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NVwZ Editorial
  • Droht ein Triage-„Flickenteppich“?

    Professor Dr. Josef Franz Lindner, Augsburg

    24/2025

    Name des Autors von Heft 24-2025 Dr. Josef Franz Lindner

    „Triage“ – dieser Begriff stand während der Corona-Pandemie für das worst case-Szenario: Die medizinischen Kapazitäten, insbesondere Beatmungsgeräte, reichen nicht aus, um alle behandlungsbedürftigen Patienten zu versorgen. Wer wird (prioritär) behandelt, wer muss sterben? Menschen mit Behinderung fürchteten Benachteiligung und erhoben Verfassungsbeschwerde, der das BVerfG mit Entscheidung vom 16.12.2021 (BVerfGE 160, 79 = NVwZ 2022, 139) stattgab: Der Gesetzgeber habe seine Pflicht zum Schutz von Menschen mit Behinderung für den Fall einer Triage verletzt: Aus Art. 3 III 2 GG ergebe sich ein Auftrag, Menschen wirksam vor einer Benachteiligung wegen Behinderung zu schützen. Dieser Auftrag könne sich zu einer konkreten Handlungspflicht des Gesetzgebers verdichten, die dieser nicht erfüllt habe. Daraufhin fügte der Gesetzgeber § 5c ins Infektionsschutzgesetz ein. Dort war bestimmt, dass im Fall einer pandemiebedingten Knappheitssituation eine Zuteilungsentscheidung nicht benachteiligen darf, zumal nicht aufgrund einer Behinderung. Als allein anzuwendendes positives Zuteilungskriterium war die „aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit“ festgelegt. Die ex-post-Triage, also das nachträgliche Entziehen eines Rettungsmittels zu Gunsten eines anderen (später ankommenden) Patienten, wurde für unzulässig erklärt.

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  • Altersgrenze: Mut für mehr Berufsfreiheit!

    Professor Dr. Gregor Thüsing, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn

    23/2025

    Foto des Autors von NVwZ-Editorial Heft 23-2025 Dr. Gregor Thüsing

    Es hat sich inzwischen herumgesprochen: Das BVerfG hat die Altersgrenze für Notare aufgehoben. § 48a BNotO gilt nur noch bis Ende Juni nächsten Jahres. Bis dahin muss der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen, die nicht altersdiskriminierend ist (NVwZ 2025, 1754).

    Nicht nur ich habe mich als Prozessvertreter gefragt: Wie geht es weiter? Der Ball liegt in Berlin. Es gibt gute Gründe, auf eine Neuregelung gänzlich zu verzichten: „Die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG hat eine wirtschaftliche und eine auf die Entfaltung der Persönlichkeit bezogene Dimension. Sie konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung sowie der Existenzgestaltung und -erhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab.“ Karlsruhe mahnt im Zweifel für die Freiheit.

    Ein wesentlicher Grund, der 1991 zu dieser Regelung geführt hatte, war die Angst vor der abnehmenden Leistungsfähigkeit im Alter. Dies aber hat das BVerfG mit klaren Worten – gestützt auf wissenschaftliche Expertise – zurückgewiesen: „Zwar ist auf Grundlage der empirischen Erkenntnisse davon auszugehen, dass die Altersgrenze einzelne altersbedingt leistungsunfähige Anwaltsnotare erfasst und damit ihren Zweck im Einzelfall erfüllt (…). Das ist aber nicht der Regelfall. Vielmehr wird die große Mehrzahl von Amtsträgern gezwungen, mit Vollendung des siebzigsten Lebensjahres ihr Amt aufzugeben, obwohl sie weiterhin in der Lage wären, den Notarberuf ordnungsgemäß auszuüben“.

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  • Musterung per Losverfahren?

    Regierungsrat Dr. Sebastian Schmitt, Referent für die Koordination des Bürgerrats beim LT NRW, der Text gibt seine persönliche Auffassung wieder

    22/2025

    Foto des Autors von NVwZ-Editorial Heft 22/2025 Dr. Sebastian Schmitt

    Deutschland muss verteidigungsfähig werden, und zwar so schnell wie möglich. So hört man es allerorten von deutschen und internationalen Verteidigungsexperten. Schließlich warnte der Bundesverteidigungsminister persönlich davor, dass Russland schon im Jahr 2029 in der Lage sein könnte, NATO-Territorium anzugreifen. Gleichzeitig verfehlt Deutschland die Zielvorgabe der NATO zur Größe der Bundeswehr deutlich, nämlich um über 70.000 Soldaten. Die derzeitige Freiwilligkeit bei der Rekrutierung reicht ersichtlich weder aus, um die individuelle Wehrfähigkeit Deutschlands sicherzustellen, noch um die Aufgaben im kollektiven Verteidigungssystem NATO zu erfüllen.

    Die politischen Rahmenbedingungen gebieten also Anpassungen der Rechtslage: Entsprechend hatten sich die regierungstragenden Fraktionen von Union und SPD im Oktober 2025 auf eine Novellierung des Wehrdienstrechts geeinigt. Ein Eckpunkt der Einigung sah – für den Fall, dass sich nicht ausreichend Freiwillige für den erforderlichen Personalaufwuchs der Bundeswehr finden lassen – vor, eine Auswahl junger Männer eines Jahrgangs per Losverfahren zu bestimmen und diese zur Musterung zu laden. Im Raum stand dem Vernehmen nach sogar zeitweise noch ein weiterer Losentscheid, nämlich darüber, welche als tauglich gemusterten Personen zum Dienst eingezogen werden.

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  • Drohnenbekämpfung als (verfassungs-) rechtliche Herausforderung

    Professor Dr. Florian Becker, LL.M. (Cambridge) und Wiss. Mit. Fynn Gräber, Kiel

    21/2025

    Foto eines der Autoren von NVwZ-Editorial Heft 21/2025 yinn GräberFoto eines der Autoren von NVwZ-Editorial Heft 21/2025 Dr. Florian Becker

    "Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden“, erklärte kürzlich Bundeskanzler Friedrich Merz. Doch scheint unser Gemeinwesen den Anforderungen, die sich hieraus ergeben, (noch) nicht gewachsen zu sein. Dies belegt der Umgang mit den Drohnenüberflügen, die in letzter Zeit über Einrichtungen der kritischen Infrastruktur zu beobachten waren. Wer kann, darf oder muss solche Überflüge unterbinden? Die Zuständigkeitsordnung ist eindeutig: Drohnenüberflüge können Spionageaktivitäten darstellen oder Gefährdungen des Luftverkehrs verursachen. Die präventive Abwehr solcher Straftaten ist originärer Gegenstand des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts und damit Aufgabe der Landespolizei. Hingegen ist die Bundespolizei nicht nur zuständig, wenn derartige Überflüge über Flug- oder Seehäfen sowie Bahnanlagen stattfinden, sondern sie hat auch die Integrität des Luftverkehrs sicherzustellen. Fliegen Drohnen über militärischem Gelände, sind die Streitkräfte für deren Abwehr verantwortlich. Sie sind offenbar auch der einzige Akteur, der Drohnen mit militärischer Spezifikation zuverlässig orten und abschießen kann.

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  • Steuerehrlichkeit – unwahre Begründung eines Referentenentwurfs

    Rechtsanwalt Professor Dr. Dirk Uwer, LL.M., Mag.rer.publ., Düsseldorf/London

    20/2025

    Foto des Autors von NVwZ-Editorial 20-2025 Dr. Dirk Uwer

    Im Steuerstaat geht bekanntlich nichts über die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen. Der Bedarf an kompetenter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen (§ 2 StBerG) bleibt daher hoch. In Deutschland wuchs der Markt für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung 2024 um 7,6 % auf 21,3 Mrd. EUR: 10,8 Mrd. EUR entfielen auf die „Big Four“, auf die dynamischer wachsenden „Next Six“ 2,2 Mrd. EUR. Der übrige Markt ist mittelständisch geprägt und kämpft mit Innovations- und Investitionsrückstau, Überalterung der Berufsträger und Fachkräftemangel. Die notwendige Transformation ist mit hohen Kosten verbunden. Private-Equity-Investoren haben das Potenzial erkannt und beteiligen sich mit neuen Kooperationsmodellen am Markt. Nach geltendem Recht dürfen sie sich (mittelbar) über EU- oder EWR-Abschlussprüfungsgesellschaften kapitalmäßig an Steuerberatungsgesellschaften beteiligen (§ 55a StBerG, § 28 WPO).

    Der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) ist das ein Dorn im Auge. „Wir akzeptieren Private Equity im Markt nicht“, erklärte ihr Präsident markig, doch kontrafaktisch, und bestellte beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine Schließung der  vermeintlichen Gesetzeslücke. Das BMF gehorchte am 7.8.2025 in Form eines Referentenentwurfs für ein „Neuntes Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes“, in das es erkennbar den Wunsch der BStBK nachträglich und unsystematisch hineintransplantierte. Die Begründung dafür kommt einer schriftlichen Lüge gleich: Es bestünden „Unklarheiten hinsichtlich der Auslegung des § 55a I 2 StBerG“, vor allem zur Frage, ob die mittelbar an einer Steuerberatungsgesellschaft beteiligten Gesellschaften ihrerseits die Voraussetzungen erfüllen müssen, die an eine Steuerberatungsgesellschaft gestellt werden. Solche Unklarheiten bestanden nie, und die Antwort auf diese Frage war einhellig und stets, auch in der Zulassungspraxis der Steuerberaterkammern: nein.

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  • Catcalling: Erfordernis eines geplanten Straftatbestandes?

    Rechtsanwältin Dr. Alexandra Windsberger, Habilitandin Universität Konstanz

    Heft 19/2025

    Foto der Autorin von NVwZ-Editorial 19/2025 Dr. Alexandra Windsberger

    Nach bislang fast ausschließlich medial geführten Debatten, die durch eine Petition („it is 2020, catcalling should be punishable“) befeuert wurden, wird derzeit wieder allerorten vorgetragen, dass ein neuer Straftatbestand für sog. Catcalling eingeführt werden müsse. Auch Bundesjustizministerin Stefanie Hubig spricht sich für eine Kriminalisierung aus und will einen Gesetzesentwurf vorlegen.

    Aus Sicht des betroffenen Strafrechts bleiben zwei Grundfragen und ein verfassungsrechtliches Kernproblem: So bedürfte es zunächst für eine Neuregelung überhaupt einer gesetzlichen Regelungslücke. Unbeantwortet ist auch, ob „Catcalling“ strafrechtlich relevantes Verhalten darstellt. Denn bei „Catcalling“ handelt es sich um einen „Containerbegriff“, dessen Implementierung in ein vom verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot geleitetes Strafrecht gar nicht zielführend ist. Dem Begriff unterfallen herabwürdigende sexistische Äußerungen ebenso wie Belästigungen durch obszöne Gesten, Pfiffe, Anstarren, Hinterherlaufen, Kuss- und Schmatzgeräusche. All jene im Einzelfall in einem etwaigen Strafverfahren zu ermittelnden Verhaltensweisen werden über Delikte wie sexuelle Nötigung, sexueller Übergriff, Vergewaltigung, üble Nachrede, Bedrohung, Nachstellung, und sexuelle Belästigung nicht oder eben nur erfasst, wenn sie eine bestimmte Schwelle überschritten haben. Auch eine Beleidigung liegt nur vor, wenn die Äußerung eine entwürdigende, ehrverletzende Bewertung des Opfers enthält. Geschmacklose, übergriffige Attraktivitätsbekundungen oder Geräusche erreichen diese Hürden in der Regel nicht. Für Äußerungen unterhalb jener Schwellen, sexistische Gesten und Geräusche, existiert keine Strafnorm. Das ist richtig und eben kein Problem.

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  • Das deutsche Verwaltungsrecht nach dem Klimagutachten des IGH

    Professorin Dr. Jelena Bäumler, Leuphana Universität Lüneburg

    18/2025

    Am 23.7.2025 legte der IGH sein wegweisendes Klimagutachten vor. Die UN-Generalversammlung hatte zum einen nach den Pflichten der Staaten im Hinblick auf den Klimawandel und zum anderen nach deren Staatenverantwortlichkeit gefragt. Im Rahmen seines Gutachtens stellt der Gerichtshof nun klar, dass staatliche Pflichten, das Klima nicht weiter zu schädigen und es zu schützen, neben dem Klimaregime (Klimarahmenkonvention, Kyoto-Protokoll und Pariser Abkommen) aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Schädigungsverbot und Kooperationspflichten, den Menschenrechten und dem Seerecht folgen. 

    Dabei handelt es sich um verbindliche Rechtspflichten. Insbesondere in Bezug auf das Pariser Abkommen hat der Gerichtshof letzte Zweifel daran ausgeräumt, es könne sich um ein unverbindliches Instrument handeln. Ziel des Abkommens sei es, die Erwärmung auf 1,5 °C zu beschränken; die ebenfalls genannten 2 °C seien nachrangig. Dieses Ziel gelte es durch die Festlegung nationaler Beiträge zu erreichen. Insoweit seien die Staaten nicht völlig frei, sondern vielmehr verpflichtet, sukzessive und progressive Klimabeiträge zu definieren, die geeignet sind, das völkerrechtlich vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Es finde der Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten Anwendung: Weiter entwickelte Staaten, die nicht nur über eine erhöhte Leistungsfähigkeit verfügen, sondern auch historisch stärker zum Klimawandel beigetragen haben, müssen entsprechend höhere Beiträge leisten (s. dazu auch Ekardt/Heß, NVwZ 2025, 1297).

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  • Richterwahl BVerfG – eine unerträgliche politische „Posse“

    Professor Dr. Dr. h.c. Lothar Knopp, Cottbus/Heidelberg

    17/2025

    Während noch im Dezember 2024 Bundestag und Bundesrat einen ersten wichtigen Schritt insbesondere zur Absicherung der Unabhängigkeit des BVerfG durch grundlegende Verfassungsänderungen vorgenommen haben, ist das eigentliche Wahlverfahren nach wie vor politischen Entscheidern (Bundestag/Bundesrat) vorbehalten. Der Wahlakt gründet sich bei vom Bundestag zu berufenden Richterinnen und Richtern auf den Vorschlag des Wahlausschusses und beim Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen erforderlich. Dieses Wahlprozedere hat auch die Entstehung der „Causa“ der Potsdamer Universitätsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf begünstigt, deren Nominierung durch die SPD-Fraktion im Bundestag für das höchste Richteramt auf massive Ablehnung durch CDU/CSU und AfD stieß, begründet im Wesentlichen mit ihrer angeblichen Auffassung zu Themen wie Abtreibung, AfD-Parteiverbot und Impfpflicht in der Corona-Pandemie.

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  • Auch Masken-Jens fährt weiter mautfrei spazieren

    Dr. Dr. Jörg Berwanger, Neunkirchen/Saar

    16/2025

    M wie Masken, M wie Maut, S wie Spahn, S wie Scheuer – das ist vielleicht eine etwas verblüffende Parallelität. Auch rechtlich, im Sinn einer persönlichen Haftung von Jens Spahn wegen seiner sog. Maskenaffäre, dürfte es für ihn im Ergebnis so ausgehen, wie am Ende für Andreas Scheuer – Nada, Niente. So der Kenntnisstand zum Redaktionsschluss dieses Editorials.

    Bei den Schadensbeträgen hinkt der Vergleich allerdings. Während es bei Scheuer insgesamt wohl noch mit einem dreistelligen Millionenbetrag abging, wird in der Maskenaffäre von einem milliardenschweren Risiko gesprochen (Berichte des Bundesrechnungshofes vom 16.6.21 und 28.3.24; Bericht Sudhof, Januar 2025): Massive Überbeschaffung, überteuerte Preise, Abnahmegarantien, Vernichtung von mehr als der Hälfte der gekauften Masken wegen Unbrauchbarkeit, sog. Folgebewirtschaftungskosten, anhängige großvolumige Rechtsstreite, undurchsichtiges Transport- und Lagermanagement etc. Für Ursachensachverhalte sorgte laut Kolportage Minister Spahn vielfach persönlich. Neben Einmischungen bei Preisfestlegungen agierte er als „Macher“, auch operativ im Außenverhältnis: „… Ja, Transport klären wir dann. Jetzt will ich erst mal rechtlich verbindlich das Zeug … praktischen Rest mit meinen Leuten klären, Danke! ...“ (E-Mail vom 9.3.2020 an einen Maskenverkäufer).

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  • Drei Thesen zum Wohnungsbauturbo

    Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer, LL.M. (Illinois), Frankfurt a. M.

    15/2025

    Der am 18.6.2025 vom Bundeskabinett beschlossene Wohnungsbauturbo soll diesen Herbst im Rahmen des „Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ (BT-Drs. 21/781) in Kraft treten. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Fest steht auch, dass die Turboklausel polarisiert, weil sie zugunsten des Wohnungsbaus weitreichende Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Vorgaben als Sonderregelung zulässt, die bis zum 31.12.2030 befristet ist. Es gibt glühende Fans, aber auch überzeugte Gegner des neuen § 246e BauGB-E. Die Argumente Für und Wider sind ausgetauscht – und bald Schnee von gestern. Jetzt geht es darum, was die Praktiker vor Ort daraus machen. Klar ist, dass der Turbo ohne Zustimmung der Gemeinde nicht zünden kann, während mit kommunaler Zustimmung viele Hindernisse aus dem Bereich des Städtebaurechts überwunden werden können. Bei dieser Entscheidung helfen gesunder Menschenverstand und ein verantwortlicher Umgang mit den neuen Möglichkeiten. Hier kommen drei Thesen, welche Auswirkungen die Turboklausel in der Praxis haben wird:

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  • Parlamentarische Lücke in der Migrationspolitik

    Professor Dr. Matthias Friehe, EBS Universität, Oestrich-Winkel

    14/2025

    Union und SPD haben sich auf eine restriktivere Migrationspolitik geeinigt. Eine Signalwirkung sollte die Zurückweisung Asylsuchender an den deutschen Außengrenzen entfalten. Dem hat allerdings eine Eilentscheidung des VG Berlin (NVwZ 2025, 1115, in diesem Heft) einen empfindlichen Dämpfer versetzt. In Übereinstimmung mit der Mehrheitsmeinung unter Migrationsrechtlern geht die Kammer davon aus, dass nach der Dublin-III-VO keine unmittelbare Zurückweisung Asylsuchender an der Grenze in Betracht kommt. Vielmehr müsse das in der Verordnung geregelte Verfahren zur Feststellung des für die Prüfung des Asylbegehren zuständigen Mitgliedsstaats in jedem Fall durchgeführt werden. Die Entscheidung unterstreicht die europarechtliche Dimension der Frage. Denn die deutsche Regelung im AsylG, wonach Asylsuchende aus sicheren Drittstaaten direkt an der Grenze zurückzuweisen sind, wird vom Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt.

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  • Wenn aus Politik Recht wird und doch Politik bleibt …

    Professor Dr. Christoph Brüning, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    13/2025

    Es führt selten zu guten Ergebnissen, wenn der Gesetzgeber aus dem tagespolitischen Stand in kurzer Frist folgenschwere Regelungen trifft. Deshalb ist ein zentrales Element der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ (www.ghst.de/initiative-fuer-einen-handlungsfaehigen-staat), „bessere Gesetze“ zu verlangen. Dabei hängt die Qualität auch und gerade von einem fachlich begleiteten Gesetzgebungsverfahren ab. Wie berechtigt diese Forderung ist, zeigt die im Galopp vom „alten“ Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung vom 25.3.2025 zum Staatsschuldenrecht. Insbesondere wegen des Durchgriffs auf das Finanzverfassungsrecht der Länder durch den neuen Art. 109 III 9 GG steht der Verdacht verfassungswidrigen Verfassungsrechts im Raum. Denn welche Rechtfertigung es dafür geben kann, die Verfassungsautonomie der Länder derart einzuschränken, dass ihnen – auch fortan – ein Festhalten am grundsätzlichen Verbot der Nettoneuverschuldung versagt werden muss, ist völlig unklar. Das politische Ziel einer schnellen Änderung der Verfassungslage in den Ländern ohne – aufgrund der politischen Realitäten mancherorts eventuell kaum zu erreichenden – Beschlüsse der als Landesverfassungsgeber jeweils zuständigen Landtage verkennt die staatsrechtliche Eigenstaatlichkeit der Länder. Wenn ein Land die bisherige Schuldenbremse in der Landesverfassung nicht im Sinne der durch die grundgesetzliche Änderung eröffneten Spielräume anpasst, weil dafür die politischen Mehrheiten fehlen, und deshalb weiter hinter den bundesverfassungsrechtlich gezogenen Kreditobergrenzen zurückbleibt, ist das vom Bund zu akzeptieren und nicht durch Art. 109 III 9 GG prophylaktisch zu übergehen.

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  • Kommunaler Klimaschutz im Koalitionsvertrag

    Rechtsanwältin Dr. Sigrid Wienhues, Hamburg

    12/2025

    Bundesklimaschutzanpassungsgesetz und Bundes-Klimaschutzgesetz verpflichten die Kommunen negative Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden oder, soweit sie nicht vermieden werden können, weitestgehend zu reduzieren, § 1 KAnG. Zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels sollen die nationalen Klimaschutzziele erfüllt und die europäischen Zielvorgaben gewährleistet werden, § 1 KSG. Das Baugesetzbuch konkretisiert die Aufgaben für die Stadtentwicklung: Die Bauleitpläne sollen dazu beitragen, den Klimaschutz und die Klimaanpassung zu fördern, § 1 V 2 BauGB. Die Auswirkungen der Planung auf das Klima und die Erfordernisse des Klimaschutzes sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne und in der Abwägung zu berücksichtigen, §§ 1 VI Nr. 7 a, 1a V BauGB. Die Staatszielbestimmung in Art. 20a GG ist für die Kommunen bei ihrer Normgebung wie im Verwaltungshandeln maßgeblich. Die jeweiligen Landesgesetze zum Klimaschutz formulieren ebenfalls die Verantwortung der Kommunen für die Erreichung der Klimaschutzziele. In der Praxis scheitert die kommunale Aufgabenerfüllung häufig an der Finanzierung.

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  • IFG durch TranspG ersetzen!

    Professor Dr. Friedrich Schoch, Freiburg i. Br.

    11/2025

    Als im Zuge der Sondierungsgespräche von CDU/CSU und SPD zur Bildung einer Regierungskoalition im Bund aus den Verhandlungen der AG 9 publik wurde, dass die Unionsseite die Absicht verfolgen könnte, das IFG abzuschaffen, war die öffentliche Aufmerksamkeit groß (Überblick zu Protesten in FAZ Nr. 75 vom 29.3.2025 S. 16). Eingeschaltet in die Debatte hat sich auch die BfDI, die nicht weniger, sondern mehr Informationsfreiheit und Transparenz forderte (PM 2/2025). Die Kritik an den seinerzeitigen Plänen von CDU/CSU mag von Medienvertretern (mit)getragen gewesen sein (dazu Rossi NJW-aktuell 16/2025, 3: Entrüstung ist nicht objektiv), unzutreffend in der Sache wird die Kritik dadurch nicht.

    Politisch und rechtlich irritierend ist eine gewisse intellektuelle Unredlichkeit, die die Abschaffung des IFG „in der bisherigen Form“ (AG 9 Sondierungspapier Zeile 113) als „Stärkung der repräsentativen Demokratie“ propagiert. Dabei hatte das BVerwG bereits in Urteilen vom 3.11.2011 erkannt, dass sich die parlamentarische Kontrolle der Regierung seitens des Parlaments (de facto: seitens der parlamentarischen Opposition) und die Öffentlichkeitskontrolle via IFG ergänzen. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode heißt es nun unter dem Topos „Stärkung der repräsentativen Demokratie“ (Zeilen 1894 bis 1896): „Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung reformieren“. Von IFG „abschaffen“ ist keine Rede mehr. Doch was ist das Ziel der „Reform“? Was heißt „Mehrwert“?

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  • Hat der Koalitionsvertrag den Klimaschutz vergessen?

    Professor Dr. Sabine Schlacke, Universität Greifswald

    10/2025

    Hat der Koalitionsvertrag den Klimaschutz vergessen? Die Präambel legt eine Bejahung der Frage nahe, da sie den Begriff nicht nennt. Indes trügt der Eindruck: Der Vertrag verwendet das Wort „Klima“ 80 mal; Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit sollen zusammen entwickelt werden. Das dürfte ein in der Gesellschaft akzeptanzfördernder Ansatz sein. Die übergreifenden klimaschützenden Regelwerke werden nicht in Frage gestellt: Der Vertrag bekennt sich explizit zu den Klimaschutzzielen. Selbst das noch nicht festgelegte EU-Klima-Zwischenziel für 2040 (Kommissionsvorschlag -90 % THG-Emissionen ggü. 1990), wird grds. unterstützt (Z. 907 ff.). Das ist nicht nur klimapolitisch gut, sondern auch gesamtwirtschaftlich von Vorteil: Unternehmen können weiter vertrauen, dass Deutschland den unionsrechtlich gesetzten Rahmen mit einem Emissionshandel als neuem Leitinstrument durchführen wird. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft soll neben Technologieoffenheit gefördert werden; Letzteres muss nicht notwendig schädlich fürs Klima sein.

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  • Der Koalitionsvertrag und die Verfahrensbeschleunigung

    Präsident des BVerwG Professor Dr. Andreas Korbmacher, Leipzig

    9/2025

    Beschleunigung ist das Gebot der Stunde. Das hatte schon die letzte Koalition mit ihrem „Deutschlandtempo“ erkannt. Auch der neue Koalitionsvertrag ist durchzogen von Beschleunigungsvorsätzen. Dies gilt in besonderem Maße für alle Arten von staatlichen Genehmigungen: „Notwendig ist eine grundsätzliche Überarbeitung von Planungs-, Bau, Umwelt-, Vergabe- und des (Verwaltungs-)Verfahrensrechts“ heißt es in Zeile 682, 683 des Vertrages. Konkret wird u.a. ein einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturvorhaben angestrebt. Wer die Zeitabläufe von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstreitverfahren kennt, kann hier im Grundsatz nur zustimmen. Allein es fehlt mir der Glaube, dass diesmal der große Wurf gelingen und alles anders wird. Dafür hat es in der Vergangenheit schon zu viele Beschleunigungsgesetze gegeben: Das erste Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz stammt von 1991 (BGBl. I S. 2174), es folgten neun weitere Beschleunigungsgesetze, das letzte war 2024 das Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes und zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren (BGBl. I 2024 Nr. 225). Nahezu alles, was im aktuellen Koalitionsvertrag zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vorgeschlagen wird, findet sich bereits in dem einen oder anderen dieser Gesetze. Immerhin wird im Koalitionsvertrag erkannt, dass ohne eine Änderung – und das heißt: Reduzierung – der materiell-rechtlichen Anforderungen substanzielle Verfahrensbeschleunigungen nicht erreichbar sind und eine Änderung von Unionsrecht erforderlich ist. Das gilt gleichermaßen für das Verbandsklagerecht, das man angesichts der eindeutigen und verbandsklagefreundlichen Rechtsprechung des EuGH im nationalen Alleingang ebenso wenig substanziell einschränken kann. 

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  • Innovative Bauordnungen

    Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer LL.M.

    8/2025

    Ist das die Trendwende im Wohnungsbau? Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes stieg die Zahl der Baugenehmigungen im Januar 2025 im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast sieben Prozent auf 18.000 Wohneinheiten. Es handelt sich um den größten Zuwachs seit Beginn der Krise Anfang 2022 sowie um den zweiten Anstieg in Folge. Bereits im Dezember 2024 hatte es ein Plus von über fünf Prozent gegeben. Diesen Aufwärtstrend möchten manche Bundesländer mit Erleichterungen für den Wohnungsbau unterstützen. Drei Musterschüler gehen voran:

    Die Reise auf der Suche nach Aktivitäten zur Stärkung des Wohnungsbaus startet in Hamburg. Die Hansestadt hat eine wissenschaftlich begleitete Initiative für kostenreduziertes Bauen ergriffen, um darüber einen neuen „Hamburg-Standard“ zu entwickeln. Sie hat drei Handlungsfelder identifiziert, um die Baukosten drastisch zu senken. Vorgesehen sind kostenreduzierte Baustandards, Optimierungen von Planungen sowie beschleunigte Verfahren. Im Kern geht es um eine Reduzierung der normativen Anforderungen in den Bereichen Brandschutz, Schallschutz, Barrierefreiheit sowie bei energetischen Vorgaben. Gesetzliche Ermessensspielräume sollen konsequent zugunsten der Kostensenkung genutzt werden.

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  • Über Schulden

    Professor Dr. Rainer Wernsmann, Universität Passau

    7/2025

    Der Bundestag hat – verfassungsrechtlich voll legitimiert (Art. 39 I 2, II GG) – mit der nötigen 2/3-Mehrheit am 18.3.2025 eine Verfassungsänderung von enormer Bedeutung beschlossen, nämlich eine weitreichende Reform der sog. Schuldenbremse (Art. 109 III, 115 II, 143h GG); der Bundesrat hat am 21.3.2025 mit der erforderlichen 2/3-Mehrheit (Art. 79 II GG) zugestimmt.

    Im Kern geht es um drei Änderungen des Funktionsmechanismus der sog. Schuldenbremse, die als Durchgriffsnorm unmittelbar sowohl für Bund als auch für Länder gilt: (1) Ausgaben für Verteidigung und einige andere sicherheitsrelevante Ausgaben werden oberhalb eines Werts von 1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland, von der Begrenzung der Nettoneuverschuldung ausgenommen; (2) die Länder, die sich außerhalb der Sondertatbestände (außergewöhnliche Notsituationen, Konjunktur-Schwankungen) bisher gar nicht verschulden durften, dürfen sich insgesamt künftig wie der Bund ebenfalls mit bis zu 0,35 % des gesamtdeutschen BIP verschulden; (3) ein Sondervermögen mit einer Laufzeit von 12 Jahren wird eingerichtet, aus dem bestimmte zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden sollen und für das die sog. Schuldenbremse nicht gilt. 

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  • Demokraten, löst die Probleme!

    Professor Dr. Matthias Friehe, EBS Universität, Oestrich-Winkel

    6/2025

    Früher galt eine hohe Wahlbeteiligung als entscheidend dafür, extremistische Parteien klein zu halten. Mit 82,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung 2025 aber so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Zugleich profitierte hiervon vor allem die AfD, denn der weit überwiegende Teil bisheriger Nichtwähler hat sich nach Analysen von infratest dimap bei der Bundestagswahl für die Rechtsaußenpartei entschieden. Bei der Bundestagswahl ist also ein Mehr an demokratischer Legitimation mit einem Weniger an demokratischer Mitte einhergegangen. Diese Entwicklung kann nicht überraschen. Befragungen zur Demokratiezufriedenheit ergeben, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die Demokratie für eine gute Regierungsform hält – aber immer weniger Menschen mit dem konkreten Funktionieren der Demokratie zufrieden sind. Diese Unzufriedenheit hat wenig damit zu tun, wie im Detail bestimmte Prozesse im Grundgesetz ausgestaltet sind oder im politischen Alltag gelebt werden. Experimente wie der geloste Bürgerrat zu Ernährungsfragen sind daher keine Lösung.

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  • Es kreißte der Berg und gebar blühende Landschaften?!

    Priv.-Doz. Dr. iur. habil. Dimitrios Parashu, MLE, Universität Hannover

    5/2025

    Ende Juli 2024 wurde, nach langem Vorlauf und zähem Ringen, die VO (EU) 2024/1991 im Amtsblatt der EU veröffentlicht (s. dazu ausführlich Schieferdecker NVwZ 2024, 1865 und Fellenberg NVwZ 2025, 124). Sie befasst sich mit Renaturierungsfragen durch die gesamte EU hindurch und peilt an, den Zustand der Umwelt in den Mitgliedstaaten erheblich zu verbessern. Auf diese Art und Weise soll ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden: Es ist dies ein weiterer Mosaikstein im weit gefassten und viele verschiedene Themenbereiche umfassenden Green Deal der EU (s. dazu Burgi NVwZ 2021, 1401). 

    Die Herangehensweise des europäischen Gesetzgebers ist eine auf den ersten Blick liberale. Man überlässt den Mitgliedstaaten einige Freiheiten, bindet sie aber durch klare und konkrete Zielvorgaben. Die Freiheiten sind dann auf der Ebene der jeweils auszuwählenden, einzelstaatlichen Maßnahmen zu finden. Freilich sind Elemente der notwendigen Berücksichtigung einer Wirtschaftlichkeit bei entsprechenden Maßnahmen auszumachen (s. hierzu schon Art. 191 III AEUV): Hinsichtlich des auch ökonomisch maßgeblichen Topos erneuerbarer Energien (Art. 6 VO), ferner aber auch der sensiblen Thematik nationaler Landesverteidigungs-Flächen (Art. 7 VO), bestehen bereits Ausnahmen. 

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