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Außenprüfung/Abgabenordnung
   

Haftung eines Buchführungsverantwortlichen als faktischer Geschäftsführer für Steuerschulden?

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

FG Köln, Beschluss vom 15.12.2017, 13 V 2969/17

 

 Sofern ein Mitarbeiter einer GmbH die Buchführung organisiert und beim Abschluss von Verträgen im Einzelfall mitwirkt, reicht dies allein nicht aus, um ihn als faktischen Geschäftsführer zu qualifizieren und für Steuerschulden in Anspruch zu nehmen.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Im Rahmen eines Aussetzungsverfahrens wurde über die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme eines für die Buchführung verantwortlichen Mitarbeiters B für Steuerschulden einer GmbH, deren faktischer Geschäftsführer er gewesen sein soll, gestritten. Das Finanzamt hatte auf der Basis eines strafrechtlichen Ermittlungsberichts die Qualifikation des B als faktischer Geschäftsführer der GmbH damit begründet, dass der Antragsteller wirtschaftlich Berechtigter sowie Verfügungsberechtigter für das Konto der GmbH gewesen sei und B daher faktisch die Verpflichtungen der Gesellschaft habe erfüllen können. Darüber hinaus habe B die Buchführung der GmbH für die Jahre 2009 bis 2012 vorbereitet und die kaufmännischen Angelegenheiten (Rechtsstreitigkeiten, Schriftverkehr) erledigt.

Nicht beglichene Steuerschulden in Höhe von ca. 491.000 € hatten im Verfahren dazu geführt, B als Haftungsschuldner (gemäß § 191 AO i.V.m. §§ 69, 34, 35 AO) als faktischen Geschäftsführer in Anspruch zu nehmen. Zur weiteren Begründung gab das Finanzamt an, B sei neben der als Geschäftsführerin bestellten Frau N Ansprechpartner für die Prüfer gewesen; Frau N habe erklärt, sich im Gegensatz zu B mit dem Kassensystem nicht auszukennen, und darauf hingewiesen, dass sich B um die gesamten kaufmännischen Dinge und die Buchführung kümmere. B selbst habe im Rahmen einer Schließfachbegehung bei einer Bank erklärt, er erledige alle finanziellen Dinge.

Weiter führte das Finanzamt an, B habe verschiedene Verträge für die GmbH verhandelt und sich mit der GmbH identifiziert, da er im Außenverkehr eine E-Mail-Adresse der GmbH verwendet habe. Somit habe B die Unternehmenspolitik bestimmt, das Unternehmen organisiert und Einfluss auf die Gestaltung von Geschäftsbeziehungen ausgeübt sowie Verhandlungen mit Kreditinstituten geführt und die steuerlichen Angelegenheiten organisiert. Daher sei er als faktischer Geschäftsführer zu qualifizieren – zu Recht?

 

 

Lösung

Buchführungsverantwortliche können aufatmen, denn die Kölner Finanzrichter haben den Haftungsbescheid von der Vollziehung ausgesetzt: Es bestünden ernstliche Zweifel daran, dass B als faktischer Geschäftsführer anzusehen sei. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied aufgetreten sei und gehandelt habe, auf das Gesamterscheinungsbild des Auftretens abzustellen. Ausreichend für die Tatbestandsverwirklichung des § 35 AO sei aber, dass eine Person nach außen hin so auftrete, als könne sie umfassend über fremdes Vermögen verfügen und tatsächlich auch faktisch die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnehmen.

Das FG (Finanzgericht) Köln wendet dazu eine Reihe von Prüfkriterien an und stellt zunächst fest, dass B unstreitig nicht Gesellschafter der GmbH gewesen ist. Soweit sich das Finanzamt für seine Annahme des Fungierens als faktischer Geschäftsführer auf zwei abgeschlossene Lieferantenverträge in einem Zeitraum von sechs Jahren stütze, so seien diese Verträge dem Gericht nicht vorgelegt worden und allenfalls als minder bedeutsames Beweisanzeichen zu werten.

Indiz (ein Anhaltspunkt) für eine mögliche faktische Geschäftsführung sei nach Lage der Akten die sehr weitgehende Verlagerung der kaufmännischen Abwicklung sowie der Buchführung der GmbH auf den B. Eine derartige Verlagerung finde in Unternehmen aber auch sonst üblicherweise auf vertrauenswürdige Buchhalter statt, ohne dass diese zu faktischen Geschäftsführern würden.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Faktische Geschäftsführer leben generell nicht ungefährlich, besonders in Insolvenzkonstellationen: So spricht Dr. Gerrit Heublein in seinem Beitrag über Zahlungen im Rahmen der Fortführung kriselnder Geschäftsbetriebe sogar von einem „Abenteuerurlaub im haftungsrechtlichen Minenfeld“ (vgl. KSI 2007, 151 ff., Heft 6). Hier im Streitfall rügt aber das FG fehlende Feststellungen seitens der Finanzverwaltung zum tatsächlichen Umfang der Kontennutzung sowie der Betreuung von Vertragsverhandlungen der GmbH. Dies ist insofern von ausschlaggebender Bedeutung, als die Finanzverwaltung für die haftungsbegründenden Tatsachen die Darlegungslast trägt.
  • Ob jemand als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist, bestimmt sich laut ständiger Rechtsprechung (vgl. insoweit BayObLG vom 20.2.1997, 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936, m.w.N.) nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens. Dieses Gesamtbild ist durch acht sog. klassische Merkmale im Kernbereich der Geschäftsführung gekennzeichnet: 
    – Bestimmung der Unternehmenspolitik,
    – Unternehmensorganisation,
    – Einstellung von Mitarbeitern,
    – Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern,
    – Verhandlung mit Kreditgebern,
    – Gehaltshöhe,
    – Entscheidung der Steuerangelegenheiten,
    – Steuerung der Buchhaltung. 
  • Davon sollen sechs erfüllt sein. Nicht dazu zählen – dies dürfte manche Sorgenfalten auf Bilanzbuchhalter-Stirnen wieder glätten – vom Finanzamt angeführte Details wie Verfügungsbefugnis über Firmenkonten und Verwendung von E-Mailadressen der GmbH.
  • In seiner am 20.2.2018 in der Owlit-Datenbank unter DB1263129 veröffentlichten Kurzkommentierung hält es der Finanzrichter Dr. Michael Hennigfeld aber für möglich, dass bereits eine beherrschende Stellung als Gesellschafter in einer Kapitalgesellschaft indiziell auf eine faktische Geschäftsführung hinweisen kann (vgl. z.B. FG Köln, Urteil vom 17.1.2014, 13 V 3359/13, EFG 2014, 610).
  • Dies war zwar im Streitfall eindeutig nicht der Fall, aber zum besseren Verständnis der auf den ersten Blick hart erscheinenden Haltung des Finanzamts gehört auch, dass der für die Buchführung verantwortliche B der Ehemann der Geschäftsführerin N war und selbst vergleichbare Unternehmen vor der Gründung der Steuerschuldner-GmbH sowie nach deren Insolvenz betrieb (!). Ob er in der Ehe – wo und wie auch immer – die vorzitierten beherrschenden Stellungen einnahm, ist zwar nicht bekannt, dürfte aber auch so die vom Finanzamt offenbar als übertreten gewerteten „roten Linien“ in einem anderen Licht erscheinen lassen.


Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld


BC 3/2018 

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