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Finanzierungsschwierigkeiten im Mittelstand bei ESG-Defiziten

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Wesentliche Aspekte einer Studienpräsentation vom 22.6.2023 in München


Wird die aktuell anstehende Gesetzgebung im Bereich Nachhaltigkeit zu Finanzierungsschwierigkeiten im deutschen Mittelstand führen? Antworten auf diese Frage sollte eine Studie bringen, die im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. durchgeführt und am 22.6.2023 präsentiert wurde.

Im Ergebnis wurde der Appell abgeleitet, in KMU dringendst die Voraussetzungen für eine aussagefähige ESG-Berichterstattung zu schaffen, um Finanzierungsprobleme bis hin zur Insolvenz vermeiden zu können.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit der schrittweisen Ausweitung der EU-Gesetzgebung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung werden neben den Großunternehmen auch KMU bereits durch ihre Rolle als Zulieferer mittelbar immer weitreichendere Transparenz- und Berichtspflichten erfüllen müssen. Spätestens mit der beabsichtigten Ausweitung der Verpflichtungen auf KMU wird dies dann auch unmittelbare Effekte haben. Die damit einhergehenden finanzwirtschaftlichen Herausforderungen dürften KMU – nach der Auffassung des Studienautors Prof. Dr. Gunther Friedl (TU München) – jedoch bereits früher spüren: Insbesondere wird sich auswirken, dass es für Banken bis 2025 unattraktiver ist, Kredite an mittelständische Unternehmen zu vergeben. Denn Kredite an KMU werden bei der Berechnung der von Banken zu erfüllenden „Green Asset Ratio“ (GAR) nur im Gesamtvolumen berücksichtigt (GAR = nachhaltig finanziertes Geschäftsvolumen + nachhaltige Investitionen / Gesamtgeschäftsvolumen).  dass es für Banken bis 2025 unattraktiver ist, Kredite an mittelständische Unternehmen zu vergeben. Denn Kredite an KMU werden bei der Berechnung der von Banken zu erfüllenden „Green Asset Ratio“ (GAR) nur im Gesamtvolumen berücksichtigt (GAR = nachhaltig finanziertes Geschäftsvolumen + nachhaltige Investitionen / Gesamtgeschäftsvolumen). Da KMU bis 2025 nicht im Zähler, aber im Nenner berücksichtigt werden, sinkt somit mit steigendem Anteil an Krediten an mittelständische Unternehmen die GAR. Vor allem durch den in der Studie erörterten gestiegenen Bedarf an Fremdkapital birgt dies Finanzierungsschwierigkeiten für kleine und mittelgroße Unternehmen im Wettbewerb um Kapital.

Mittel- bis langfristig sehen die Studienautoren jedoch noch ein viel grundsätzlicheres Problem für alle KMU: Bisher verfügen nur wenige Mittelständler über eine ausreichende ESG-Berichterstattung (E = Environmental = umweltbezogen, S = Social, G = Governance = führungsbezogen), und die bestehenden Berichtssysteme sind ggf. nicht auf diese spezifischen Berechnungen ausgelegt. Viele Mittelständler sind sich zudem nicht darüber bewusst, dass eine ESG-Berichterstattung einen immer höheren Stellenwert einnehmen könnte, und verpassen ggf. den Zeitpunkt, um in derartige Infrastruktur zu investieren.

 

 

Lösung

In jedem Fall sollte der Gesetzgeber – so forderten es die Studieninitiatoren (namentlich siehe unten in den Praxishinweisen) am 22.6.2023 bei der Präsentation im Hause der Hanns-Seidel-Stiftung sehr eindringlich – möglichst kurzfristig auf den Missstand bei der GAR-Messung reagieren und die systematische KMU-Benachteiligung in der GAR eliminieren. Kurz- bis mittelfristig können sich aus einer umfangreichen ESG-Performance noch Vorteile für mittelständische Unternehmen hinsichtlich der Fremdkapitalkosten ergeben. Viele Unternehmen erhalten durch die höhere Transparenz im Rahmen einer umfassenden ESG-Berichterstattung geringere Risiko-Aufschläge und erzielen, sogar unabhängig von der tatsächlichen ESG-Performance, bereits verringerte Zinskosten. Langfristig ist allerdings davon auszugehen, dass die tatsächliche ESG-Performance in der Kreditvergabe an Bedeutung gewinnen wird und entsprechende Investitionen in ESG-Initiativen zur Steigerung der ESG-Performance für Unternehmen zwingend notwendig werden.

Um diese Vorteile auszunutzen – und um damit in keine längerfristigen Finanzierungsschwierigkeiten zu geraten –, sollten mittelständische Unternehmen schnellstmöglich die Erhebung von ESG-Daten zum Zweck der umfassenderen ESG-Berichterstattung umsetzen. Einen besonderen Fokus sollten KMU hierbei auf Umweltthemen legen, da dieser Bereich sowohl vonseiten des Gesetzgebers als auch von den Kreditinstituten vergleichsweise stark gewichtet wird. Da die tatsächliche ESG-Performance langfristig an Stellenwert gewinnen wird, sollten KMU ihr unternehmerisches Handeln frühestmöglich hinsichtlich diverser ESG-Kriterien bewerten. Insbesondere bei größeren, mittelständischen Unternehmen empfiehlt es sich, möglichst bald entsprechende Leistungskennzahlen (KPI – Key Performance Indicators) in die Unternehmenssteuerung und Performance-Bewertung aufzunehmen.

KMU sollten außerdem frühzeitig ihrerseits die eigenen Lieferanten und andere Drittunternehmen zu Vorhaben bezüglich ESG-Datenerhebung, insbesondere zur Erhebung von CO2-Werten, informieren, damit auch diese in eine entsprechende Infrastruktur zur Erhebung, Aufbereitung und Kommunikation der Daten innerhalb ihrer Unternehmen investieren können.

 

 

Praxishinweise:

  • Weitere Autoren der Studie sind (neben Prof. FriedlDr. Maximilian Blaschke und Markus Frank, M.Sc. Die Studienpräsentation am 22.6.2023 leiteten Markus Ferber (MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung) und Prof. Dr. Diane Robers (Leiterin der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung); die Studie steht auf der Homepage der Hanns-Seidel-Stiftung unter www.hss.de zum Download zur Verfügung. Betont wurde, dass sich mit der frühzeitigen Integration von neuen Vorschriften in die Unternehmenssteuerung auch Geschäftschancen ergeben. Zu beobachten ist in der mittelständischen Wirtschaft allerdings auch, dass vor dem Hintergrund ausufernder Regulierungen im Zusammenhang mit der Fremdkapitalbeschaffung vorzugsweise auf den Ausbau von Eigenkapitalfinanzierungen gesetzt wird.
  • Zusammenfassend mahnten die Studienautoren an, dass mit der aktuellen Benachteiligung von KMU in der Green Asset Ratio und den dringenden Fragen bei den Berichtspflichten und möglichen Standards der Gesetzgeber akuten Handlungsbedarf hat, um die Finanzierungssituation von KMU in den nächsten Jahren nicht zu gefährden.
  • Markus Ferber wies in der intensiv geführten Diskussion auf die Problematik hin, dass Europa mit eigenen Standards voranschreitet, während weltweit weniger strikte Regularien gelten. Die asiatischen und amerikanischen Märkte halten seiner Wahrnehmung nach den EU-Taxonomie-Weg für zu kompliziert.
  • Seitens der anwesenden Verbandsvertreter (u.a. Banken) wurde auf die erforderliche Datenqualität hingewiesen, die derzeit nicht bzw. nicht vollumfänglich gewährleistet wird, übrigens nicht nur im Mittelstand, sondern auch bei den Großunternehmen.


 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 7/2023

BC2023718

 

 

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