Professor Dr. Matthias Friehe, EBS Universität, Oestrich-Winkel
6/2025

Früher galt eine hohe Wahlbeteiligung als entscheidend dafür, extremistische Parteien
klein zu halten. Mit 82,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung 2025 aber so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Zugleich profitierte hiervon vor allem die AfD, denn der weit überwiegende Teil bisheriger Nichtwähler hat sich nach Analysen von infratest dimap bei der Bundestagswahl für die Rechtsaußenpartei entschieden. Bei der Bundestagswahl ist also ein Mehr an demokratischer Legitimation mit einem Weniger an demokratischer Mitte einhergegangen. Diese Entwicklung kann nicht überraschen. Befragungen zur Demokratiezufriedenheit ergeben, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die Demokratie für eine gute Regierungsform hält – aber immer weniger Menschen mit dem konkreten Funktionieren der Demokratie zufrieden sind. Diese Unzufriedenheit hat wenig damit zu tun, wie im Detail bestimmte Prozesse im Grundgesetz ausgestaltet sind oder im politischen Alltag gelebt werden. Experimente wie der geloste Bürgerrat zu Ernährungsfragen sind daher keine Lösung.
Vielmehr machen Wähler ihre Demokratiezufriedenheit oft daran fest, wie sie die politische Problemlösungskompetenz des politischen Systems einschätzen. Das mag eine harte, zumindest teilweise sogar unfaire Messlatte sein: Denn die Politik ist immer wieder mit Problemen konfrontiert, auf deren Lösung sie nur einen begrenzten Einfluss hat. So hatte der russische Überfall auf die Ukraine die Ampelkoalition vor Herausforderungen gestellt, für die sie nicht verantwortlich war, mit denen sie dennoch umgehen musste. Aber ein Lamento hierüber hilft nicht weiter. Denn in der Demokratie müssen sich nicht die Wähler vor den Politikern, sondern die Politiker vor den Wählern verantworten.
Der einzige Weg, die demokratische Mitte wieder zu stärken, besteht daher darin, dass die Politik konsequent diejenigen Probleme löst, die sie lösen kann. Das ist ihr aus Sicht zu vieler Wähler nicht gelungen. Die Themen innere Sicherheit und illegale Migration spielten dabei im Wahlkampf eine besondere Rolle. Trauriger Anlass waren der Anschlag eines Saudis auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, bei dem sechs Tote zu beklagen waren, der Messerangriff eines ausreisepflichtigen Afghanen in Aschaffenburg, der ein Kita-Kind und einen Passanten ermordete, und schließlich ein mutmaßlich islamistisch motivierter Anschlag in München, bei dem ein zweijähriges Kind und seine Mutter getötet wurden.
In dieser Situation hätte die demokratische Mitte Problemlösungskompetenz beweisen können: So muss der Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden grundlegend verbessert werden, um Gefährder schnell identifizieren zu können. Unumgänglich sind zudem Maßnahmen, welche die irreguläre Migration deutlich reduzieren. Denn im Zustand der Dauer-Überlastung von Ländern und Kommunen sind Prävention und erst recht Integration zum Scheitern verurteilt. Statt einem konkreten Maßnahmenpaket als Signal politischer Handlungsfähigkeit erlebten die Wähler Parteienstreit darüber, wer mit wem was beschließen darf – offenkundig zum Schaden der gesamten demokratischen Mitte. Wer es ehrlich meint mit der demokratischen Mitte, muss auch Lösungen aus dieser Mitte heraus ermöglichen – Demokraten, löst die Probleme!
