Professor Dr. Friedrich Schoch, Freiburg i. Br.
11/2025
Als im Zuge der Sondierungsgespräche von CDU/CSU und SPD zur Bildung einer Regierungskoalition im Bund aus den Verhandlungen der AG 9 publik wurde, dass die Unionsseite die Absicht verfolgen könnte, das IFG abzuschaffen, war die öffentliche Aufmerksamkeit groß (Überblick zu Protesten in FAZ Nr. 75 vom 29.3.2025 S. 16). Eingeschaltet in die Debatte hat sich auch die BfDI, die nicht weniger, sondern mehr Informationsfreiheit und Transparenz forderte (PM 2/2025). Die Kritik an den seinerzeitigen Plänen von CDU/CSU mag von Medienvertretern (mit)getragen gewesen sein (dazu Rossi NJW-aktuell 16/2025, 3: Entrüstung ist nicht objektiv), unzutreffend in der Sache wird die Kritik dadurch nicht.
Politisch und rechtlich irritierend ist eine gewisse intellektuelle Unredlichkeit, die die Abschaffung des IFG „in der bisherigen Form“ (AG 9 Sondierungspapier Zeile 113) als „Stärkung der repräsentativen Demokratie“ propagiert. Dabei hatte das BVerwG bereits in Urteilen vom 3.11.2011 erkannt, dass sich die parlamentarische Kontrolle der Regierung seitens des Parlaments (de facto: seitens der parlamentarischen Opposition) und die Öffentlichkeitskontrolle via IFG ergänzen. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode heißt es nun unter dem Topos „Stärkung der repräsentativen Demokratie“ (Zeilen 1894 bis 1896): „Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung reformieren“. Von IFG „abschaffen“ ist keine Rede mehr. Doch was ist das Ziel der „Reform“? Was heißt „Mehrwert“?
In der vergangenen Legislaturperiode kam das im Koalitionsvertrag 2021 vereinbarte Transparenzgesetz des Bundes (TranspG) nicht zustande. Teile des BMI hatten an einem solchen Gesetz wenig Interesse, noch geringer war dem Vernehmen nach die Begeisterung im Bundeskanzleramt.Dabei waren die Vorarbeiten für ein TranspG im BMI weit fortgeschritten. Verpasst wurde der Reformschritt, amtliche Informationen der Öffentlichkeit von Amts wegen zugänglich zu machen, während der Informationszugang auf Antrag bei nicht publik gemachten (und nicht schützenswerten) amtlichen Informationen nur noch ergänzend hinzutritt. Für den Landesbereich ist dieses Konzept in Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen verwirklicht. Gesetzesevaluierungen zu Hamburg und Rheinland-Pfalz zeigen, dass die Funktionsfähigkeit der Verwaltung durch ein TranspG nicht gefährdet ist.
Zur Stärkung der Informationsfreiheit im öffentlichen Sektor und zur Entlastung der Verwaltung wäre ein TranspG auf Bundesebene zielführend, erübrigten sich doch etliche individuelle Anfragenauf Informationszugang (Dix ZGI 2025, 41, 42). Auf ein TranspG haben sich CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag jedoch nicht verständigt. Mit einem TranspG-RegE dürfte kaum zu rechnen sein. Schon das IFG war 2005 kein Anliegen der damaligen Bundesregierung. Das IFG basiert auf einer Initiative „aus der Mitte des Bundestages“ (Art. 76 I GG). Ein solches Vorgehen wäre auch bei einem TranspG möglich. Dass sich der Bundestag einen solch innovativen Akt vornehmen wird, kann bezweifelt werden. Zwar ließe sich der im BMI erarbeitete TranspG-E reaktivieren, doch gibt es keine Anzeichen dafür, dass ein von der CSU geführtes BMI eine entsprechende Initiative ergreifen wird. Einstweilen bleibt es beim IFG. Sobald die avisierte „Reform“ des IFG in Angriff genommen wird, um einen „Mehrwert“ zu schaffen, sollten Fachöffentlichkeit und Medienöffentlichkeit wachsam sein und das Procedere kritisch begleiten. Denn ein Rückschritt in Sachen Verwaltungstransparenz ist nicht ausgeschlossen.
