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Zeitenwende im Controlling

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Schweizer Erfahrungen zum KI-Einsatz

 

Transformation gilt als neues Schlüsselwort für die Gestaltung der Controlling-Zukunft. Die Einführung und Akzeptanz von digitalen Lösungen (z.B. Künstliche Intelligenz, KI), neuen Organisationsformen und Rollenprofilen bietet Chancen, stellt aber auch vor Herausforderungen. Der vielschichtige Transformationsprozess erfordert sowohl Führungsstärke als auch ein Umdenken und die Etablierung eines neuen Bewusstseins in der Controlling-Organisation.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ziel der diesjährigen Controller-Tagung Schweiz 2024 war es am 24.9.2024, die technischen, organisatorischen und kulturellen Erfolgsfaktoren einer modernen Controlling-Organisation aufzuzeigen und zu diskutieren. Ein Schwerpunkt wurde dabei auf die Bedeutung der KI in der Controlling-Organisation gelegt. Deutlich wurde am Hochschulstandort Rotkreuz (nahe Luzern): Kleinere Mittelständler (wie die Knie AG, ein Zirkusunternehmen) sind ebenso betroffen wie die Branchenführer (so z.B. im Pharma-Bereich das Unternehmen Roche); auch Verkehrsverbünde (wie die SBB AG) und der öffentliche Bereich (wie die Schweizer Finanzverwaltung) stehen im Controlling vor großen Herausforderungen. Controller ohne Programmierkenntnisse werden – so eine unmissverständlich ausgesprochene Mahnung – über kurz oder lang scheitern.

 

 

Lösung

Über die Hürden und Risiken beim KI-Einsatz in den Unternehmen sowie Chancen und Use Cases (Anwendungsbeispiele) berichtete Herbert Stauffer (BARC Schweiz GmbH). Festzustellen ist eine stark wachsende Bedeutung mit dem Treiber ChatGPT. Jeder Hersteller von Finance-Software hat in 2023 seine Roadmap angepasst und um KI-Funktionen erweitert.

Der BARC Data, BI & Analytics Trend Monitor 2024 (mit 2.398 Teilnehmenden, soeben abgeschlossen) brachte als Kernergebnis hervor, dass das Hauptaugenmerk nun der effektiven Datennutzung (architecture, quality and governance) verbunden mit dezentralen Analytics in Business-Anwendungen gilt. Fast alle Unternehmen wollen die KI nutzen, aber relativ wenige machen es schon; 60% sind noch in initialen Phasen der KI-Implementierung. Probleme des Einsatzes von KI werden in erster Linie in Halluzinationen (erfundenen Ergebnissen) und einem ausgeprägten Black-Box-Denken (keine Nachvollziehbarkeit) gesehen.

Implementierungs- und Integrationshürden müssen überwunden werden. Unterschieden werden dabei fachliche, technische und organisatorische Integration. Je nach Datenqualität und Datenverfügbarkeit stehen Anwendungsfälle für die generative KI im Finanzbereich auf dem Programm, wobei die Befragten hier die Nutzerunterstützung im Vordergrund sehen (also nicht den Controller-Ersatz). Es handelt sich insbesondere um das Data Management (siehe dazu den Beitrag im BC-Newsletter vom 12.9.2024), um die Analyse textueller Daten sowie um die Erzeugung von Reports, generell um die Entwicklungs- und Analyseunterstützung.

Auf die Notwendigkeit von Akzeptanz und Vertrauen im Bereich technologischer Innovationen wies Prof. Jörn Basel (Hochschule Luzern) hin. Sein Anliegen besteht darin, das Nutzungsverhalten im Kontext neuer Technologien wie KI zu verstehen und Vertrauen als Ressource im Zuge der Akzeptanz sicherzustellen. Nur so könne affektiven Fehleinschätzungen bei Technologieeinführungen begegnet werden. Warum Akzeptanz so wichtig ist, ergibt sich aus den folgenden Faktoren:

  • Technologieüberlastung: Informationsüberflutung durch verschiedene Technologien und Kanäle
  • Technologieinvasion: Gefühl der ständigen Erreichbarkeit über verschiedene Geräte
  • Technologieunzuverlässigkeit: Fehlfunktionen von Programmen oder Geräten
  • Technologiekomplexität: Überforderung durch komplexer werdende Technologien
  • Technologieunsicherheit: Angst vor Arbeitsplatzverlust durch Automatisierung
  • Technologieungewissheit: Schritthalten mit technologischer Weiterentwicklung.

Das Vertrauen wirkt auf das wahrgenommene Risiko sowie die wahrgenommene Nützlichkeit (Gebrauchstauglichkeit) und bestimmt so die Nutzungsintention und – darauf aufbauend – die tatsächliche Nutzung. Die Messung der Vertrauenswürdigkeit kann durch die Integration entsprechender Items (Positionen) in Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit, zum Organisationsklima und zu technologischen Nutzungserfahrungen erfolgen.

Insgesamt gesehen, betonte der Referent Basel: Ohne Vertrauen kann es keine erfolgreiche Implementierung technologischer Innovationen geben. Also bedarf es entsprechender Investitionen in den Aufbau der Ressource Vertrauen.

Einige weitere Tagungsinhalte im Überblick:

  • Künstliche Intelligenz wird helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, so die Überzeugung von Franz Steiger (CFO SBB AG, Mitglied der Konzernleitung). Anwendungsbeispiele sind die Effizienzsteigerung und Qualitätserhöhung durch KI-gestützte E-Mail-Beantwortung (z.B. Problem bei der Rechnungsfreigabe) und die Anbindung der Regelwerke Finanzen an ein Sprachmodell. Für Mitarbeitende ist eine solide Grundausbildung im Finanzbereich unverzichtbar, aber auch eine gewisse Affinität zur Digitalisierung: Controller sollen nicht nur buchen, sondern auch programmieren können.
  • Basilius Scheidegger (Chef Finanzverwaltung, Kanton Zürich) berichtete aus der öffentlichen Verwaltung. Sein Beitragsfokus lag auf der Automatisierung und Nutzerunterstützung bei Berechnungen und Reports im Rahmen der Finanzdirektion (Finanzverwaltung). Geschaffen wurde in den letzten Jahren eine leistungsfähige Projekt- und Softwareorganisation. Die Mitarbeitenden sind unabhängig von Hierarchien selbstständige Projektleiter. Das neue Rollenbild lautet: weniger Zahlensammeln, mehr inhaltliche Expertise.
  • Werner Wohlwend (Leiter Finance, Gebr. KNIE AG) forderte Agilität im Finanzmanagement und untermauerte dies mit Umsetzungsbeispielen aus einem KMU-Betrieb. Sein Erfahrungssatz: Je größer die Unternehmensflexibilität sein muss und je unsicherer die Umweltbedingungen, desto angebrachter sind agile Methoden. Aber auch unter Normalbedingungen hilft ein agiles Controlling, weil so proaktiv Chancen und Risiken aufgezeigt werden können. Zu bedenken ist, dass die Umsetzung agiler Ansätze nicht überstürzt erfolgen darf, sodass sie ein Abrechnungschaos verursacht.
  • Svenja Amrhein (Finance Head, Roche) beschrieb im Vortrag „Budget eats strategy for breakfast?“ („Budget frisst Strategie zum Frühstück?“) den Abschied von einem herkömmlichen Jahres-Budgetierungsprozess. Gezeigt wurde, wie Budgetierung und Strategieentwicklung Hand in Hand gehen können. Hierbei standen die Vorteile von Benchmarkingprozessen im Fokus und Vorgaben dazu, was im Rahmen der Implementierung beachtet werden sollte, damit Budgets nicht Strategieverfolgungen im Weg stehen. Die Devise lautet: Führung per Dialog statt per Vorgabe. Statt Vorgabe einer Umsatzsteigerung von 10% im Rahmen eines starren Systems wird diskutiert, wie mehr Patienten erreicht werden können. Es wird also nach den Treibern gefragt, die Umsatzveränderungen auslösen.

 

 

Praxishinweise:

  • In der oben genannten BARC-Studie werden fünf Stufen zur Entscheidungsautomatisierung unterschieden. Auf der heute vielerorts praktizierten Stufe 1 geht es um durch Daten unterstützte menschliche Entscheidungen, z.B. im Reporting. Über Stufe 2 mit durch Datenmodelle unterstützten menschlichen Entscheidungen (Data Science) und Stufe 3 mit menschlich überwachten automatisierten Entscheidungen (Machine Learning) sowie Stufe 4 (autonome Entscheidungsmodelle) wird Stufe 5 mit dem höchsten Entwicklungsgrad erreicht. Auf der Stufe 5 stehen selbstlernende kognitive (verstandesmäßige) Systeme mit der Möglichkeit, vollständig autonome Prozessketten und autonom agierende Agenten zu erstellen. In Mikrosekunden lassen sich Auswertungen anfertigen, für die ein Mensch mehrere Tage benötigen würde; es ist also eine extrem hohe Entscheidungsgeschwindigkeit ohne menschlichen Kontrollaufwand möglich.
  • Zusammenfassend hob Imke Keimer, Hochschule Luzern, einige Highlights hervor. Ihr zentraler Merksatz lautete: KI ersetzt den Menschen nicht, sondern ist ein Handwerkszeug, dessen Handhabung gelernt werden muss.
  • Die Schweizer Controller-Tagung 2025 ist für den 23.9.2025 vorgesehen.


Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

 

BC 10/2024

BC20241018

 

 

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