Prof. Dr. Christian Zwirner und Sebastian Schöffel
BFH Urt. v. 25.9.2024 – II R 15/21


Wenn ein Marktwert existiert, stellt der Substanzwert nicht die Untergrenze bei der Bewertung eines Anteils dar. Bezogen auf das BFH-Urteil: Der Wert von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft ist nicht auf den Substanzwert nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG begrenzt. So ist der Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts möglich, wenn sich dieser gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 BewG aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ergibt.
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Streitfall
Im vorliegenden Fall hatte der BFH zu entscheiden, ob § 11 Abs. 2 S. 3 BewG (Substanzwert) gegenüber § 11 Abs. 2 S. 2 BewG (gemeiner Wert aus Verkäufen unter fremden Dritten) nachrangig ist. Hintergrund war die Bewertung eines Anteils an einer Familienholding-GmbH, die im Rahmen eines Erbfalls erfolgte.
Die Klägerin gab den Wert ihrer Anteile in der Feststellungserklärung mit 400% des Nennwerts an und bezog sich auf vorangegangene Veräußerungen und Einziehungen von Anteilen zu diesem Wert. Nach Ansicht der Klägerin ergab sich der Wert somit aus Verkäufen unter fremden Dritten (§ 11 Abs. 2 S. 2 BewG).
Nachdem das Finanzamt den Wert der Anteile zunächst erklärungsgemäß festgestellt hatte, änderte es nach einer Konzernbetriebsprüfung den Feststellungsbescheid und setzte den Substanzwert als Mindestwert gemäß § 11 Abs. 2 S. 3 BewG fest.
Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Klage gegen die Festsetzung des Substanzwerts zurück, da die im konkreten Fall vorliegenden Veräußerungen nicht den „wahren“ Wert widerspiegeln, den fremde Dritte vereinbart hätten. Somit ist im vorliegenden Fall der Substanzwert anzusetzen.
Der BFH weist aber in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass ein zeitnah unter fremden Dritten vereinbarter Kaufpreis für Bewertungszwecke dazu führen kann, dass ein Wert unterhalb des Substanzwerts anzusetzen ist.
Im Ergebnis stellt der Substanzwert (§ 11 Abs. 2 S. 3 BewG) nur dann die Untergrenze des Werts eines Gesellschaftsanteils dar, wenn kein gemeiner Wert aus den Veräußerungen unter fremden Dritten zu Marktkonditionen (§ 11 Abs. 2 S. 2 BewG) existiert. Die Beurteilung, ob eine Veräußerung die Voraussetzungen einer Veräußerung unter fremden Dritten erfüllt, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls.
WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)
StB Sebastian Schöffel, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München
BC 3/2025
BC20250325