Dr. Stefanie Becker,
Das Jahressteuergesetz 2024 brachte weitreichende Änderungen, die mehrheitlich zum 1.1.2025 wirksam werden. Daneben entfalten die Neuregelungen zur elektronischen Rechnung ihre Wirkung bereits ab 1.1.2025, auch wenn hier umfassende Übergangsregelungen greifen werden. Die wesentlichen gesetzlichen Neuerungen ab 1.1.2025 sowie aktuelle Urteile und BMF-Schreiben werden nachfolgend zusammengefasst.
Praxis-Info!
Kleinunternehmer
Ab 1.1.2025 werden drei Arten von Kleinunternehmern zu unterscheiden sein:
- im Inland ansässige Unternehmer, die im Inland Umsätze erbringen,
- im Inland ansässige Unternehmer, die in der übrigen EU Umsätze erbringen, und
- in der übrigen EU ansässige Unternehmer, die im Inland Umsätze erbringen.
Denn die Regelung wird nun auch grenzüberschreitend Anwendung finden können.
Die Schwellenwerte für die erbrachten Umsätze werden einheitlich nach vereinnahmten Entgelten berechnet und erhöht. Die Vorjahresgrenze beträgt nun 25.000 € und wird nicht mehr auf einen fiktiven Jahresumsatz hochgerechnet, sofern die Tätigkeit nicht während des gesamten Jahres ausgeübt wurde. Die Grenze des laufenden Jahres wird auf 100.000 € erhöht. Hier findet keine Prognose mehr am Jahresbeginn statt, sondern die Umsätze sind laufend zu überwachen. Sobald die Grenze überschritten wird, findet die Regelbesteuerung damit auch unterjährig für alle ab dann erbrachten Umsätze Anwendung. Diese Werte gelten für alle inländischen und ausländischen Unternehmer, die im Inland Umsätze erbringen.
Weiterhin besteht die Möglichkeit, auf die Anwendung der Regelung zu verzichten, denn auch das Recht auf Vorsteuerabzug bleibt für Kleinunternehmer ausgeschlossen.
Inländische Unternehmer, die Umsätze in der übrigen EU erbringen, können diese dort steuerfrei behandeln, sofern die jeweiligen Regelungen für Kleinunternehmer in dem jeweiligen Staat erfüllt werden und ihre Umsätze insgesamt 100.000 € nicht überschreiten. Zur Kontrolle der Grenze haben sie sich beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu registrieren und vierteljährlich elektronische Umsatzmeldungen dort abzugeben. Solange sie die Voraussetzung erfüllen, erteilt ihnen das BZSt eine EX-USt-IdNr., mit der sie gegenüber ihren Leistungspartnern nachweisen können, dass sie Kleinunternehmer sind.
Praxishinweis: Die Meldepflichten beim BZSt treffen nur inländische Kleinunternehmer, die im EU-Ausland Umsätze erbringen und sich dort nicht registrieren lassen möchten. Inländische Kleinunternehmer haben weder Umsatzsteuerjahreserklärungen für ihre erbrachten Umsätze abzugeben noch entsprechende weitere Meldepflichten. Kleinunternehmer sind künftig zur Erstellung von vereinfachten Rechnungen verpflichtet, in denen auf die Kleinunternehmerbefreiung hingewiesen wird. Eine E-Rechnung müssen sie nicht erstellen. |
Bildungsleistungen
Die Bildungsleistungen wurden an das Unionsrecht angepasst. Künftig sind drei Fälle in § 4 Nr. 21 UStG zu unterscheiden:
- Buchstabe a: Einrichtungen des öffentlichen Rechts, Privatschulen und andere private Einrichtungen mit einer Bescheinigung, dass sie Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen;
- Buchstabe b: Selbstständige Lehrer an einer Einrichtung nach Buchstabe a;
- Buchstabe c: Privatlehrer, die Schul- oder Hochschulunterricht erbringen.
Leistungserbringer nach den Buchstaben a und b können sowohl natürliche Personen als auch Personenzusammenschlüsse oder juristische Personen sein. Privatlehrer müssen hingegen natürliche Personen sein.
Für die Begriffsdefinitionen gilt das Unionsrecht, sodass Schul- und Hochschulunterricht in der Regel kein spezialisierter Unterricht sein darf und Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung einen Bezug zu einem Beruf oder Gewerbe haben müssen. Ausgeschlossen von der Steuerbefreiung bleibt weiterhin bloße Freizeitgestaltung.
Praxishinweise: Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde bestätigt nun inhaltlich etwas anderes als bisher. Es ist davon auszugehen, dass die bestehenden Bescheinigungen aber zumindest vorübergehend weitergelten. Zu den Einzelheiten der Neuregelung wird das BMF in einem Einführungsschreiben Stellung nehmen müssen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen sich auf bestehende Steuerbefreiungen ergeben. |
Onlineveranstaltungen
Auf elektronischem Weg erbrachte Veranstaltungen sind ab 1.1.2025 grundsätzlich dort steuerbar, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. Das gilt sowohl für Leistungen an Unternehmer als auch an Nichtunternehmer und unabhängig davon, ob es sich um eine Aufzeichnung oder Live-Veranstaltung handelt.
Praxishinweis: Eine Registrierungspflicht im Ansässigkeitsstaat ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Denn bei Leistungen an Unternehmer greift regelmäßig das Reverse-Charge-Verfahren (Umkehr der Steuerschuldnerschaft); für Leistungen an Nichtunternehmer kann das besondere Besteuerungsverfahren (OSS-Verfahren) beim BZSt in Anspruch genommen werden. Aber Achtung! Vor der ersten Leistung hat eine Registrierung hierfür zu erfolgen. |
Elektronische Rechnungen
Elektronisch ist eine Rechnung nur noch, wenn sie in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und elektronisch verarbeitet werden kann. Erfüllt eine Rechnung diese Anforderungen nicht, da es sich z.B. um eine Papier- oder pdf-Rechnung handelt, liegt eine sonstige Rechnung vor. Für unternehmerische Leistungsbeziehungen zwischen im Inland ansässigen Unternehmern gilt eine verpflichtende Anwendung der elektronischen Rechnung, wobei rechnungsausstellende Unternehmer noch bis 31.12.2026 von der sonstigen Rechnung Gebrauch machen können. Diese Möglichkeit greift im Jahr 2027 weiterhin für Unternehmer mit Vorjahresumsätzen bis 800.000 €. Ab 1.1.2028 gilt die E-Rechnungsstellungspflicht dann vollumfänglich. Entscheidet sich der Rechnungsaussteller für die E-Rechnung, so ist der Rechnungsempfänger dazu verpflichtet, diese auch anzunehmen – bereits ab 1.1.2025!
Das strukturierte elektronische Format muss insbesondere der europäischen DIN Norm EN 16931 entsprechen (z.B. sog. X-Rechnung im XML-Format). Werden hybride Rechnungen (z.B. ZUGFeRD) verwendet, genügt dies ebenfalls. Vorteil ist, dass dieses Dateiformat auch menschenlesbar (pdf) ist, was bei XML-Dateien nur schwer möglich ist.
Grundsätzlich müssen alle Rechnungspflichtangaben in strukturiertem Format in der Rechnung enthalten sein, wobei auch Verweise auf unstrukturierte Anhänge zu der Rechnung möglich sind.
Der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ist bei Verpflichtung einer E-Rechnung regelmäßig von einer solchen abhängig. Jedoch können sonstige Rechnungen rückwirkend durch eine E-Rechnung berichtigt werden und dienen zudem als sonstige Informationen, die die Finanzverwaltung bei der Prüfung des Vorsteuerabzugsrechts berücksichtigen muss.
Praxishinweise: Das BMF hat mit Schreiben vom 15.10.2024 und auch auf seiner Homepage in einem Frage-Antwort-Katalog ausführlich zu den Anforderungen der E-Rechnung Stellung genommen. Hier finden sich Antworten auf viele Einzelfragen. Es kann sich empfehlen, auf hybride Formate auszuweichen, um beim Rechnungsempfänger eine höhere Akzeptanz der E-Rechnung zu erreichen. Denn während bei einer E-Rechnungsstellungspflicht kein Zustimmungsvorbehalt mehr besteht, ist die elektronische Übermittlung im Übrigen weiterhin von der Zustimmung des Empfängers abhängig. Wobei hiervon ausgegangen werden kann, wenn der Empfänger nicht widerspricht. |
Weitere gesetzliche Änderungen
Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben noch bis 1.1.2027 Zeit, § 2b UStG anzuwenden.
Der Durchschnittssatz für land- und forstwirtschaftliche Betriebe nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG beträgt – ebenso wie die pauschale Vorsteuer – ab 1.1.2025 nur noch 7,8%.
Hinweise auf wichtige Entscheidungen des BFH und EuGH sowie BMF-Schreiben
- Der BFH fragt beim EuGH an, inwieweit der ermäßigte Steuersatz für Beherbergungsleistungen auch auf weitere Leistungen angewendet werden kann, die im Zusammenhang mit der Beherbergung erbracht werden (z.B. Frühstück, Wellness, Parkplatz). BFH EuGH-Vorlage 10.1.2024 – XI R 11/23, XI R 13723, XI R 14/23.
- Der BFH bestätigt im Nachgang zum EuGH, dass Innenumsätze innerhalb des Organkreises nicht steuerbar sind (BFH Urt. v. 29.8.2024 – V R 14/24).
- Der BFH gewährt den Vorsteuerabzug aus der Errichtung einer PV-Anlage in sog. Mieterstrommodellen, da es sich bei der Stromlieferung bei entsprechender Gestaltung um eine gesonderte steuerpflichtige Lieferung an den Mieter handeln kann (BFH Urt. v. 17.7.2024 – XI R 8/21).
- Der BFH versagt jedoch den Vorsteuerabzug aus der Errichtung einer Heizungsanlage, wenn die erzeugte Wärme an die Mieter geliefert wird, aber die Kosten für die Anlage nicht auf die Mieter umgelegt, sondern nach Heizkostenverordnung abgerechnet werden (BFH Urt. v. 7.12.2023, V R 15/21).
- Wird in einer Rechnung über ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nicht auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hingewiesen, scheitert die Vereinfachungswirkung; der mittlere Unternehmer muss sich im Zielstaat registrieren. Eine Rechnungsberichtigung wirkt nicht zurück (BFH Urt. v. 17.7.2024 – XI R 35/22).
- Eine Zuordnung von teilunternehmerisch genutzten Gegenständen zum Unternehmen muss zwar bis zur Regelabgabefrist der Steuererklärung für nicht beratene Steuerpflichtige objektiv dokumentiert werden, kann aber auch noch nach dieser Frist der Finanzverwaltung mitgeteilt werden (BMF-Schreiben v. 17.5.2024).
- Auch eine einzelne Personenbeförderungsleistung kann zu einer Margenbesteuerung für Reiseleistungen führen (hier: Handel mit Flugtickets). EuGH Beschl. v. 25.6.2024 – C-763/23, Dragoram Tour.
Dr. Stefanie Becker, Dipl.-Wirtschaftsjuristin, Dipl.-Finanzwirtin (FH), Steuerberaterin, Ansbach (www.umsatzsteuer3.de)
BC 1/2025
BC20250120