor diesem Hintergrund fragen Deloitte-Experten im neuesten Magazin Corporate Governance Inside (Nr. 1/2024) vom 19.2.2024: Wird der Einsatz von KI zu einer Revolution im Finanzbereich führen? Ihrer Ansicht nach hat diese Technologie das Potenzial, die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Berichtsdaten verarbeiten und präsentieren, grundlegend zu verändern. Im Folgenden soll daher kurz skizziert werden, wie nach der im vorgenannten Magazin veröffentlichten Auffassung generative KI in das Corporate Reporting Einzug halten wird, in welchen Bereichen sie Vorteile bietet und welche Herausforderungen noch bestehen.

 

 

Lösung

Die (potenziellen) Anwendungsbereiche der generativen KI in der Rechnungslegung sind vielfältig: Zunächst kann im Rahmen der fortschreitenden Automatisierung der Buchführung die KI dazu verwendet werden, Transaktionen automatisch zu verarbeiten und in den ERP-Systemen zu erfassen. Prozessbeschleunigung und Fehlervermeidung sind die effizienzsteigernden Effekte. Auch die KI produziert Fehler; aber erfahrungsgemäß führt die menschliche Verarbeitung zu einer höheren statistischen Fehlerquote.

Indem die Unternehmen durch die Automatisierung von Aufgaben Zeit und Ressourcen sparen, können die frei werdenden Kapazitäten in den Bereichen Buchhaltung und Controlling anderweitig für manuelle Aufgaben sinnvoll eingesetzt werden. Darüber hinaus bleiben ggf. Review-Tätigkeiten, die jedoch auch gezielt zum Training der Systeme eingesetzt werden können, sodass sich diese stetig selbst optimieren. Damit bestätigt diese Deloitte-Auffassung auch die in BC 2023, 305 f., Heft 7, vorgestellte Einschätzung, dass der Einsatz von KI in der Beratung und in der Buchhaltung ganz überwiegend nicht zu einem Stellenabbau, sondern zu einer Aufgabenverlagerung – zu der die betreffenden Mitarbeiter allerdings bereit sein müssen und für die je nach Einzelfall viele Kompetenzen erst erworben werden müssen – führen wird (siehe den Bericht von Hillmer über die Inhalte einer BDU-Fachverbandssitzung vom 15.6.2023 in Wiesbaden in BC 2023, 305 f., Heft 7).

In diesem BC-Bericht wurde auch gezeigt, was der KI-Einsatz in der Buchhaltung bewirkt und wie man sich das konkret vorstellen kann. Unter Verweis auf eine Veröffentlichung des Beratungsunternehmens Rödl & Partner im Wirtschaftsmagazin Entrepreneur Juni/Juli 2023 wurde dargestellt, dass die wohl größte Chance für den Einsatz von KI in der Buchhaltung in ihrer Verwendung zur Automatisierung von Entscheidungen zur Klassifizierung von Geschäftsvorfällen (z.B. Zuweisung eines Buchhaltungskontos oder die Klassifizierung einer Betriebsausgabe anhand von Informationen auf einer Rechnung) liegt, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Man spricht hier von einer vollständigen Automatisierung für bestimmte Dokumentenströme. Für diese Art der Prognose werden auch „Algorithmen der Worteinbettung“ verwendet, mit denen Wörter in für den Computer verständliche Binärwerte umgewandelt werden können. Zudem kommen sog. „Record-Enrichment-Methoden“ (Anreicherung von Datensätzen) zur Anwendung, bei denen die Quellinformationen angereichert werden, indem z.B. die Nummer des Lieferanten heruntergeladen und im Modell verwendet wird (vgl. zum Thema auch den im Oktober 2023 veröffentlichten Expertendialog).

Die im weiteren Verarbeitungsablauf erzielbaren Vorteile des KI-Einsatzes sind in der Tabelle (Quelle: siehe Beitrag im oben genannten Deloitte-Magazin) im Überblick veranschaulicht.

 

 

Tabelle: Vorteile des KI-Einsatzes im Rechnungswesen
Erstellung von Unternehmensberichten Generative KI kann den zeitaufwendigen Prozess der Erstellung von Unternehmensberichten (in Teilen) übernehmen und deutlich verkürzen, indem sie Daten analysiert und automatisch Berichte erstellt. Gerade im Auffinden von Informationen sowie auch von Zusammenhängen in großen Dokumenten, vernetzt mit weiteren Informationsquellen, zeigt sich die Stärke der KI. So können moderne KI-Systeme unterschiedliche Vorschläge für Analysen bis hin zum voll automatisierten Bericht erarbeiten.
 
Forecasting und Budgetierung
 
Die Vorhersage zukünftiger finanzieller Entwicklungen ist entscheidend für die Unternehmensplanung. Generative KI kann Modelle entwickeln, die auf historischen Daten basieren und Prognosen erstellen. Damit liefern diese Modelle eine Grundlage für den im Controlling notwendigen und i.d.R. zeitintensiven Planungsprozess. Gleichzeitig können durch eine Aggregation (Verdichtung) der Daten in Echtzeit eine laufende Überwachung von Plan/Ist-Abweichungen und deren Analyse erfolgen. KI-gestützt stehen dadurch unmittelbar Reaktionsszenarien zur Strategieanpassung zur Verfügung.
 
Betrugserkennung Die Identifizierung von Betrug (Fraud) erfordert oft die Analyse großer Datenmengen. Generative KI kann dabei helfen, verdächtige Muster und Abweichungen aufzuspüren, die von Menschen möglicherweise übersehen werden.
 
Wissensmanagement Gerade im Bereich der Unternehmensberichterstattung existieren vielfältige, unterschiedliche Quellen externer, aber auch unternehmensinterner Informationen. Durch das Zusammenführen dieser Quellen und das automatische Erkennen von Zusammenhängen kann generative KI bei der Beantwortung von Bilanzierungs- bzw. Berichterstattungsfragen wertvolle Unterstützung leisten.
 

 

 

Auch wenn die dargestellten Vorteile im Wesentlichen unbestreitbar sein dürften, so gibt es auch diverse Herausforderungen und Bedenken im Zusammenhang mit dem Einsatz von generativer KI in der Rechnungslegung. Die Deloitte-Autoren Jens Berger, Silvia Geberth und Dr. Felix Fischer nennen insoweit zunächst den Problembereich Datenschutz und Sicherheit, in dem auch böswillige Manipulationen vorkommen können. Deshalb erfordert der Umgang mit sensiblen Daten robuste Datenschutz- und Sicherheitsvorkehrungen, um Missbrauch oder Datenlecks zu verhindern. Zudem sind die sich dem KI-Einsatz anschließenden Fragestellungen zu Haftung bzw. Verantwortlichkeit nicht trivial und stellen ein grundsätzliches Problem in diesem Bereich dar. Die Entscheidungsfindung von generativer KI kann intransparent sein, was ethische Fragen bezüglich der Verantwortung und Transparenz aufwirft: Wer haftet am Ende für fehlerhafte Buchungen oder einen fehlerhaften Finanzbericht? Kann die Letztverantwortung auf einen Algorithmus übertragen werden? Diese Fragestellungen würden sich noch verschärfen, wenn auch aufseiten der Abschlussprüfer und Regulatoren nur noch KI-Systeme zum Einsatz kämen.

Zu beachten ist auch das Problem der Technologie-Abhängigkeit. Die fortschreitende Automatisierung der Rechnungslegung kann dazu führen, dass Unternehmen zu stark von den technologischen Systemen abhängig werden und menschliche Expertise, einschließlich der Ermessensausübung, vernachlässigen. Nicht zu unterschätzen ist auch das Problem einer zu großen Abhängigkeit von einzelnen großen Technologiekonzernen (Beispiel: Auf einem furiosen Erfolgskurs befindet sich der auf KI-Chips spezialisierte Konzern Nvidia. Nach Angaben im Handelsblatt vom 22.2.2024 konnte der CEO Jensen Huang einen Umsatzsprung auf 22,1 Mrd. Dollar im vierten Quartal 2023 vermelden, mithin einen Zuwachs um 265% gegenüber dem Vorjahresquartal; der Nettogewinn stieg sogar um 769% auf 12,3 Mrd. Dollar).

 

 

Praxishinweise:

  • Vor dem Hintergrund, dass aktuell Daten immer wertvoller werden (vgl. den parallel im BC-Newsletter vom 22.2.2024 erscheinenden Beitrag zur Kreditrisikobewertung, dort mit Fokus auf die Qualität der Daten) und die Geschwindigkeit der Veränderungen exponentiell zunimmt, ist die aktive Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der generativen KI in der Rechnungslegung nicht weniger als ein maßgeblicher Schlüssel zur erfolgreichen und nachhaltigen Unternehmensführung.
  • Die vom Verfasser schon häufiger in BC-Beiträgen vorgetragene Empfehlung für Bilanzbuchhalter und Controller, sich entsprechend zu qualifizieren, wird auch im hier eingenommenen Blickwinkel unterstrichen, zumal der KI-Einsatz insbesondere auch bei der Verarbeitung von ESG-Informationen (siehe hier im Rahmen der Kreditrisikobewertung) von Bedeutung sein wird. Gerber/Geberth/Fischer appellieren deshalb im Sinne einer Qualifizierungsoffensive wie folgt: „Organisationen, die sich rechtzeitig darauf einstellen und ihre Führungsebene entsprechend qualifizieren, werden die Vorreiter in dieser aufregend neuen Ära der Finanzwelt sein.“
  • Allerdings sollte man sich nach hier vertretener Ansicht nicht nur auf die Führungsebene beschränken, sondern die Mitarbeitenden-Schulung insgesamt betrachten. Vermutlich werden dem auch Gerber/Geberth/Fischer zustimmen – und die insoweit fehlende Erwähnung der nachgeordneten Ebenen könnte dem Umstand zuzuschreiben sein, dass nach dem dortigen Autoren-Hinweis bei der Anfertigung ihres Beitrags KI unterstützt hat.
  • Dieser nicht zwingend ernstzunehmende Einwand führt zu der abschließenden Empfehlung, dass es stets geboten sein sollte, KI-Ergebnisse zu hinterfragen. Ob das dann allerdings auch noch gilt, wenn KI-Routinen Vorgesetzten-Funktionen einschließen und derartige Prüfungen auf nachgeordneter Ebene ausschließen, sei hier dahingestellt. Abwegig ist das aber ganz und gar nicht: Schließlich entscheidet KI ja auch im Einstellungsverfahren über Bewerbungen, und KI-gestützte Anweisungen werden schon bald den Arbeitsalltag prägen, wenn sie es mancherorts nicht schon heute tun.
  • Zustimmung verdient deshalb, wenn Gerber/Geberth/Fischer in ihrem Fazit den folgenden Kernsatz zum KI-Einsatz im Reporting formulieren: „Die Vorteile in Bezug auf Effizienz, Genauigkeit und Kostenreduktion sind vielversprechend, dürfen jedoch nicht ohne kritische Überlegungen hinsichtlich Datenschutz, Ethik und Abhängigkeit von Technologie betrachtet werden.“  Eine gewisse Zwiespältigkeit bzw. Reserviertheit gegenüber einem vorbehaltlosen KI-Einsatz sollte also unbedingt bleiben. Denn es gibt einfach zu viele Trumpianer auf dieser Welt.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 3/2024

BC20240315

 

 

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