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Zum Untergang von Verlustvorträgen bei einem Beteiligungserwerb ohne change of control

Christian Thurow

FG Münster Urt. v. 23.8.2023 – 9 K 2166/21 K,G,F

 

Die Realität kann manchmal komplexer sein, als wir uns gemeinhin vorstellen. Während die Natur hierzu einige wunderbare Beispiele liefert, ist die Welt der juristischen Paragrafen mit Sicherheit in ihrer Komplexität unerreicht. Keine Regelung ohne Sonderfall – diesmal ein Beteiligungserwerb ohne sogenannten „change of control“ (Änderung der Kontrolle über das Unternehmen).


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin, eine GmbH, hatte ursprünglich zwei Gesellschafter, welche zu 50,2% und 49,8% an der Gesellschaft beteiligt waren. Der Mehrheitsgesellschafter erwarb zunächst sämtliche Anteile und veräußerte anschließend einen Teil der Anteile, welche dann teilweise weiter übertragen wurden. Bei all diesen Vorgängen blieb der ursprüngliche Mehrheitsgesellschafter durchweg mit mehr als 50% an der Gesellschaft beteiligt. Drei Jahre nach den Veränderungen in der Gesellschafterstruktur kam es zu einer Kapitalerhöhung, bei welcher der ursprüngliche Mehrheitsgesellschafter einen disquotal höheren Anteil erwarb (Anteil an der Kapitalerhöhung, der über den aufgrund der Beteiligung an der GmbH geschuldeten Anteil hinausgeht).

Da eine Kapitalerhöhung gemäß § 8c Abs. 1 S. 3 KStG 2002 n.F. der Übertragung eines Kapitalanteils gleichsteht, führte die disquotale Kapitalerhöhung aus Sicht des Finanzamts zu einem schädlichen Beteiligungserwerb von insgesamt 57,39% (die ursprünglich erworbenen 49,8% sowie 7,59% aus der disquotalen Kapitalerhöhung). Somit seien die Verlustvorträge untergegangen.

Die Klägerin führte dagegen aus, dass der gleiche Mehrheitsgesellschafter durchweg mehr als 50% der Anteile gehalten hat. Der Beteiligungserwerb habe daher nicht zu einem change of control und der damit veränderten wirtschaftlichen Identität der Klägerin geführt.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht (FG) Münster folgt der Auffassung der Klägerin. Der Wortlaut des § 8c KStG bezieht sich auf einen „Erwerber oder diesem nahe stehende Personen“. Ein solcher Erwerbsvorgang setzt einen Eigentumswechsel voraus. Ein solcher Wechsel lag im Ausgangsfall allerdings nicht vor, da der ursprüngliche Mehrheitsgesellschafter stets die Kapitalmehrheit besaß und damit zu jedem Zeitpunkt in der Lage war, einen beherrschenden Einfluss auf die Geschicke der Klägerin auszuüben. Ein change of control mit wirtschaftlicher Identitätsänderung der Klägerin hat nicht stattgefunden. Es kommt daher nicht zu einem Untergang der Verlustvorträge.

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 11/2023

BC20231106

 

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