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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Zum Vertrauen in die Finanzbuchhaltung und zur „prophetischen Gabe“ des Professor Dr. Koss

Christian Thurow

VG Hamburg Urt. v. 9.6.2023, 16 K 1956/22

 

In seiner Kolumne in der Dezemberausgabe der BC 2021, 582 ff., wies Professor Dr. Koss darauf hin, dass in den Corona-Hilfspaketen auf Kennzahlen abgestellt werde, die es so bisher in der Buchhaltung nicht gab. Ob prophetische Gabe oder gesunder (und geschulter) Menschenverstand sei dahingestellt, aber die Gerichte haben sich – wie vorhergesagt – nun damit zu beschäftigen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein Online-Weinhändler und IT-Unternehmer stellte im April 2020 einen Antrag auf Förderung gemäß der Förderrichtlinie „Hamburger Corona Soforthilfe (HCS) mit finanzieller Unterstützung des Bundes“ vom 27.3.2020 zur Überbrückung eines mutmaßlich durch die Corona-Pandemie verursachten Liquiditätsengpasses. Zur Untermauerung wurde zunächst eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) präsentiert.

Aus Sicht des Finanzamts ergab sich aus der BWA aber ein wesentlich geringerer Liquiditätsengpass als vom Kläger im Antrag dargestellt. Der Kläger wies im Einspruch darauf hin, dass er zur Erstellung einer Bilanz verpflichtet sei. Die BWA präsentiere daher nicht automatisch tatsächliche Zahlungsströme, sondern Aufwendungen und Erträge. Um die tatsächlichen Zahlungsströme darzustellen, legte der Kläger daraufhin eine auf Excel basierende Nebenbuchhaltung vor. Gemäß dieser Nebenbuchhaltung (auf Basis tatsächlich vereinnahmter Entgelte und Ausgaben) ergab sich ein höherer Liquiditätsengpass. Das Finanzamt erkannte diese Nebenbuchführung nicht an.

 

 

Lösung

Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg schließt sich der Auffassung des Finanzamts an. Da eine BWA auf der Finanzbuchhaltung eines Unternehmens beruht, bietet sie in der Regel eine Gewähr für die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit. An die Plausibilisierung einer „Nebenbuchführung“ sind daher höhere Anforderungen zu stellen als an die Darstellung in der BWA. Im Ausgangsfall enthielt die Excel-Nebenbuchführung unstreitig Formel- und Eingabefehler. Auch konnte die große Differenz zwischen BWA und Nebenbuchführung nicht ausreichend vom Kläger plausibilisiert werden. Von daher ist die Nebenbuchführung nicht geeignet, die Ergebnisse der BWA zu entkräften, und wurde daher zu Recht vom Finanzamt nicht als Nachweis eines Liquiditätsengpasses akzeptiert.

 

 

Praxishinweis:

Wie so oft, liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Dem Kläger ist dahingehend recht zu geben, dass eine auf der Finanzbuchhaltung beruhende BWA nur ein ungenügendes Bild der Liquiditätslage eines Unternehmens abbildet. Anstelle einer (auch noch fehlerhaften) Nebenbuchführung wäre im Ausgangsfall eine Kennzahlenanalyse wahrscheinlich überzeugender gewesen. Insbesondere anhand der Veränderungen der Liquidität 1. Grades (liquide Mittel/kurzfristige Verbindlichkeiten) und der Days of Sales Outstanding (durchschnittliche Inkassoperiode = (durchschnittlicher Forderungsbestand × 360 Tage) / Umsatz) ließe sich leicht aufzeigen, wie die Liquidität abnimmt und dass die Kunden sich deutlich mehr Zeit zur Bezahlung ihrer Rechnungen lassen. Aber selbst mithilfe einer solchen Bilanzanalyse lässt sich ein Liquiditätsengpass allenfalls plausibilisieren. Für die konkrete Darstellung im Antragsformular ist zwingend auf eine Nebenbuchführung zurückzugreifen.

Und hier schließt sich der Kreis zu der eingangs erwähnten Koss-Kolumne. Da es der Gesetzgeber versäumt hat, die Soforthilfe an anerkannte Kennzahlen und Begriffe des Rechnungswesens zu koppeln, sind Ungenauigkeiten und Missverständnisse vorprogrammiert. So Prof. Koss in BC 2021, Heft 12: „Die Verwaltungsrichtlinie hätte besser auf die Vorschriften des HGB verwiesen, anstatt mit ‚kumulierten Einkaufspreisen‘ und ‚kumulierten Abgabepreisen‘ irgendwie neue Begrifflichkeiten zu prägen. Wenn es dann heißt, dass für die Ermittlung der kumulierten Abgabepreise ‚Wertberichtigungen nach den Regeln der handelsrechtlichen Rechnungslegung‘ heranzuziehen sind, müssen daraus resultierende Unschärfen zulasten des Normgebers, nicht des Anwenders gehen.“


Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 8/2023

BC2023816

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