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NVwZ Editorial

Über Schulden

Professor Dr. Rainer Wernsmann, Universität Passau

7/2025

Der Bundestag hat – verfassungsrechtlich voll legitimiert (Art. 39 I 2, II GG) – mit der nötigen 2/3-Mehrheit am 18.3.2025 eine Verfassungsänderung von enormer Bedeutung beschlossen, nämlich eine weitreichende Reform der sog. Schuldenbremse (Art. 109 III, 115 II, 143h GG); der Bundesrat hat am 21.3.2025 mit der erforderlichen 2/3-Mehrheit (Art. 79 II GG) zugestimmt.


Im Kern geht es um drei Änderungen des Funktionsmechanismus der sog. Schuldenbremse, die als Durchgriffsnorm unmittelbar sowohl für Bund als auch für Länder gilt: (1) Ausgaben für Verteidigung und einige andere sicherheitsrelevante Ausgaben werden oberhalb eines Werts von 1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland, von der Begrenzung der Nettoneuverschuldung ausgenommen; (2) die Länder, die sich außerhalb der Sondertatbestände (außergewöhnliche Notsituationen, Konjunktur-Schwankungen) bisher gar nicht verschulden durften, dürfen sich insgesamt künftig wie der Bund ebenfalls mit bis zu 0,35 % des gesamtdeutschen BIP verschulden; (3) ein Sondervermögen mit einer Laufzeit von 12 Jahren wird eingerichtet, aus dem bestimmte zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden sollen und für das die sog. Schuldenbremse nicht gilt. 

Die Gründe, die im Jahr 2009 – mitten in der europaweiten Finanz- und Staatsschuldenkrise – für die Einführung der Schuldenbremse sprachen, gelten zwar unverändert fort: Zinsaufwendungen für die in Anspruch genommenen Kredite verengen die Handlungsspielräume des Haushaltsgesetzgebers (diese beliefen sich im Jahr 2024 beim Bund schon auf gut 37 Mrd. EUR bei einem gesamten Haushaltsvolumen in Höhe von 476 Mrd. EUR); Zinsen (auch für Private) steigen, je höher sich die Staaten verschulden; die Inflationsgefahr steigt; ein höheres Zinsniveau kann andere Mitgliedstaaten der EU mit deutlichen höheren Schuldenständen in Finanzierungsengpässe bringen; die Generationengerechtigkeit ist gefährdet, wenn Wohltaten in der Gegenwart von anderen in der Zukunft bezahlt werden müssen, soweit nicht der Nutzen fortwirkt (zB bei langfristig wirksamen Investitionen).

Die Abwägung zwischen den von neuen Schulden ausgehenden Gefahren einerseits und den Anliegen, die mit ihnen finanziert werden sollen, fällt heute aber anders aus als im Jahr 2009: Insbesondere muss der Staat derzeit auf die neuen Entwicklungen im Bereich der äußeren Sicherheit reagieren können. Zudem sollen sich künftig auch die Länder ohne besondere Begründung in dem Ausmaß verschulden dürfen wie der Bund, nämlich in Höhe von 0,35 % des BIP. Und das Sondervermögen, das – nach dem Vorbild des schon im Jahr 2022 geschaffenen Sondervermögens für die Bundeswehr (Art. 87a Ia GG) – punktuell und zeitlich begrenzt von der Schuldenbremse freigestellt ist, soll als dringlich erachteten Investitionen dienen.

Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers erweitert. Die Frage nach der „richtigen“ Dosis der Neuverschuldung wird künftig stärker politischer und weniger (verfassungs-)rechtlicher Natur sein. Der Bundestag bleibt aufgerufen, die richtige Mitte zu finden bei der Austarierung der Steuereinnahmen, der Ausgaben sowie des kreditfinanzierten Defizits.


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