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Wirtschaftsrecht
   

Recht auf Präsenz-Teilnahme an Gesellschafterversammlung

Sven Hoischen

LG Stuttgart, Urteil vom 10.2.2021, 40 O 46/20

 

In Corona-Zeiten sind Reisebeschränkungen keine Seltenheit und können eine Verschiebung oder Absage einer physischen Gesellschafterversammlung notwendig machen. Vom Landgericht (LG) Stuttgart wurde klargestellt, dass die einladende GmbH dafür zu sorgen hat, dass die Gesellschafter die Einladung nebst Tagesordnung rechtzeitig erhalten, um eine Teilnahme an der Gesellschafterversammlung auch tatsächlich organisieren zu können, also z.B. auch unter Berücksichtigung von Quarantäne-Bestimmungen.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

In dem vom LG Stuttgart entschiedenen Fall lebten die Gesellschafter einer GmbH mit Sitz in Deutschland teilweise im Ausland. Die GmbH berief mit Schreiben vom 10.8.2020 frist- und formgerecht die Gesellschafterversammlung für den 14.9.2020 ein. Aufgrund der COVID-Pandemie bestanden für den Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung Einreisebeschränkungen nach Deutschland. Die Satzung der GmbH sah Gesellschafterversammlungen in Form von Telefon- oder Videokonferenzen nicht vor. Die Mitteilung der Tagesordnung gegenüber den Gesellschaftern musste laut Satzung der GmbH spätestens drei Tage vor der Gesellschafterversammlung erfolgen. Da die im Ausland lebenden Gesellschafter die Tagesordnung 11 Tage vor der geplanten Gesellschafterversammlung erhielten, war dies somit gesellschaftsvertraglich fristgerecht. Die Tagesordnung beinhaltete u.a. die Abberufung eines der klagenden Gesellschafter als Geschäftsführer der GmbH. Ein Teil der im Ausland lebenden Gesellschafter beantragte vor dem LG Stuttgart, dass die außerordentliche Gesellschafterversammlung aufgrund der Einreisebeschränkungen und der dadurch verhinderten Teilnahmemöglichkeit abzusagen sei.

 

 

Lösung

Trotz Einhaltung sämtlicher in der Satzung vorgesehener Form- und Fristerfordernisse entsprach das LG Stuttgart dem Antrag der klagenden Gesellschafter. Das Gericht führt zur Begründung aus, dass die Satzung der GmbH zwar Regelungen über die Beschlussfassung enthält, diese Regelungen jedoch keine Möglichkeit einer Versammlung auf der Basis von Telefon- oder Videotelefonie vorsehen. Insofern sei eine abschließende Regelung über die Beschlussfassung gesellschaftsvertraglich getroffen worden. Demzufolge sprach das Gericht den klagenden Gesellschaftern einen Anspruch auf Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung in Präsenz zu.

Dabei sei in Zeiten von Reisebeschränkungen so rechtzeitig einzuberufen und die Tagesordnung so mitzuteilen, dass für die Gesellschafter die Möglichkeit der Organisation der Anreise und Ableistung einer Quarantäne besteht. Hierzu führt das Gericht näher an, dass das Teilnahmerecht eines Gesellschafters zum unentziehbaren Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte gehört und einem Gesellschafter eine Willensbildung über seine Teilnahme erst nach Mitteilung der Tagesordnung möglich ist. Im Ergebnis sei die GmbH der anerkannten Pflicht zur Berücksichtigung von Gesellschafterinteressen nicht hinreichend nachgekommen.

 

 

Praxishinweise:

  • Auch unabhängig von der derzeit bestehenden Corona-Pandemie kann es Reisebeschränkungen aus sehr verschiedenen Gründen geben. Für die Praxis ist aus der Entscheidung abzuleiten, dass eine nach der Satzung in Präsenz abzuhaltende Gesellschafterversammlung zu verschieben ist, wenn die Einreise nebst Teilnahme unverschuldet nicht rechtzeitig zu bewerkstelligen ist. Mögliche Reisebeschränkungen sind bei Einladungen zur Gesellschafterversammlung zu berücksichtigen.
  • Satzungen und Gesellschaftsverträge sollten überprüft werden, ob diese auch Regelungen zu einer Beschlussfassung in Form von Telefon- oder Videokonferenzen enthalten.

 

 

 

RA Sven Hoischen, PKF WMS Bruns-Coppenrath & Partner mbB Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberater Rechtsanwälte, Osnabrück

 

 

BC 2/2022

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