Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer, LL.M. (Illinois), Frankfurt a. M.
15/2025

Der am 18.6.2025 vom Bundeskabinett beschlossene Wohnungsbauturbo soll diesen Herbst im Rahmen des „Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ (BT-Drs. 21/781) in Kraft treten. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Fest steht auch, dass die Turboklausel polarisiert, weil sie zugunsten des Wohnungsbaus weitreichende Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Vorgaben als Sonderregelung zulässt, die bis zum 31.12.2030 befristet ist. Es gibt glühende Fans, aber auch überzeugte Gegner des neuen § 246e BauGB-E. Die Argumente Für und Wider sind ausgetauscht – und bald Schnee von gestern. Jetzt geht es darum, was die Praktiker vor Ort daraus machen. Klar ist, dass der Turbo ohne Zustimmung der Gemeinde nicht zünden kann, während mit kommunaler Zustimmung viele Hindernisse aus dem Bereich des Städtebaurechts überwunden werden können. Bei dieser Entscheidung helfen gesunder Menschenverstand und ein verantwortlicher Umgang mit den neuen Möglichkeiten. Hier kommen drei Thesen, welche Auswirkungen die Turboklausel in der Praxis haben wird:
Erste These: Der Turbo ist kein Wundermittel, das die Wohnungsnot in den Metropolregionen schnell beseitigt. Strenggenommen ist schon der Begriff „Wohnungsbauturbo“ missverständlich, denn die Sonderregel enthält keine Bauverpflichtung. Damit bleibt offen, ob die auf dieser Grundlage genehmigten Wohnungen tatsächlich gebaut werden. Eigentlich müsste die Vorschrift „Wohnungsgenehmigungsturbo“ heißen. An Baugenehmigungen für Wohnraum besteht aber kein Mangel. Allein der „Bauüberhang“, also die Zahl der behördlich genehmigten Wohnungen mit deren Errichtung nicht begonnen wurde, liegt derzeit bei über 750.000 Einheiten.
Zweite These: Es gibt Großstadtlagen mit alten, restriktiven Bebauungsplänen in denen es zur Nachverdichtung mehr bedarf als klassischer Befreiungen (§ 31 II BauGB). Hier kann ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Turbo für mehr Genehmigungen sorgen. In den meisten Fällen wird dazu aber schon der „nachgebesserte“ § 31 III BauGB-E ausreichen. Im unbeplanten Innenbereich hilft der neue § 34 III b BauGB-E, der für Wohngebäude Abweichungen vom Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung zulässt.
Dritte These: Hauptanwendungsbereich für die Turboregel werden in der Praxis Wohnbauvorhaben im Außenbereich sein. Es wird dabei aber nicht um Trabantensiedlungen auf der grünen Wiese im Stil der 1960/70er Jahre gehen. Solche hochumstrittenen Großprojekte wird sich keine Kommune ohne Bauleitplanung zutrauen. Doch Gemeinden im ländlichen Raum könnten beim Anblick des Turbos sinnlich werden, wenn es um die Zulassung von Einfamilienhaus-Siedlungen am Ortsrand geht. In peripheren Lagen hat § 246e BauGB-E das Potential, der neue § 13b BauGB zu werden, den das BVerwG erst 2023 für europarechtswidrig erklärt hatte (NVwZ 2023, 1652 m. Anm. Schröer/Kümmel NVwZ 2023, 1654).
Das Ende der Geschichte ist schnell erzählt: Der Bauturbo wird sich vom Acker machen wie ein Dieb in der Nacht, wenn die Morgendämmerung aufzieht. Sein Dasein wird spätestens im Jahr 2030 enden, wenn die Befristung ausläuft oder auch schon früher, falls der 4. Senat des BVerwG ihm wegen Verstoß gegen die europäische SUP-Richtlinie den Stecker zieht.
