Mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler Deutschland und des Verbands Haus & Grund Deutschland ist jetzt die erste Musterklage gegen das neue Grundsteuermodell in einem ostdeutschen Bundesland erhoben worden.
Praxis-Info!
Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Eigentumswohnungen in einem denkmalgeschützten Haus in Chemnitz. Aus Sicht von Kläger und der die Klage unterstützenden Verbände sind bei den Immobilien aufgrund der Lage bei Weitem nicht die Mieten zu erzielen, die das Finanzamt für die Ermittlung des Grundsteuerwerts laut Mietentabelle für das Bundesland ansetzt.
Da im Bundesmodell die Höhe des Grundsteuerwerts im Wesentlichen durch den Bodenrichtwert und die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete bestimmt wird, kommt diesen pauschal festgelegten Werten eine große Bedeutung zu. In einem viel beachteten AdV-Beschluss hatte schon das FG Rheinland-Pfalz im November letzten Jahres (FG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 23.11.2023 – 4 V 1295/23; 4 V 1429/23, Aussetzung der Vollziehung, vgl. ausführlich Wolff/Wunderlich, BC 2024, 125 ff., Heft 3) Zweifel an der Objektivität und Vollständigkeit der Datensätze für die Ermittlung der Bodenrichtwerte angemeldet.
Wie in vielen Bundesländern ist auch in Sachsen nicht vorgesehen, dass Steuerpflichtige dem Finanzamt mit einem Gutachten den tatsächlich geringeren Wert einer Immobilie nachweisen können.
Hier kommt der BFH-Beschluss vom Mai diesen Jahres ins Spiel (BFH Beschl. v. 27.5.2024 – II B 78/23 (AdV)). Laut BFH ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn es durch Pauschalierungen und Typisierungen zu einer Abweichung vom gemeinen Wert kommt. Eine solche Abweichung ist zugunsten der effektiven Steuererhebung hinzunehmen. Dies gilt aber nur so lange, bis ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorliegt, welcher nach gängiger Rechtsprechung ab einer Differenz von 40% zwischen gemeinem und typisiertem Wert eintritt.
Ob ein solcher Verstoß gegen das Übermaßverbot vorliegt, kann aber nur mittels eines Gutachtens festgestellt werden. Dabei sind laut dem Präsidenten des Bundes der Steuerzahler Reiner Holznagel sowohl Mietwerte als auch die Bodenrichtwerte problematisch. In einer Pressemitteilung zu der Klage führt er aus:
„Entweder sind die angesetzten Mietwerte utopisch hoch und gehen an der Vermietungs-Realität vorbei oder die Bodenwerte gehen durch die Decke, können aber weder nachvollzogen noch widerlegt werden. Häufig sind Eigentümer von beidem betroffen!“
Bis zur endgültigen rechtlichen Klärung des Sachverhalts – welche auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird – werden vermutlich noch Jahre vergehen. Eine rechtssichere Erhebung der Grundsteuer ab dem Jahr 2025 wird daher kaum möglich sein. Eine unbefriedigende Situation für Eigentümer, Mieter und Gemeinden.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 8/2024
BC20240815