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Ein Kleidungsspind als Betriebsstätte?

Christian Thurow

BFH Urt. v. 7.6.2023 – I R 47/20

 

Immer wieder hört man die Klage, dass früher alles solider war. Ein aktuelles BFH-Urteil scheint dieses Vorurteil teilweise zu bestätigen. So stand zu Zeiten des Dichters Friedrich Schiller eine Betriebsstätte noch „fest gemauert in der Erden“ (vgl. „Das Lied von der Glocke“), während heute bereits gefragt wird, ob nicht ein einfacher schlichter Kleidungsspind bereits als Zeichen der Verwurzelung angesehen werden kann und damit eine Betriebsstätte begründet.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger war ein Flugzeugingenieur mit Wohnsitz im Inland und in Großbritannien. Sein Lebensmittelpunkt lag unstreitig in Großbritannien. Seine Tätigkeit entfaltete er über eine britische Limited-Gesellschaft, deren Director er war. Die Limited schloss mit einer weiteren britischen Limited-Gesellschaft einen „Freelancer“-Vertrag ab, auf dessen Basis der Kläger als Subunternehmer mit der Wartung von Flugzeugen der A-GmbH betraut wurde. Seine Tätigkeit übte der Kläger auf dem im Inland belegenen Flughafengelände der A-GmbH aus, wobei ihm in den Umkleide-, Verwaltungs- und Gemeinschaftsflächen ein verschließbarer Kleidungsspind gestellt wurde.

Aus Sicht des Klägers waren die Einnahmen aufgrund des bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) ausschließlich in Großbritannien zu versteuern, da die beauftragte Limited in Deutschland über keine Betriebsstätte verfügte.

Nach Auffassung des Finanzamts lag dagegen eine inländische Betriebsstätte vor, da er ausschließlich an einem Flughafen tätig wurde, dort die Einrichtungen nutzen konnte und über einen Spind verfügte.

 

 

Lösung

Anders als das erstinstanzliche Finanzgericht folgt der BFH der Auffassung des Finanzamts.

Das erstinstanzliche Finanzgericht war dem Kläger darin gefolgt, dass der zur Verfügung gestellte Spind zu klein zur Aufbewahrung der von ihm zu stellenden Werkzeuge war. Damit unterscheide sich dieser Fall von der bisherigen BFH-Rechtsprechung (BFH Beschl. v. 9.1.2019 – I B 138/17, „Schließfach als feste Einrichtung“).

Der BFH widerspricht: Auch ein Spind, welcher lediglich zur Aufbewahrung der privaten Kleidung während der Arbeitszeit bzw. der Arbeitskleidung während der übrigen Zeit genutzt wird, bewirkt eine gewisse ortsbezogene „Verwurzelung“ des Unternehmens des Klägers mit der Örtlichkeit des Spinds. Da eine Betriebsstätte im Inland vorliegt, kommt es auch nach dem einschlägigen DBA zu einer Besteuerung im Inland.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 9/2023

BC2023914

 

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