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NVwZ Editorial
  • Ein Recht auf eine analoge Alternative – gegen Digitalzwang

    LfD in Schleswig-Holstein a. D. Dr. Thilo Weichert, Kiel

    24/2024

    Dr. Thilo Weichert

    Politik und Wirtschaft sind sich einig: Die Digitalisierung muss in Deutschland vorangebracht werden. Ohne das Ziel einer flächendeckenden Internetversorgung erreicht zu haben, wird inzwischen „digital only“ propagiert. In der Verwaltung, aber erst Recht im Bereich der privatisierten Daseinsvorsorge, etwa bei der Deutschen Bahn oder der Post, wird nachdrückliche Digitalisierung in Ermangelung analoger Alternativen zum „Digitalzwang“. 

    Digitalisierung fördert oft Bürger- bzw. Kundenfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Angebotsqualität. Doch „digital only“ schließt Menschen aus, die die Dienste nicht nutzen können oder dies aus berechtigten Gründen nicht wollen. Viele Menschen können sich die nötige digitale Infrastruktur mit Endgeräten und Netzzugang nicht leisten; körperliche Einschränkungen machen oft eine Nutzung unmöglich; manchen fehlt, etwa wegen des höheren Alters, die nötige Medienkompetenz. Wieder andere meiden Dienste aus begründeter Furcht vor zweckwidriger Datennutzung und Datenmissbrauch.

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  • Rückschlag für den Klimaschutz?

    Rechtsanwalt Professor Dr. Ludger Giesberts, LL.M. (LSE), Köln

    23/2024

    Schon das Urteil des Den Haager District Courts vom 26.5.2021 (Az: C/09/571932) hat für großes Aufsehen gesorgt. Auf Klage der Vereinigung Milieudefensie wurde die Royal Dutch Shell PLC (inkl. aller konsolidierten Gruppenunternehmen) u.a. zur Reduktion aller aggregierten jährlichen CO2 Emissionen in die Atmosphäre um mindestens 45 % im Jahre 2030 (verglichen mit 2019) aufgefordert. Dies umfasst alle direkten Emissionen (Scope 1), indirekte Emissionen von Dritten, von denen Shell Energie erworben hat (Scope 2), und u. a. Emissionen, die Kunden des Unternehmens verursachen, in dem sie Shellprodukte verbrauchen (Scope 3). Die Entscheidung wurde gleichermaßen als großer Sieg der Klimaschutzbewegung wie als Niederlage der betroffenen Industrie betrachtet. Gefeiert wird, dass Umweltverbänden ein Anspruch gegen die Industrie in die Hand gegeben wird. Dahingegen wird kritisiert, dass Einzelpersonen und Verbänden so weit reichende, kaum begrenzte Klagebefugnisse eingeräumt werden.
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  • Terrorismusbekämpfung – Wie sicher ist sicher genug?

    Professor Dr. Christoph Gusy, Bielefeld

    22/2024

    Das viel diskutierte „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung besteht aus einem Bündel unterschiedlicher Gesetzesänderungen. Entgegen manchen Erwartungen erlangte es im Bundestag eine Mehrheit. Hingegen scheiterte ein leicht nachjustiertes (dokumentiert in BR-Drs. 512/24; krit. BR-Drs. 512/1/24) zustimmungspflichtiges Vorhaben im Bundesrat. Dessen Mehrheit hat sich gegen (etwas) mehr Sicherheit entschieden, um (noch etwas) mehr Sicherheit zu fordern und zu erreichen. Weil der große Schritt nicht gelingen konnte, ist nicht einmal der kleine Schritt gegangen worden. Einstweilen bleibt die momentane Rechtslage also hinter den Konzepten von Bundesregierung und denen der Ländermehrheit zurück.

    Je krisenanfälliger die Zeit, desto eher wird Sicherheit ein Leitmotiv der Politik. Sie zu fordern ist leicht, sie zu realisieren ist schwieriger. Gesetzgebung allein kann sie nicht herstellen, wohl aber Vor- bzw. Rahmenbedingungen setzen und Ermächtigungen erteilen. Diese sind auf Operationalisierung durch Behörden, Gerichte und die Gesellschaft angewiesen. Sie gelingt am besten, wenn die Rechtsnormen auf Wirksamkeit angelegt sind und nicht bloße Symbolpolitik betreiben. Und sie müssen europarechts- und grundgesetzkonform sein, insbesondere Menschen- und Grundrechte, faire Verfahren und Verteilungsgerechtigkeit für alle, die darauf angewiesen sind, einbeziehen. Für derart anspruchsvolle Leistungen bedarf eine handlungsfähige Demokratie handlungsfähiger Demokraten in Volk, Parteien und Parlamenten, also eines hinreichenden Basiskonsenses für Gesetzeserlass und Gesetzesvollzug. Politik ist wesentlich die Kunst des Möglichen.

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  • Turbo für den Ausbau der Erneuerbaren oder bleibt alles beim Alten?

    Fachanwältin für Verwaltungsrecht Dr. Stefanie Ramsauer und Rechtsanwältin Cosima Baumeister, Hamburg

    21/2024

    Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht zu schleppend voran, um vereinbarte Klimaziele zu erreichen. Ein wesentlicher Grund sind die aufwändigen und zeitraubenden umweltrechtlichen Prüfungsverfahren, die UVP, die Artenschutzprüfung, die FFH-Verträglichkeitsprüfung und die Prüfung der Einhaltung wasserrechtlicher Bewirtschaftungsziele. Die befristete EU-Notfallverordnung hatte bereits Erleichterungen gebracht, insbesondere die Anerkennung eines überwiegenden öffentlichen Interesses; mit der neuen Reform der Erneuerbare-Energien-Richtlinie werden die Mitgliedstaaten darüber hinaus zu grundlegenden verfahrensrechtlichen Änderungen verpflichtet.

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  • Die nächste Krise kommt bestimmt!

    Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages Dr. Joachim Schwind, Hannover

    20/2024

    „Krise“ ist in den letzten Jahren leider ein zu häufiger Zustand in Deutschland und der Welt. Grund genug für die Abteilung Öffentliches Recht des gerade zu Ende gegangenen 74. Deutschen Juristentags, der Frage nachzugehen, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen künftig benötigt werden, um effizient und effektiv zu reagieren und finanzielle Hilfen bedarfsgerecht zu verteilen. Die Gutachten, Referate und Diskussionen in Stuttgart unter der umsichtigen Abteilungsleitung von Professor Dr. Johanna Hey und Professor Dr. Hubert Meyer beinhalten für die Entscheider in Parlamenten und Exekutive eine Fülle von Vorschlägen, wie man die Vorbereitung auf künftige Krisen verbessern kann. Einstimmig plädiert die Abteilung für eine Intensivierung der Krisenvorsorge und bessere Aktivierung der Bevölkerung und stellt fest: Die bisherigen Krisenstrukturen haben sich grundsätzlich bewährt. Die dezentrale und modulare Krisenbewältigung durch ortsnahe kommunale Behörden mit ihren Leitstellen und der Zuständigkeit für Feuerwehr und Rettungsdienst ist ein großer Vorteil in Deutschland, war einhellige Meinung. Minimalen Nachsteuerungsbedarf sieht der Juristentag bei der Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Katastrophenschutz durch einen neuen Art. 73 I Nr. 10 GG, der die Möglichkeit eröffnen würde, die Zusammenarbeit in diesem Bereich stringenter zu regeln. Damit könnte das entsprechende Bundesamt eine Zentralstellenfunktion wie das BKA im Polizeibereich bekommen. Bundesweite digitale Lagebilder, ein einsehbares Echtzeit-Register aller Fähigkeiten im Bevölkerungsschutz, Muster- Konzepte für Hauptkrisenlagen und Verteilmechanismen wie das Kleeblatt-Konzept sind die Anforderungen.

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  • Novelle der TA Lärm – Endlich von außen nach innen?

    Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer, LL.M. (Illinois), Frankfurt a. M.

    19/2024

    Zu den über Jahre mit viel Herzblut und Liebe zum Detail zelebrierten Auseinandersetzungen zählt die Frage, ob das System der TA Lärm mit dem Abstellen auf Außenlärmpegel in verdichteten Großstadtlagen noch zeitgemäß ist oder ob besser auf Innenpegel umgestellt werden sollte. Während die „Umweltseite“ auf der Beibehaltung des Status Quo beharrt, wird von der „Bauseite“ eine Umstellung auf Innenpegel gefordert. Ursache des Streits ist, dass das BVerwG für den typischen Konfliktfall der an emittierendes Gewerbe heranrückenden Wohnbebauung bereits 2012 passiven Schallschutz als „Problemlöser“ für die bestehende TA Lärm verworfen hatte (BVerwGE 145, 145 = NVwZ 2013, 372 mAnm Dolde NVwZ 2013, 375).

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  • Volker Epping zum 65. Geburtstag

    Manuel Brunner, Jan Martin Hoffmann, Sebastian Lenz

    18/2024

    Am 13.6.2024 feierte Professor Dr. Volker Epping, Präsident der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, seinen 65. Geburtstag. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und erstem Staatsexamen wurde er zunächst wissenschaftliche Hilfskraft, später wissenschaftlicher Assistent bei dem im Jahr 2022 verstorbenen großen Völkerrechtler Knut Ipsen, dem der Jubilar sowohl wissenschaftlich als auch freundschaftlich stets verbunden blieb. Nach Vorbereitungsdienst und zweitem Staatsexamen wurde Volker Epping 1992 bei Knut Ipsen in Bochum mit einer Arbeit zum Thema „Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle: Erfüllung des Verfassungsauftrags durch den einfachen Gesetzgeber? Verfassungsanspruch und Rechtswirklichkeit“ promoviert. Vier Jahre später habilitierte er sich dort mit der Schrift „Die Außenwirtschaftsfreiheit“. Nach Lehrstuhlvertretungen in Münster, Köln, Freiburg i. Br. und Regensburg wurde Volker Epping im Jahr 1999 auf eine Professur für Öffentliches Recht an die Universität in Münster berufen. Ende des Jahres 2001 folgte der Ruf auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an die Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.

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  • Wahlrechtsreform: Wie geht es weiter?

    Professor Dr. Bernd Grzeszick, Heidelberg

    17/2024

    Am 30.7.2024 hat das BVerfG über die Reform des Bundestagswahlrechts entschieden (NVwZ 2024, 1323, in diesem Heft). Im Urteil wird die aus dem Erfordernis der Zweitstimmendeckung folgende Nichtzuteilung von Mandaten an überhängende Wahlkreissieger bestätigt. Dagegen wird die 5%-Klausel insoweit als mit der Verfassung unvereinbar angesehen, als sie Parteien erfasst, deren Abgeordnete im Fall ihres Einzugs in den Bundestag eine gemeinsame Fraktion mit den Abgeordneten einer anderen Partei bilden würden, wenn diese Parteien gemeinsam die 5%- Schwelle überschreiten. Zudem wird bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber die Fortgeltung der bisherigen Grundmandateklausel angeordnet. Für die Durchführung der nächsten Wahl bringt das Urteil damit eine hinreichende Grundlage.

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  • Neues Qualzuchtverbot: Alles für die Katz?

    Wiss. Mitarbeiterin Barbara Maria Hasenau, Bonn

    16/2024

    In einer Zeit, in der sich Hunde und Katzen immer mehr zu lebendigen lifestyle Accessoires entwickeln, verwundert es nicht, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes und des Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetzes eine Effektivierung des Qualzuchtverbots anstrebt. Der Gesetzesentwurf aus der Feder des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurde kürzlich dem Bundesrat zugeleitet (BR-Drs. 256/24). Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist noch in diesem Jahr geplant. Ausgangspunkt des Qualzuchtverbots ist dabei § 11b I TierSchG, der es schon heute verbietet, Tiere so zu züchten oder zu verändern, dass es zu zucht- oder veränderungsbedingten Schmerzen, Leiden oder Schäden bei der Folgegeneration kommt. Auf Grundlage dieses Paragrafens wurde in der Vergangenheit bereits die Zucht bestimmter Nackthunde und -katzen verboten. Überdies kann nicht nur fehlendes Fell, sondern auch eine Haarpracht im Mozartstil zu einem Zuchtverbot führen, wie sich an der Haubenente zeigt.

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  • Die Informationsfreiheit – Leipzig schwerelos

    Geschäftsführender Direktor des Instituts wida und LfDI BW a.D., Dr. Stefan Brink, Berlin

    15/2024

    „Dann hebt er ab und völlig losgelöst, von der Erde, schwebt das Raumschiff völlig schwerelos“ − man muss kein Fan unserer Bundes-Fußballmannschaft sein, um frei schwebende Helden à la Major Tom erleben zu dürfen. Fast mutet es so an, als habe sich der 6. Senat des BVerwG in seiner jüngsten Entscheidung zur Informationsfreiheit davon inspirieren lassen.

    Worum geht es? Der 6. Senat des BVerwG hat in Sachen Informationsfreiheit Folgendes entschieden: Das Bürgerrecht auf Zugang zu amtlichen Informationen, gut verankert in Art. 5 I GG, wird ohne gesetzliche Grundlage unter den Vorbehalt gestellt, sich der Verwaltung gegenüber mit Namen und Wohnort identifizieren zu müssen. Der 6. Senat formuliert dabei Leitsätze, die dem einschlägigen Gesetz fremd sind: „Das IFG setzt voraus, dass die Behörde Kenntnis von der Identität des Antrag-stellers hat. Anonyme Antragstellungen oder Anträge unter einem Pseudonym sind unzulässig.“ (Zur Kritik vgl. Schoch, NVwZ 2024, 1172). Damit erschwert der Senat die Nutzung des Freiheitsrechts über Plattformen wie „FragDenStaat“ erheblich. Gleichzeitig verkennt der Senat einschlägige Bestimmungen wie § 1 II IFG: Nicht die Verwaltung bestimmt im Bereich der Informationsfreiheit die Kommunikationswege, sondern die Bürger. Aber wenn es schon nicht im Gesetz steht, dann beruft sich der Senat eben auf die Gesetzesbegründung, die „erkennen lässt, dass der Gesetzgeber von einer Pflicht zur Offenlegung der Identität des Antragstellers ausgegangen ist“ – soso. Verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebote werden dabei ebenso beiseite gewischt wie offensichtliche Vorlagepflichten zum EuGH aus Art. 267 AEUV – zwar sei alles komplex, es drohe gar die „Gefahr einer 'Verrechtlichungsfalle'“, aber es sei zugleich auch alles so klar, dass man den gesetzlichen Richter EuGH nicht bemühen müsse.

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  • Gute Nachrichten für die Natur: Nature Restoration Law

    JProf. Dr. Jacqueline Lorenzen, Argelander-Professur für das Recht der Nachhaltigkeit und ökologischen Transformation, Universität Bonn

    14/2024

    Trotz der Kenntnis um die Bedeutung gesunder Ökosysteme bietet ihr tatsächlicher Zustand Grund zur Sorge. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahr 2020 befinden sich in Europa lediglich 23% der geschützten Tier- und Pflanzenarten und 16% der Lebensraumtypen in einem befriedigenden Erhaltungszustand, womit die EU ihre eigenen Biodiversitätsziele verfehlt hat. Dies soll sich in Zukunft ändern, wozu nicht nur die im Rahmen des European Green Deal ausgearbeitete EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, sondern allen voran die im Sommer 2022 von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (das sog. „Nature Restoration Law“) beitragen soll. Nach langen und zähen Verhandlungen drohte die Verordnung trotz einer Ende 2023 im Trilog-Verfahren erzielten Einigung zu scheitern. Aufgrund der – in Art und Weise durchaus überraschenden – Zustimmung Österreichs passierte der Rechtsakt im Juni 2024 dann aber schließlich doch noch den Rat.

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  • Wehrpflicht reloaded – oder: Der Fragebogen

    Rechtsanwalt Dr. Matthias Wiemers, Berlin

    13/2024

    Bundesverteidungsminister Boris Pistorius will nun junge Männer verpflichten, einen Online-Fragebogen über ihr Wehrinteresse auszufüllen, während junge Frauen dies freiwillig tun können. Der Jurist fragt sich sofort, ob diese hinsichtlich ihrer Pflichtigkeit geschlechterdifferente Befragung sozusagen ein wesensgleiches Minus zur Wehrpflicht darstellt. Bleibt man im Bild aus dem Zivilrecht, so müsste der erfolgreich ausgefüllte Fragebogen irgendwann nicht zum Vollrecht, sondern zur „Vollpflicht“ erstarken.

    Seit Jahren wird über das Thema der Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert – zunächst mit dem Fokus auf einem Pflichtjahr (vgl. schon Wiemers/Petri RuP 2011, 221), in jüngster Zeit eher im Hinblick auf die „Kriegstüchtigkeit“ der Deutschen. Erstaunlich war der jüngste CDU-Bundesparteitag, der mit großer Mehrheit die schrittweise Rücknahme der Aussetzung der Wehrpflicht beschloss. Dabei will die CDU auch Frauen in die Pflicht mit einbeziehen, was auch Unionsfrauen nicht vollständig zu passen scheint. Indes: Die „Aussetzung“ erfolgte 2011 nicht zuletzt aufgrund einer seit langem nicht mehr gewährleisteten Wehrgerechtigkeit. Für die Verpflichtung von Frauen müsste zudem ausdrücklich das GG geändert werden. Und würde es geändert, wäre das Problem der Wehrgerechtigkeit tendenziell eher verschärft.

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  • Neues Staatsangehörigkeitsrecht mit handwerklichen Mängeln

    Rechtsanwalt Prof. (Yeditepe Univ. Istanbul) Dr. Rolf Gutmann, Schorndorf

    12/2024

    Editorial 18-2023Mit dem am 24.6.2024 in Kraft tretenden Staatsangehörigkeits-Modernisierungsgesetz (s. dazu Geerdes NVwZ 2024, 711) hat die Ampel nach eigener Einschätzung mit der Verkürzung der Aufenthaltszeiten, die Voraussetzungen für eine Einbürgerung sind, sowie der Hinnahme mehrfacher Staatsangehörigkeit eine Anpassung an internationale Standards vorgenommen. Eine Einbürgerung nach fünf Jahren (und in Ausnahmefällen besonderer Integrationsleistungen unter Voraussetzung von Sprachkenntnissen auf dem Niveau C1, das nicht jeder Abiturient erreicht, nach drei Jahren) führt nicht zur Beschleunigung, weil die behördliche Überlastung mit einer regelmäßigen Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren wohl nicht verkürzt werden wird. Mit ihrer Kritik haben die Oppositionsparteien deshalb viel Lärm um nichts entfaltet und die Neuregelung nur zum Selbstzweck angegriffen. Die Hinnahme von Mehrstaatigkeit hätte eine beträchtliche Entlastung der Behörden darstellen und zur Verfahrensbeschleunigung beitragen können. Der bisherige Zwang zur Entlassung aus der Staatsangehörigkeit führte zur mehrfachen Prüfung der Voraussetzungen der Einbürgerung, die sowohl bei der Erteilung einer Zusicherung zur Einbürgerung nach Entlassung erforderlich war als auch im Zeitpunkt der Entlassung selbst. Dazu gehören neben der erneuten Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts auch erneute Nachfragen bei Sicherheitsbehörden, die eigentlich andere Aufgaben haben. Einer Verfahrensvereinfachung wird indes dadurch entgegen gewirkt, dass das Gesetz an verschiedenen Stellen handwerklich schlecht gemacht ist. So wird im neuen § 10 I StAG für die Einbürgerung eine Klärung der bisherigen Staatsangehörigkeit vorausgesetzt, obwohl die Einbürgerung ohne Entlassung aus der Staatsangehörigkeit erfolgen soll. Sinn und Zweck dieses Relikts aus dem bisherigen Text sind nicht erkennbar und unbegründet. Aber ist eine Abweichung vom Gesetzestext mit der Annahme eines gesetzgeberischen Versehens hier zulässig?

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  • Neue Türme für Frankfurt am Main

    Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer, LL.M. (Illinois), Frankfurt a. M.

    11/2024

    „Hochhäuser sind cool!‘ Wer dieser Meinung ist, findet in Frankfurt a. M. sein Glück. Dort stehen die höchsten Türme des Landes. Von 19 deutschen Wolkenkratzern, die über 150 m hoch sind, befinden sich 18 in der Main-Metropole. Damit die Stadt auch in Zukunft „Mainhattan“ bleibt, hat ihr Magistrat ein Update des Hochhausentwicklungsplans auf den Weg gebracht („HEP 2024“). So sehr die Stadt in den letzten 30 Jahren vom Hochhausboom profitiert hat, war die Geburt der neuerlichen Fortschreibung doch schwierig. Erst 2023 nahmen konzeptionelle Überlegungen richtig Fahrt auf, die jetzt auch eine politische Mehrheit fanden. Der HEP 2024 weist insgesamt 14 Hochhausstandorte in zwei Clustern aus. Neu ist, dass es sich bei 4 Angeboten um Aufstockungen handelt, womit graue Energie erhalten werden soll. 

    Schlüssel zum Erfolg ist das Narrativ der „Hochhaus-Promenade“. Der Blick auf die Hochhäuser aus der Perspektive eines Fußgängers im Park ist ein Paradigmenwechsel. Dahinter steckt das Ziel, dass neue Wolkenkratzer zwei Vorderseiten haben sollen, indem sie sich nicht nur zum Bankenviertel, sondern auch zur Wallanlage als dem „Frankfurter Central Park“ öffnen. Diese bestechende Idee eröffnet erstmals die Chance, einen vertikalen Nutzungsmix zu schaffen: In einem Gebäude könnte künftig am Park gewohnt und im Bankenviertel gearbeitet werden. Damit wäre das Homeoffice 2.0 erfunden und die Stadt der ganz kurzen Wege.

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  • 75 Jahre Grundgesetz

    Präsident des BVerfG Professor Dr. Stephan Harbarth, Karlsruhe

    10/2024

    Der 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 ist ein Anlass zur Freude. Das Grundgesetz mit der Garantie der Menschenwürde und den Grundrechten an seiner Spitze hat sich als einzigartiger Glücksfall in der Geschichte unseres Landes erwiesen. Es hat über das letzte Dreivierteljahrhundert einen klugen Ordnungsrahmen für unser Gemeinwesen etabliert und sich stets als eine zukunftsoffene Verfassung erwiesen. Dabei hat es sowohl die europäische Integration als auch die Deutsche Einheit ermöglicht und begleitet und so zu einer langanhaltenden Periode des Friedens und der wirtschaftlichen Prosperität beigetragen. Erst recht gemessen an der überlieferten Einschätzung Carlo Schmids, der Parlamentarische Rat habe lediglich einen „Bauriss für einen Notbau“ errichtet, steht das Haus des Grundgesetzes heute stabil.

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  • Klimaschutz durch den EGMR?

    Rechtsanwalt Professor Dr. Ludger Giesberts, LL.M.(LSE), Köln

    09/2024

    Das Urteil des EGMR vom 9.4.2024 (53600/20) schlägt hohe Wellen: „Historisches Urteil“, „Sensation von Straßburg“ und „Klimaschutz ist Menschenrecht“ sind nur einige Reaktionen. Worum geht es?

    Geklagt hat der Verein „Klimaseniorinnen Schweiz“ nebst vier Mitgliedern, die Schweiz zu verpflichten weitere Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5° C zu ergreifen. Überraschenderweise hat nur der Verein, nicht aber die dem Verein angehörigen Mitglieder, obsiegt. Den Mitgliedern fehle der hier als Beschwerdebefugnis bezeichnete „Opferstatus“. Einen durch den Klimawandel bedingten kritischen Gesundheitszustand hätten die Mitglieder nicht nachweisen können. Die Klagen portugiesischer Jugendlicher und eines französischen Politikers scheiterten dagegen bereits an der Zulässigkeit. Bemerkenswerterweise spielte der Gesundheitszustand der Mitglieder hinsichtlich der Beschwerdebefugnis des sie vertretenden Vereins keine Rolle. Hier stand wohl – und dies ist zu kritisieren – das Ergebnis, dem Verein Klagerechte zu verleihen, im Vordergrund. Vereine seien nur beschwerdebefugt, weil sie die notwendigen organisatorischen und finanziellen Ressourcen besitzen, um in den komplexen klimabedingten Sachverhalten Rechtsstreitigkeiten führen zu können. Um zu verhindern, dass jeder Verein Klagen kann, müssen drei Anforderungen (rechtmäßiger Sitz, satzungsmäßiger Zweck: Klimaschutz; Repräsentativität) erfüllt sein. Eine Vorfrage war, ob im Ausland emittierte Emissionen, die bei der Produktion von Gütern anfallen, die durch die Schweiz importiert werden, der Schweiz als sogenannte „eingebettete Emissionen“ zuzurechnen seien. Der EGMR bejaht das. Sollte dieser Gedanke richtig sein, was durchaus zu bezweifeln ist, dürfte das erhebliche Auswirkungen haben. Es könnte eine Verantwortlichkeit von Staaten für Emissionen durch bloße Nachfrage nach Import-Produkten aus anderen Ländern durch die Bürger dieser Importstaaten begründet werden. In der weiteren Prüfung geht es vor allem um eine Verletzung von Art. 8 EMRK. Dieses Menschenrecht schützt ua das Privat- und Familienleben von Personen. Mangels gesonderter Regelungen zu Gunsten des Umweltschutzes in der EMRK (anders in der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG) statuiert der EGMR, weit über den Wortlaut des Art. 8 EMRK hinaus, die positive Pflicht zum Erlass von legislativen und administrativen Maßnahmen für einen effektiven Schutz von Gesundheit und Leben der Menschen. Statt auf eine normative Herleitung wird auf verfahrensökonomische, letztlich abstrakte rechtspolitische Erwägungen abgestellt. Auch hier dürfte das Ergebnis das Ziel der Auslegung gewesen sein. Der EGMR hält zudem zu staatlichen Schutzpflichten fest: Er differenziert zwei Ermessensebenen, nämlich Ebene 1 „Festlegung von Staatszielen“ und Ebene 2 die „Wahl der Mittel“. Der EGMR macht deutlich, dass beim „Ob“ von Staatszielen im Bereich des Klimaschutzes praktisch kein Ermessen verbleibt. Als Ziel wird dabei die Klimaneutralität bis 2050 gesetzt. Darin klingt an, was auch das BVerfG in seinem Klimabeschluss vom 24.3.2021 (NVwZ 2021, 951) schon anführt: Der Klimawandel sei für künftige Generationen unumkehrbar. Deshalb müsse jetzt gehandelt werden. Schließlich ist noch auf die von deutschen Gerichten bereits mehrfach aufgeworfene Frage einzugehen, ob und inwiefern ein Gericht „zuständig“ ist für von den hier adressierten Fragen des Klimaschutzes, die rechtlich nicht geregelt sind. Deutsche Gerichte haben bislang die klare Tendenz, die Legislative als das dafür kompetente Organ im Verfassungsstaat anzusehen. Gerichte seien dafür mangels normativer Maßgaben nicht die verfassungsrechtlich aufgerufenen Organe. 

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  • Das „OZG 2.0“ – Lost in federation

    Ltd. Städt. Direktor Dr. Florian Schröder, Einbeck

    8/2024

    Nachdem das „Gesetz zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften zur Digitalisierung der Verwaltung (OZG-Änderungsgesetz)“ bzw. „OZG 2.0“ nach langer Vorbereitung und kritischer Fachdiskussion (s. etwa Schröder, ZRP 2022, 256 ff. und die Editoriale der NVwZ-Ausgaben 17/2022 und 3/2023) im Februar endlich vom Bundestag beschlossen wurde, hat es bei der jüngsten Sitzung des Bundesrats die Höchststrafe erlitten: Das zustimmungsbedürftige Gesetz erhielt weder die notwendige Mehrheit in der Länderkammer, noch wurde es in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Damit liegt der Entwurf einstweilen im verfassungsrechtlichen Nirwana. Bundestag oder Bundesregierung können nunmehr den Vermittlungsausschuss anrufen, dass man dort in absehbarer Zeit zu einer vermittelnden Lösung zwischen Bund und Ländern kommen könnte, erscheint angesichts verhärteter Fronten allerdings recht optimistisch.

    Was sind die wesentlichen Streitpunkte

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  • Bau-Turbo oder Blame Game?

    Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer, LL.M. (Illinois), Frankfurt a.M.

    7/2024

    Wie schön, dass es für die gebeutelte Bauwirtschaft bald eine Trendwende geben wird, denkt man beim Lesen der frohen Botschaft, dass jetzt der Bau-Turbo kommt. Hierzu soll die im Maßnahmenpaket des Wohngipfels vom September 2023 gemachte Ankündigung der Bundesregierung umgesetzt werden, eine befristete Sonderregelung in das BauGB aufzunehmen, um den Wohnungsbau in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten anzukurbeln. Nach dem Gesetzentwurf können dort künftig Gebäude mit mindestens sechs Wohneinheiten in allen Baugebieten zugelassen werden, „wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist“. Der Vorschlag ist an die bestehende Sonderregelung für Flüchtlingsunterkünfte angelehnt (§ 246 XIV BauGB) und klingt bestechend einfach.

    Bei genauem Hinschauen zeigt sich indes, dass die Welt des Bauens doch nicht so banal ist, wie der Gesetzentwurf es suggeriert. Vielmehr ist absehbar, dass der angekündigte Bau-Turbo nicht funktionieren, sondern wohl eher als Rohrkrepierer enden wird. Die Gründe liegen auf der Hand, und man muss kein Stadtplaner sein, um das Offensichtliche zu erkennen:

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  • Es grünt so grün…

    Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Manuela Niehaus, Universität Speyer

    6/2024

    „Wann Bubatz legal?“ wurde Bundeskanzler Olaf Scholz im ARD-Sommerinterview 2022 gefragt. Der Fragesteller dürfte entsprechend erfreut auf den Beschluss des Bundestags zum Cannabisgesetz (CanG) reagiert haben. Ab dem 1. April sollen Besitz und Konsum von Cannabis teilweise erlaubt und damit die erste Säule der Legalisierung – der private und gemeinschaftliche, nicht-gewinnorientierte Eigenanbau – umgesetzt werden. Volljährige Privatpersonen dürfen dann 25 Gramm Cannabis mit sich führen, am eigenen Wohnort bis zu drei Cannabispflanzen anbauen und insgesamt 50 Gramm getrocknetes Cannabis aufbewahren. Die beabsichtigte zweite Säule sieht die Etablierung regionaler Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor.

    Mit dem CanG gesteht die Ampel ein, was Experten schon lange klar ist: die restriktive Drogenpolitik ist gescheitert. Cannabis ist das meistgehandelte Betäubungsmittel, sein Anteil an den Rauschgift-Handelsdelikten lag 2022 bei 60,2%. Die bisherigen Regelungen zur Straflosigkeit von Konsum, aber nicht Besitz der Droge und die bürokratischen Hürden, die mit der Erzeugung und dem Vertrieb von Medizinalcannabis einhergingen, haben nicht nur viele Kapazitäten gebunden, sondern ferner zu einem florierenden Schwarzmarkt beigetragen, auf dem auch verunreinigtes Cannabis gehandelt wird. Diesen Schwarzmarkt – und damit verbundene mögliche Gesundheitsgefahren gerade für junge Erwachsene – soll das CanG austrocken. Um Kinder und Jugendliche aber weiterhin zu schützen, sollen Präventionsangebote verstärkt und der Mindeststrafrahmen für die Abgabe der Droge an Minderjährige angehoben werden.

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  • Ein Rahmen für die Klimaanpassung

    Juniorprofessorin Dr. Jacqueline Lorenzen, Argelander-Professur für das Recht der Nachhaltigkeit und ökologischen Transformation, Universität Bonn

    5/2024

    Die Folgen des Klimawandels, wie zunehmende Hitzewellen, andauernde Trockenperioden und vermehrte Starkregenereignisse, sind mittlerweile auch in Deutschland immer deutlicher zu spüren und zeitigen erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Während der Fokus der deutschen Klimapolitik und -gesetzgebung – insbesondere in Gestalt des BundesKlimaschutzgesetzes (KSG) – zunächst auf dem Klimaschutz lag, wird das Bewusstsein drängender, dass es im Umgang mit dem Klimawandel nicht allein um die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, sondern ebenso darum gehen muss, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen und die Resilienz von Gesellschaft, Wirtschaft und natürlichen Ökosystemen gegenüber Klimaveränderungen zu stärken. Dass der deutsche Staat zur Ergreifung von Anpassungsmaßnahmen sogar verfassungsrechtlich verpflichtet ist, um seinen grundrechtlichen Schutzpflichten zu genügen, machte das BVerfG (NVwZ 2021, 951) in seinem Klimabeschluss (2021) deutlich.

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