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Außenprüfung/Abgabenordnung
   

Kein Zwang zur elektronischen Übermittlung der Steuererklärung bei persönlicher Unzumutbarkeit

Christian Thurow

FG Berlin, Urteil vom 14.2.2018, 3 K 3249/17 (Revision zugelassen)

 

Auch heutzutage gibt es noch Berufs- und Personengruppen, die wenig bis gar keinen Kontakt mit Computern haben. Fraglich ist, inwieweit von solchen Personen die Abgabe einer Steuererklärung in elektronischer Form verlangt werden kann.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin ist eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Der Geschäftsführer ist von Beruf Landwirt. Das Stammkapital der Klägerin beträgt 500 €; Umsätze wurden keine getätigt. Der Geschäftsführer bezeichnet sich selbst als „Computer illiterate“ (als „Computer-Analphabeten). Sämtliche computerbasierten Tätigkeiten wurden von seiner Frau (ohne Entgelt) erledigt. Nach der Geburt der vierten Tochter fiel die Ehefrau für einige Zeit aus, so dass der Geschäftsführer die Steuererklärungen in Papierform einreichte.

Aus Sicht des Finanzamts ist die Klägerin (Unternehmergesellschaft) damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung, die Steuererklärung elektronisch zu übermitteln, nicht nachgekommen. Es wurden Zwangsgelder in Höhe von 400 € verhängt, welche aus Sicht der Klägerin unverhältnismäßig sind.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht (FG) Berlin schließt sich der Auffassung der Klägerin an. Durch die Abgabe einer Steuererklärung in Papierform entsteht gleichzeitig ein konkludenter (schlüssiger) Antrag auf Verzicht der Einreichung in elektronischer Form. Die Prüfung des Antrags erfolgt in einem zweistufigen Verfahren:

  1. Prüfung, ob einer der in § 150 Abs. 8 AO genannten Fälle vorliegt (Härtefallregelung bei wirtschaftlicher oder persönlicher Unzumutbarkeit). In diesem Fall besteht ein Rechtsanspruch auf Verzicht der Einreichung der Steuererklärung in elektronischer Form.
  2. Liegt keiner der in § 150 Abs. 8 AO genannten Fälle vor, so hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung.

Zu unterscheiden ist zwischen einer wirtschaftlichen und einer persönlichen Unzumutbarkeit der elektronischen Übermittlung:

  • Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt (z.B. fehlende Hard-/Software, fehlender Internetanschluss, Schwierigkeiten bei Installation und Einstellung einer Firewall gegen Viren, mangelnde Unterstützung des Rechnungswesen-/Steuerprogramms zum Einsatz von ELSTER). Zugleich muss es für ihn nur mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand möglich sein, diese zu beschaffen (z.B. Umstellungskosten auf die neue Hard-/Software, Kosten für IT-Fachleute, Schulungsaufwand).
  • Eine persönliche Unzumutbarkeit ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung zu nutzen. Dies ist der Fall, wenn „der Steuerpflichtige über keinerlei Medienkompetenz verfügt und z.B. aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden kann“.

Diese zweite Ausnahme trifft im Ausgangsfall zu, da der Geschäftsführer des Kleinstbetriebs ein 64-jähriger Landwirt ohne Computerkenntnisse ist. Unbeachtlich bleibt dagegen, dass die Ehefrau dem Geschäftsführer helfen könnte. Die Ehefrau ist weder Geschäftsführerin noch Mitarbeiterin der Klägerin. Somit hat die Ehefrau mit Bezug zur Klägerin keine steuerlichen Pflichten zu erfüllen (und das Finanzamt kann ihr solche Pflichten nicht auferlegen). Es besteht aus Sicht des FG Berlin auch keine Verpflichtung des Geschäftsführers, sich entgeltliche Hilfe von Dritten zu besorgen, zumal dieses im Ausgangsfall auch wirtschaftlich unzumutbar wäre.

Die Revision ist zugelassen, um die folgenden Fragen zur persönlichen und wirtschaftlichen Unzumutbarkeit höchstrichterlich klären zu lassen:

  • Inwieweit ist bei medieninkompetenten Steuererklärungspflichtigen die Medienkompetenz unentgeltlich mithelfender Familienangehöriger mit zu berücksichtigen?
  • Inwieweit spielt die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Heranziehung entgeltlicher Hilfe bei vorliegender Medieninkompetenz des Steuererklärungspflichtigen noch eine Rolle?

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 5/2018

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