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Umsatzsteuer
   

Umsatzsteuer: Aktuelle Entwicklungen

Dr. Stefanie Becker

 

Das Jahresende 2022 brachte viel Neues im Umsatzsteuerrecht. So beinhaltet zunächst das Jahressteuergesetz (JStG) 2022 wesentliche Neuerungen, wie den Nullsteuersatz für PV-Anlagen. Daneben erließ die Finanzverwaltung wichtige BMF-Schreiben, wie zu den Grundsätzen der Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken. Zudem verkündete der EuGH sein lang erwartetes Urteil zur deutschen Organschaftsregelung. Schließlich veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Richtlinienvorschlag zur Anpassung der Mehrwertsteuer an das digitale Zeitalter (ViDA).


 

 

Gesetzliche Neuregelungen

 

Nullsteuersatz für PV-Anlagen im JStG 2022

Das JStG 2022 enthält ein deutsches Novum im Umsatzsteuerrecht, indem es einen Nullsteuersatz einführt. Dieser wirkt wie eine echte Steuerbefreiung: volles Vorsteuerabzugsrecht ohne Umsatzsteuer auf den Ausgangsumsatz. Die Lieferung, der innergemeinschaftliche Erwerb, die Einfuhr oder Installation von PV-Anlagen einschließlich der wesentlichen Komponenten und Speicher unterliegt für Leistungsausführungen ab 1.1.2023 einem Steuersatz von 0%, sofern die Anlagen auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Für Anlagen bis zu einer Leistung von 30 kWp findet der Steuersatz grundsätzlich Anwendung.

 

Unternehmereigenschaft unabhängig von der Rechtsfähigkeit

Nun ist gesetzlich geklärt, dass auch eine nicht rechtsfähige Person Unternehmer sein kann. Damit hat der Gesetzgeber die unterschiedlichen Auffassungen von Rechtsprechung und Finanzverwaltung, insbesondere für Bruchteilsgemeinschaften, nun geklärt.

 

Auswahl weiterer Änderungen im JStG 2022 sowie vorheriger Gesetze

  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben nun weitere zwei Jahre – bis 31.12.2024 – Zeit, § 2b UStG umzusetzen.
  • Die Monatsfrist für die Berichtigung einer Zusammenfassenden Meldung (ZM) für Zwecke der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung wurde gestrichen.
  • Die Vorsteuerpauschalierung nach allgemeinen Durchschnittssätzen in § 23 UStG wird ab 1.1.2023 gestrichen.
  • Der Pauschalsteuersatz für Land- und Forstwirte wird ab 1.1.2023 von 9,5% auf 9% gesenkt.
  • Für Restaurationsleistungen mit Ausnahme der Getränke gilt bis 31.12.2023 der Steuersatz von 7%.
  • Erdgas- und Fernwärmelieferungen unterliegen für den Zeitraum vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 dem Steuersatz von 7%.

 

 

BMF-Schreiben zur Vorsteueraufteilung von gemischt genutzten Grundstücken

Mit Schreiben vom 20.10.2022 setzt die Finanzverwaltung endlich die langjährige Rechtsprechung des BFH um und passt den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) entsprechend an. Vorsteuerbeträge für Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind grundsätzlich nach dem für das Objekt maßgeblichen Schlüssel ohne direkte Zuordnung aufzuteilen. Gleiches gilt für Vorsteuern aus der Erhaltung des Gebäudes, sofern eine vorrangige direkte Zuordnung zu Umsätzen nicht möglich ist. In Betracht kommen in folgender Reihenfolge:

  • ein objektbezogener Flächenschlüssel bzw., wenn dieser nicht sachgerecht ist,
  • je nach Fallgestaltung ein objektbezogener Umsatzschlüssel,
  • ein Schlüssel nach Nutzungszeiten (z.B. bei zeitlich unterschiedlicher Nutzung derselben Flächen) oder dem umbauten Raum (z.B. bei Abweichungen der Geschosshöhen).
  • Der Gesamtumsatzschlüssel kommt nur nachrangig zur Anwendung, wenn kein anderer Schlüssel sachgerecht ist (z.B. für Verwaltungsgebäude).

Der Unternehmer ist in seiner Wahl frei, solange er der Finanzverwaltung Informationen zur Verfügung stellen kann, dass er einen sachgerechten Schlüssel gewählt hat. Er muss nicht zwingend den präzisesten Schlüssel wählen.

Die Finanzverwaltung konkretisiert insbesondere die Ermittlung des Flächenschlüssels. Er bemisst sich nach den Gebäudeinnennutzflächen, ohne z.B. der Berücksichtigung von Außenstellplätzen. Welche Flächen in welchem Umfang einzubeziehen sind, konkretisiert das BMF zudem. Daneben kann auch auf andere Methoden der Flächenberechnung zurückgegriffen werden, wenn diese sachgerecht sind.

Der Flächenschlüssel kann grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen, wenn erhebliche Ausstattungsunterschiede vorliegen, die sich insbesondere in der Höhe des Bauaufwands widerspiegeln.

Die Grundsätze gelten analog für die Aufteilung von Vorsteuern bei teilunternehmerisch genutzten Grundstücken.

 

 

EuGH-Urteil zur deutschen Organschaftsregelung

Der EuGH hatte nach Vorlage der beiden Umsatzsteuersenate des BFH über die Unionsrechtskonformität der deutschen Organschaftsregelung zu entscheiden. Die Urteile vom 1.12.2022 (C-141/20 und C-269/20) waren lange erwartet worden. Sie stellen nun klar, dass die Berücksichtigung aller Umsätze beim Organträger als Steuerschuldner der Umsätze der Organschaft unionsrechtskonform ist. Der EuGH geht aber auch davon aus, dass die einzelnen Organgesellschaften weiterhin selbstständig sind. Sie können damit entgeltliche Leistungen an den Organträger erbringen. Leider lässt der EuGH hier Raum für Diskussionen, ob damit auch eine Steuerbarkeit der Innenumsätze innerhalb des Organkreises unionsrechtlich denkbar wäre. Hier werden wohl die Nachfolgeentscheidungen des BFH abgewartet werden müssen. Zudem ist eine gesetzliche Überarbeitung der Organschaftsregelung weiterhin dringend erforderlich.

 

 

Anpassungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Wie jedes Jahr veröffentlichte das BMF mit Schreiben vom 20.12.2022 auch in 2022 seine Anpassungen des UStAE. Zu nennen sind insbesondere die folgenden:

  • Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt bei Übertragung eines vermieteten Grundstücks auch dann vor, wenn der Erwerber nicht in die Mietverträge eintritt, aber eigene Mietverträge abschließt.
  • Bei der Abgrenzung zwischen Restaurationsleistungen von Speisen- bzw. Getränkelieferungen ist zum einen auch maßgeblich, ob die unterstützenden Dienstleistungen mehr als nur einen geringfügigen personellen Einsatz erfordern, da z.B. das gestellte Material herbeigeschafft, zurückgenommen und ggf. gereinigt wird. Zum anderen ist es unerheblich, dass die Einrichtung zugleich auch als Aufenthaltsraum, Warte- oder Treffpunkt genutzt werden kann.
  • Eine zustellfähige Postanschrift genügt nicht für eine Ansässigkeit.
  • Eine Rückzahlung der Umsatzsteuer an den Leistungspartner kann bei Berichtigung einer Steuerschuld nach § 14c UStG auch durch Abtretung erfolgen. Die Rechnungsberichtigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsstellung zurück.
  • Bei einer Schlussrechnung ergibt sich die abzugsfähige Vorsteuer aus der ausgewiesenen Umsatzsteuer abzgl. der bereits in den Abschlagsrechnungen enthaltenen Umsatzsteuer.

 

 

Richtlinienvorschlag „VAT in the Digital Age“ (ViDA)

Der Richtlinienvorschlag, den die Europäische Kommission am 8.12.2022 veröffentlicht hat, umfasst im Wesentlichen drei Themenblöcke:

  • Neuregelungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Plattformwirtschaft
    Hier soll es unter gewissen Voraussetzungen zu einer fiktiven Leistungskette zwischen Anbieter (meist von Ferienwohnungen bzw. Personenbeförderungsleistungen), Plattform und Kunden kommen, um hierdurch eine Ungleichbehandlung zur Hotel- und Taxibranche zu vermeiden.
  • Neue elektronische Mehrwertsteuermeldepflichten in Kombination mit einer elektronischen Rechnungsstellung
    Rechnungen sollen zunächst im EU-grenzüberschreitenden B2B-Verhältnis (Business-to-Business – Leistungsaustausch findet ausschließlich zwischen Unternehmen statt) nur noch in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt und übermittelt werden dürfen. Zwei Tage nach der Rechnungsstellung sollen bestimmte Daten dann der Finanzverwaltung übermittelt werden. Diese transaktionsbasierten digitalen Berichtspflichten werden die Zusammenfassende Meldung ersetzen. Sukzessive sollen diese Verpflichtungen ausgeweitet werden und auf mehr Leistungen anwendbar sein.
  • Eine einheitliche EU-Mehrwertsteuerregistrierung
    Das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-Verfahren) verzeichnet große Erfolge bei der Steuererhebung und soll deshalb auf die wichtigsten sonstigen Leistungen sowie Lieferungen ausgeweitet werden, für die eine Registrierung von Unternehmern im EU-Ausland momentan erforderlich ist. Zudem sollen innerunternehmerische Verbringenssachverhalte hierüber gemeldet werden können.

 

Dr. Stefanie Becker, Dipl.-Wirtschaftsjuristin, Dipl.-Finanzwirtin (FH), Steuerberaterin, Ansbach (www.umsatzsteuer3.de)

 

 

BC 2/2023

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