Professor Dr. Sabine Schlacke, Universität Greifswald
10/2025
Hat der Koalitionsvertrag den Klimaschutz vergessen? Die Präambel legt eine Bejahung der Frage nahe, da sie den Begriff nicht nennt. Indes trügt der Eindruck: Der Vertrag verwendet das Wort „Klima“ 80 mal; Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit sollen zusammen entwickelt werden. Das dürfte ein in der Gesellschaft akzeptanzfördernder Ansatz sein. Die übergreifenden klimaschützenden Regelwerke werden nicht in Frage gestellt: Der Vertrag bekennt sich explizit zu den Klimaschutzzielen. Selbst das noch nicht festgelegte EU-Klima-Zwischenziel für 2040 (Kommissionsvorschlag -90 % THG-Emissionen ggü. 1990), wird grds. unterstützt (Z. 907 ff.). Das ist nicht nur klimapolitisch gut, sondern auch gesamtwirtschaftlich von Vorteil: Unternehmen können weiter vertrauen, dass Deutschland den unionsrechtlich gesetzten Rahmen mit einem Emissionshandel als neuem Leitinstrument durchführen wird. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft soll neben Technologieoffenheit gefördert werden; Letzteres muss nicht notwendig schädlich fürs Klima sein.
Die Bundesregierung gewährleistet auch in Teilbereichen Investitions-, Planungs- und Rechtssicherheit durch Beibehaltung des geltenden Rechts: Zwar soll das „Heizungsgesetz“ abgeschafft werden (Z. 754): Gemeint ist wohl § 71 GEG, da das GEG insgesamt nicht in Frage gestellt wird (Z. 754 ff.). Hinsichtlich des Ausbaus der Windenergie an Land wird an den Flächenzielen des WindBG festgehalten. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass die Länder bereits auf gutem Weg sind, die Zwischenziele vor Ende 2027 zu erfüllen (vgl. Schlacke/Plate/Thierjung NVwZ 2025, 441). Die beabsichtigte Stärkung von Doppel- und Mehrfachnutzung von Flächen (Z. 1250) ist ebenfalls zu begrüßen, weil die Flächennutzungskonflikte zunehmen. Ein systemdienlicher Ausbau von Solarenergie (Z. 1024) ist allerdings nur gut, wenn er nicht gestoppt wird, weil der Netzausbau nicht hinterherkommt.
Das Planungs- und Genehmigungsrecht soll auch für EE-Anlagen (Z. 970 ff.) weiter beschleunigt werden. Hier ist Vorsicht geboten: Oster- und Sommerpakete 2022, EU-Notfall-VO sowie die noch ausstehende Umsetzung der EU-RED III adressieren das Thema bereits. Wichtig ist jetzt, den Behörden eine Atempause zu gönnen, die jüngsten Rechtsänderungen zu verarbeiten.
Der natürliche Klimaschutz, der auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der Ziele der EU-Wiederherstellungs-VO steht, wird indes unzureichend adressiert. Zwar soll z.B. die Moorschutzstrategie des Bundes weiterverfolgt werden (Z. 1242 ff.). Um CO2-Emissionen aus trockengelegten Mooren zu verhindern, bedarf es aber nicht nur finanzieller Förderung, sondern einer Neujustierung des Planungs- und Zulassungsrechts, vor allem des WHG, um Vorhaben des natürlichen Klimaschutzes beschleunigt umzusetzen.
Klima- und Naturschutz wie früher im Umweltministerium zusammenzuführen, birgt die Hoffnung, dass Naturschutzbelange – vor allem iSd natürlichen Klimaschutzes – gleichgewichtig mit Klimaschutz verfolgt werden. Eine Rückholung der internationalen Klimapolitik in das Ministerium muss nicht heißen, dass das Außenministerium keine Klimaaußenpolitik mehr betreibt.
Kurzum: Der Koalitionsvertrag stellt die Weichen für den Klimaschutz nicht neu, sondern fährt auf der vorgezeichneten Strecke fort. Erforderliche Innovationen und Kurskorrekturen für die Zielerreichung müssen deshalb nicht ausbleiben, denn ein Koalitionsvertrag ist zum Glück kein bindendes Gesetz.
