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Zum Werbungskostenabzug bei einer Weiterbildung außerhalb des Dienstverhältnisses

Christian Thurow

FG Niedersachsen, Urt. v. 20.9.2023 – 4 K 20/23 (Revision zugelassen)

 

Der kontinuierliche Fortschritt verlangt von Arbeitnehmern ein lebenslanges Lernen. Doch nicht immer sind Arbeitgeber bereit, Fort- und Weiterbildungen finanziell zu unterstützen. Wird eine Fortbildung außerhalb des Dienstverhältnisses vorgenommen, so stellt sich die Frage, in welchem Umfang Reisekosten als Werbungskosten erfasst werden können. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat sich nun dieser Thematik angenommen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger besuchte einen Meistervorbereitungskurs und legte anschließend seine Meisterprüfung mit Erfolg ab. Die Fortbildung wurde vom Arbeitgeber nicht direkt unterstützt. Für die in Vollzeit stattgefundenen Kurse nahm der Arbeitnehmer daher bezahlten und unbezahlten Urlaub sowie den gesetzlich zustehenden Bildungsurlaub.

In seiner Einkommensteuererklärung begehrte der Kläger neben dem Ansatz der Fahrtkosten zu der Bildungseinrichtung auch den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen; Letzterer wurde vom Finanzamt abgelehnt.

 

 

Lösung

Das FG Niedersachsen folgt im Wesentlichen der Auffassung des Finanzamts. Verpflegungsmehraufwendungen können nur dann als Werbungskosten zum Abzug gebracht werden, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte tätig wird. Laut § 9 Abs. 4 S. 8 EStG EStG gilt jedoch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer Vollzeitbildungsmaßnahme aufgesucht wird, als erste Tätigkeitsstätte. Zu prüfen sind hierbei zwei Kriterien:

  • Vollzeit: Die Bildungsmaßnahme muss in Vollzeit stattfinden. Eine zeitliche Mindestdauer der Bildungsmaßnahme ist dabei nicht entscheidend. Im Ausgangsfall fanden die Fortbildungskurse unstreitig in einem Vollzeitmodus mit einem arbeitstäglichen Umfang von acht oder neun Stunden ohne Vor- und Nachbereitungszeiten statt.
  • Außerhalb des Dienstverhältnisses: Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige während der Bildungsmaßnahme dem Direktionsrecht des Arbeitgebers entzogen ist. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Maßnahme während der regulären (bezahlten) Arbeitszeit des Steuerpflichtigen stattfindet und dieser hierfür freigestellt wird. Im Ausgangsfall lag eine solche Freistellung nicht vor. Der Steuerpflichtige nutzte vielmehr den Abbau von Überstunden, bezahlten und unbezahlten Urlaub sowie Bildungsurlaub. Damit ist die Bildungsmaßnahme vollständig während der Zeit erbracht worden, in der der Kläger seiner gewöhnlichen Arbeit nicht hätte nachgehen müssen. Zwar gab es eine Absprache hierzu mit dem Arbeitgeber; ein Direktionsrecht des Arbeitgebers während dieser Zeit bestand aber nicht. Hinzu kommt: Die Bildungsmaßnahme hat nicht zu einer stärkeren Bindung an den Arbeitgeber geführt, da der Kläger die zusätzlich erworbene Qualifikation auch bei einem anderen Arbeitgeber oder in der Selbstständigkeit nutzen könnte.

Somit sind im Ausgangsfall die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 S. 8 EStG erfüllt. Die Bildungseinrichtung ist folglich als erste Tätigkeitsstätte anzusehen, was einen Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen ausschließt.

 

 

Praxishinweis:

 

Das Urteil ist auch für Arbeitnehmer interessant, die sich für eine Weiterbildung zum IHK-geprüften Bilanzbuchhalter oder zur geprüften Controllerin interessieren. Typischerweise gibt es hierzu eine Reihe unterschiedlicher Vorbereitungsangebote diverser Anbieter. Bezüglich des zeitlichen Umfangs finden einige Angebote in Teilzeit statt (z.B. als Abendkurse), andere über mehrere Wochen in Vollzeit. Bei den Vollzeitkursen kommt es nun darauf an, ob diese innerhalb oder außerhalb des Dienstverhältnisses stattfinden. Ein gewichtiges Indiz (Kennzeichen) für die Fortbildung innerhalb des Arbeitsverhältnisses wäre die bezahlte Freistellung.

Ein interessanter Graubereich ist das Modell einer Wochenend-Fortbildung. Unstreitig ist der Arbeitnehmer für gewöhnlich am Wochenende dem Direktionsrecht des Arbeitgebers entzogen, sodass eine Wochenend-Bildungsmaßnahme außerhalb des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Wochenendtage – z.B. in der Form von zusätzlichen Urlaubstagen – ersetzt werden. Da es beim Vollzeitkriterium nicht auf die zeitliche Gesamtdauer ankommt, wären Wochenendkurse, die einen wesentlichen Teil des Samstags und des Sonntags umfassen, als Vollzeitbildungsmaßnahme anzusehen.

Wie dargelegt, kann die Auswahl des Fortbildungskurses somit auch Auswirkungen auf den Umfang des Werbungskostenabzugs haben.


 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 11/2023

BC20231111

 

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