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Maßnahmen gegen die Inflation: Konkrete Schritte sind jetzt wichtig

Stephan Krehl

 

Die hohe und immer weiter steigende Inflation stellt Unternehmen nach zwei Jahren Ausnahmezustand durch die COVID 19-Pandemie vor noch größere Herausforderungen. Grund hierfür sind die steigenden Preise für Energie und Rohstoffe, was sich direkt und indirekt auf sämtliche Branchen durchschlägt. Steigende Transportkosten sind aufgrund der höheren Energiepreise sowie der immer wieder unterbrochenen Lieferketten ebenfalls ein Kostentreiber.


 

 

Gleichzeitig fordern Gewerkschaften für ihre Mitglieder höhere Löhne, um die Inflation abzufedern, was für Unternehmen ebenfalls höhere Kosten bedeutet. All dies führt dazu, dass sich Unternehmen mit enormen Kostensteigerungen konfrontiert sehen.

Da das einfache Durchreichen der höheren Preise an die Endverbraucher nicht immer ein gangbarer Weg ist, tun sich viele Unternehmen schwer, praktikable Maßnahmen gegen die Inflation zu finden.

Im Folgenden werden einige Maßnahmen zum Gegensteuern dargestellt.

 

 

1. Verständnis über die Auswirkungen der Inflation gewinnen und diese zeitnah kommunizieren

Um der Inflation entgegenzuwirken, muss man zunächst verstehen, welche Auswirkungen sie konkret auf das Unternehmen hat. Es ist deshalb empfehlenswert, sich wichtige KPIs (Key Performance Indicators – wesentliche Leistungskennzahlen) anzuschauen und deren Einfluss auf die höheren Kosten festzustellen.

Hat ein Unternehmen beispielsweise eine Gewinnspanne von 10% und steigt aufgrund der Inflation die Gesamtkostenbasis um 2%, sinkt die Gewinnspanne auf 8%. Diese Minderung entspricht einem Rückgang von 20%. Für Unternehmen mit ohnehin geringen Gewinnspannen (z.B. im Baugewerbe, in der Schwerindustrie oder Lebensmittelbranche) sind steigende Kosten deshalb schwerer abzufangen als für Unternehmen, die mit höheren Gewinnspannen kalkulieren können.

Je nachdem, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist, sollten die Bewegungen am Rohstoff- und Energiemarkt sowie in der Logistikbranche beobachtet werden. Mithilfe von Stresstests können Szenarien durchgespielt werden, wie sich steigende Kosten in einem oder mehreren Bereichen auf den Umsatz bzw. den Gewinn des Unternehmens auswirken werden.

Mit einer solchen Analyse können Verantwortliche leichter erkennen, ob die Inflation im Laufe eines bestimmten Zeitraums „nur“ zu einem stagnierenden Umsatz führt oder ob der Handlungsspielraum aufgrund der hohen Kosten schon so sehr ausgereizt ist, dass Liquiditätsprobleme drohen.

Nachdem die Auswirkungen der Inflation auf die wichtigsten KPIs analysiert wurden, ist es ratsam, diese an sämtliche Stakeholder zu kommunizieren: an Investoren, an die Belegschaft, an Geschäftspartner und an Kunden. Damit können sich alle auf die neue Situation einstellen, die mit dem Ergreifen von Gegenmaßnahmen entsteht.

 

 

2. Preisanstieg entlang der Wertschöpfungskette verteilen

Lediglich die Verkaufspreise anzupassen, reicht oftmals nicht aus, wenn man die Inflation abfedern möchte. Je nachdem, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist, werden Kunden eine zu starke Preiserhöhung auch gar nicht mittragen. Deswegen empfiehlt es sich, die Preise entlang der kompletten Wertschöpfungskette in geringerer Höhe anzupassen.

Finanzverantwortliche haben je nach Geschäftsmodell und Branche verschiedene Möglichkeiten dazu. In Abstimmung mit dem Vertrieb und Kundenservice sollten dabei im Vorfeld wichtige Fragen geklärt werden, z.B.:

  • Werden Preise nur für Neukunden erhöht (z.B. wenn Abonnements angeboten werden)?
  • Welche Preiserhöhung ist für die Kunden noch akzeptabel?
  • Was macht die Konkurrenz?
  • Bei welchen Produkten ist unsere Gewinnspanne am höchsten und verkraftet dadurch höhere Kosten am besten?

Werden aufgrund von Preiserhöhungen beispielsweise weniger Neukunden gewonnen, muss dies nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein; denn der Umsatz kann durch die Erhöhung trotzdem steigen.

Indem man sich auf Produkte konzentriert, die eine sehr hohe Gewinnspanne haben, lassen sich trotz Inflation sogar die Umsätze steigern. Populäres Beispiel hierfür sind einige Automobilhersteller, die sich verstärkt auf ihr Premiumsegment konzentrieren, weil dort die Gewinnspanne höher ist als im Einsteigerbereich.

Im Einzelhandel ist die Methode „Shrinkflation“ weit verbreitet. Dabei reduziert man den Umfang eines Produkts, behält jedoch den Preis bei. Klassisches Beispiel ist eine Tüte Chips, die ursprünglich in einer Menge von 1 kg verkauft wurde, jetzt jedoch nur noch 830 g enthält. Behält man den Verkaufspreis bei, entspricht dies einer Preissteigerung von 20%.

 

 

3. Maßnahmen zur Kostensenkung ergreifen

Bei einer sehr hohen Inflation kommt kaum ein Unternehmen darum herum, seine Kosten zu senken. Eine detaillierte Kostenanalyse ist zwar aufwendig, zahlt sich jedoch auf lange Sicht aus. Denn sie hilft dem Unternehmen dabei, möglichst profitabel zu werden.

Hierbei ist es wichtig, sämtliche Kosten zu betrachten, auch wenn diese für sich gesehen nur gering sind. Um einen detaillierten Einblick in die Kostenstruktur des Unternehmens zu bekommen, kann man spezielle Software nutzen, die im Liquiditätsmanagement zum Einsatz kommt. Man sieht dann übersichtlich dargestellt, was die besonders hohen Kostenfaktoren im Unternehmen sind und wie sich auch kleinere, wiederkehrende Kostenbeträge über ein Jahr oder einen Monat zu einer größeren Summe aufbauen können.

Nach der Analyse geht es daran, Maßnahmen zur effektiven Kostenreduktion festzulegen. Je nachdem, in welchem Bereich die Kosten besonders hoch sind, lohnt sich das Optimieren von Geschäftsprozessen und das Betrachten von alternativen Möglichkeiten, z.B.:

  • Kann der Einkaufsprozess kosteneffizienter gestaltet werden?
  • Können mit Lieferanten neue Lieferkonditionen vereinbart werden?
  • Können günstigere Materialien bei der Produktion eingesetzt werden?
  • Kann beim Marketing gespart werden?
  • Können Neueinstellungen verlangsamt oder für eine bestimmte Zeit gestoppt werden?
  • Können Freiberufler anstatt fester Mitarbeitender für einen bestimmten Zeitraum beschäftigt werden?
  • Müssen Mitarbeitende entlassen werden, bzw. wird ein Sozialplan benötigt?

 

 

4. Investitionen neu bewerten

Eine von hoher Inflation geprägte Zeit bietet für Unternehmen nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Deswegen ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um geplante Investitionen neu zu bewerten oder neue Investitionsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen.

Ist ein Kredit notwendig, um eine Investition zu stemmen, kann eine Verschuldung durchaus sinnvoll sein, sofern die Investition eine Rendite generiert, die über der Inflationsrate liegt und die Zinssätze noch unterhalb der Inflationsrate liegen. Möglicherweise können auch Überschüsse am Kapitalmarkt angelegt werden, um einen Teil der Inflation auszugleichen.

Geht es einem Unternehmen finanziell sehr gut und rechnet es in der kommenden Zeit sogar mit Wachstum, kann es sich am Markt umsehen und eventuell ein strauchelndes Konkurrenzunternehmen zu günstigen Konditionen übernehmen. Damit baut es seine Marktmacht langfristig aus.

 

 

Fazit: Inflationsauswirkungen mit den richtigen Hebeln in den Griff bekommen

Es gibt viele Stellschrauben, an denen Finanzverantwortliche drehen können, wenn es darum geht, der Inflation gegenzusteuern. An welchen genau gedreht werden kann, hängt von der spezifischen Situation des Unternehmens ab. Im Vorfeld muss diese deshalb genau analysiert werden, um wirkungsvolle Maßnahmen abzuleiten.

Je genauer Verantwortliche ihr Unternehmen kennen und die Auswirkungen von Kostensteigerungen auf sämtliche Unternehmensbereiche vorhersagen können, desto feiner lassen sich die Maßnahmen abstimmen, damit das Unternehmen nicht nur gut durch die Inflation kommt, sondern gestärkt daraus hervorgeht.

 

Stephan Krehl, General Manager bei Agicap, verantwortlich für den D-A-CH-Markt; während seiner vorherigen Station als Berater bei der Unternehmensberatung McKinsey konnte er vielseitige Erfahrungen in der Banken- und Versicherungsbranche sammeln und hat gelernt, wie komplex die Liquiditätsplanung für viele Unternehmen ist und welche Schwierigkeiten dabei auftreten

 

 

BC 10/2022

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