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Das Bundesverfassungsgericht, der MIS-Report und die Sache mit „Momo“

Christian Thurow

 

Das Bundesverfassungsgericht hat einem Eilantrag eines CDU-Abgeordneten stattgegeben und die Abstimmung über das Gebäudeenergiegesetz vor der Sommerpause untersagt. Im Kern geht es darum, dass den Abgeordneten des Deutschen Bundestags nicht ausreichend Zeit eingeräumt wurde, um den umfangreichen und komplexen Gesetzentwurf vor der Abstimmung lesen und evaluieren (prüfen) zu können. Ein Punkt, der auch in vielen Unternehmen regelmäßig für Spannungen sorgt.


 

Praxis-Info!

Gerade in mittleren und größeren Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Kontrollgremien und Meetings. Neben Aufsichtsrats- und Geschäftsführungsmeetings existieren häufig noch Risiko-Meetings, Vertriebsmeetings und eine Vielzahl anderer Zusammenkünfte, bei denen die eine oder andere Form eines Berichts des Management-Informations-Systems (MIS) begutachtet werden soll. Viele dieser Reports enthalten eine Reihe von Kennzahlen, Grafiken, historischen Zeitreihen etc. und erreichen nicht selten einen Umfang von 20 Seiten und mehr. Aufgrund des Zeitdrucks werden die MIS-Reports dabei teilweise erst kurz vor dem Meeting oder sogar während des Meetings als Tischvorlage verteilt. Dies ist aus mehreren Gründen problematisch:

  • Um die volle Aussagekraft des MIS-Reports zu würdigen, braucht es Zeit. Fehlt diese, so werden die Kennzahlen und Statistiken lediglich „zur Kenntnis“ genommen. Eine tatsächliche Kontrolle bzw. Unternehmenssteuerung findet nicht statt.
  • Das Kontrollgremium wird hierdurch zu einem „Abnickverein“ degradiert. Vom Protokoll her wurde der MIS-Report verteilt und besprochen. Haben die Teilnehmer aufgrund der knapp bemessenen Zeit dabei Fehlentwicklungen oder Warnhinweise übersehen, sind sie dennoch in der Verantwortung – sie hatten die Daten ja zur Verfügung, und es ist ihre Aufgabe, diese entsprechend auszuwerten. Dies gilt gerade für Aufsichtsräte in kleineren Aktiengesellschaften.
  • Nachfragen zu einzelnen Kennzahlen vor dem Meeting sind aufgrund der kurzen Zeitspanne nicht möglich, und während der Konferenz sind häufig nicht diejenigen Teilnehmenden dabei, die weitere Hintergrundinformationen zu den Details der einzelnen Kennzahlen beibringen könnten.

Neben der zu knapp bemessenen Frist zur Verteilung des MIS-Reports vor einem Meeting sind die Kontrollmeetings selbst häufig zeitlich zu kurz angesetzt, um die anstehende Agenda gründlich zu behandeln. Dies führt dazu, dass der hintere Teil der Agenda häufig im Schnelldurchlauf „besprochen“ wird, was wiederum der Kontrollfunktion zuwiderläuft.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lädt dazu ein, sich einmal die innerbetrieblichen Berichts- und Kontrollprozesse unter dem Zeitgesichtspunkt anzuschauen:

  • Werden MIS-Reports frühzeitig zur Verfügung gestellt?
  • Werden Kontrollmeetings rechtzeitig angesetzt und die Agenda frühzeitig bekannt gegeben?
  • Werden Kontroll-Meetings hinsichtlich des zeitlichen Umfangs ausreichend bemessen?
  • Stimmt die Reihenfolge der Meetings – z.B. die Spartenmeetings vor dem Gruppenmeeting –, sodass die Informationen und Beobachtungen entsprechend „nach oben“ fließen können?

In dem 1973 erschienenen Roman „Momo“ von Michael Ende sind die Antagonisten (Gegenspieler des „Helden“) die sog. „grauen Herren“ bzw. die „Agenten der Zeitsparkasse“, welche die Erwachsenen um ihre Zeit betrügen und sie daran hindern, voll im Hier und Jetzt zu leben. Ein Blick durch den eigenen Terminkalender zeigt rasch, dass diese „grauen Herren“ auch im Jahr 2023 noch sehr aktiv zu sein scheinen. Von daher ist es wichtig, sich im Kalender ausreichend Platzhalter zu reservieren, um Meeting-Vorlagen, MIS-Reports etc. aufmerksam studieren zu können. Andernfalls droht ein Hetzen von Meeting zu Meeting sowie ein passives Konsumieren der dargebotenen Informationen, ohne daraus die richtigen Schlüsse ziehen zu können.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 8/2023

BC2023803


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