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Umsatzsteuer
   

Photovoltaik-Anlagen: Ergänzte BMF-Antworten auf Anwendungsfragen zum Nullsteuersatz

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BMF 27.2.2023, III C 2 – S 7220/22/10002 :010


Seit dem 1.1.2023 gilt für PV-Anlagen ein neuer Umsatzsteuersatz von 0% (Nullsteuersatz gemäß § 12 Abs. 3 UStG). Der mit dem Jahressteuergesetz 2022 fixierte Gesetzeswortlaut scheint einfach und war auch als Vereinfachungsregelung gedacht, birgt jedoch in der Praxis einen immensen Auslegungsspielraum. Das angekündigte BMF-Schreiben liegt jetzt vor. Im Vergleich zur Entwurfsfassung sind neu aufgenommene Beispielsfälle hervorzuheben.


 

Praxis-Info!

Hintergrund

Die grundsätzliche Neuregelung der Besteuerung von Photovoltaik(PV)-Anlagen durch das Jahressteuergesetz 2022 ist zum 1.1.2023 mit einem neuen Absatz 3 des § 12 UStG in Kraft getreten. Hiernach ermäßigt sich die Steuer auf 0% für die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaik-Anlage. Auch die Einfuhr, der innergemeinschaftliche Erwerb und die Installation unterliegen dem Nullsteuersatz, wenn es sich um begünstigte Solarmodule, Speicher oder wesentliche Komponenten im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG handelt.

Von allgemeiner Bedeutung ist, dass die Absenkung des Steuersatzes auf 0% nur für die Leistungen gegenüber dem Betreiber der PV-Anlage gilt. Die Lieferungen der Hersteller, Großhändler oder Einzelhändler an Personen, die nicht Betreiber sind, unterliegen weiterhin dem Regelsteuersatz.

Als weitere Voraussetzung ist zu beachten, dass ein Zusammenhang mit der Privatwohnung, mit Wohnungen oder öffentlichen Gebäuden besteht. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten (fiktiv = unterstellt) als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Anlage laut Marktstammdatenregister (MAStR) nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird.

Da diese grundsätzliche Neuregelung eine Fülle von Anwendungsfragen aufwirft, hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) bereits am 16.12.2022 einen ersten FAQ-Katalog herausgegeben, dem dann am 26.1.2023 eine Entwurfsfassung des BMF-Schreibens folgte, über die an dieser Stelle schon berichtet wurde (vgl. Hillmer, BC-Newsletter vom 2.2.2023).

Dem ist nun die endgültige Fassung gefolgt, die unter dem Titel „Umsatzsteuer; Nullsteuersatz für Umsätze im Zusammenhang mit bestimmten Photovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 UStG)“ am 27.2.2023 veröffentlicht wurde. Die Erwartung, dass schon der Entwurf in den Grundzügen und auch vielen wesentlichen Details der endgültigen Fassung entsprechen dürfte, hat sich bestätigt, sodass nach wie vor auf den Beitrag im BC-Newsletter vom 2.2.2023 verwiesen werden kann. Aber an manch wichtiger Stelle ist der endgültigen Fassung mehr zu entnehmen. Das ist auch an der von 7 auf 10 Seiten gewachsenen Länge des BMF-Dokuments abzulesen.

 

Lösung

Die Finanzverwaltung hat an verschiedenen Stellen den UStAE ergänzt und insbesondere einen neuen UStAE 12.18 eingeführt, der insgesamt 10 Absätze umfasst.

(1) Änderung der Verhältnisse: So fällt zunächst auf, dass im endgültigen BMF-Schreiben im Abschnitt I (Allgemeines) in der Einführung nun zur Vorsteuerberichtigung folgende Rn. 2 enthalten ist: „Wird ein Gegenstand, bei dessen Erwerb eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestand, zum Nullsteuersatz geliefert, stellt dies allein keine Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 15a UStG dar.“

(2) Unentgeltliche Wertabgabe bei Entnahme: Ausführlicher geht das BMF unter den Ausführungen zur unentgeltlichen Wertabgabe auf die Entnahmeproblematik ein. Unverändert gilt, dass die Entnahme oder unentgeltliche Zuwendung einer PV-Anlage, die vor dem 1.1.2023 erworben wurde und die zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, nach § 3 Abs. 1b UStG als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterliegt. Neu bzw. in weiten Teilen ergänzend heißt es dann – zunächst in nur leichter Umformulierung –, dass eine Entnahme des gesamten Gegenstands nur möglich ist, wenn zukünftig voraussichtlich mehr als 90% des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden. Wirklich neu sind gegenüber der Entwurfsfassung die Vereinfachungsregelungen, wonach schon die Absicht des Betreibers ausreicht, künftig mehr als 90% des mit der Anlage erzeugten Stroms für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden: „Davon ist aus Vereinfachungsgründen insbesondere auszugehen, wenn ein Teil des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms z.B. in einer Batterie gespeichert wird. Ausreichend ist auch, wenn eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90% nahelegt.“ Hingegen wirkt einschränkend eine weitere neue BMF-Vorgabe, wonach die Entnahme nur eines Teils eines ursprünglich zulässigerweise dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands (vgl. UStAE 15.2c) nicht möglich ist. Dieser Zusatz ist dann auch in den neuen Absatz 3 des UStAE 3.2 übernommen worden.

(3) Lieferung einer PV-Anlage: Eine Lieferung ist wie schon in der Entwurfsfassung als Verschaffung der Verfügungsmacht zu verstehen. Nebenleistungen zur Hauptleistung sind einheitlich mit dem Nullsteuersatz zu besteuern. Ausführlicher geht die endgültige Fassung darauf ein, was zu den Nebenleistungen zu zählen ist, und zwar

  • die Übernahme der Anmeldung in das Marktstammregister (MaStR),
  • die Bereitstellung von Software zur Steuerung und Überwachung der Anlage,
  • die Montage der Solarmodule,
  • die Kabelinstallationen,
  • die Lieferung und der Anschluss des Wechselrichters oder des Zweirichtungszählers,
  • die Lieferung von Schrauben und Stromkabeln,
  • die Herstellung des AC-Anschlusses,
  • die Bereitstellung von Gerüsten,
  • die Lieferung von Befestigungsmaterial oder auch
  • die Erneuerung des Zählerschranks, wenn diese vom Netzbetreiber verlangt wird bzw. aufgrund technischer Normen für den Betrieb der Photovoltaik-Anlage erforderlich ist.

(4) Belegenheitsvoraussetzungen: Hierzu fällt im Vergleich mit der Vorfassung ein neu aufgenommener Absatz 4 in UStAE 12.18 auf: Er regelt den Fall, dass ein Gebäude sowohl für begünstigte als auch nicht begünstigte Zwecke (z.B. teilweise zu Wohnzwecken und teilweise zu gewerblichen Zwecken) verwendet wird. Hierbei ist „grundsätzlich von einem begünstigten Gebäude auszugehen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die unschädliche Nutzung so sehr hinter der schädlichen Nutzung zurücktritt, dass eine Anwendung der Begünstigung nicht sachgerecht wäre“. Von einer solchen nicht sachgerechten Anwendung geht das BMF aus, wenn die unschädliche Nutzung in so engem Zusammenhang mit der schädlichen Nutzung steht, dass ihr kein eigener Zweck zukommt (z.B. Hausmeisterwohnung in einem Gewerbekomplex) oder wenn die auf die unschädliche Nutzung entfallenden Nutzflächenanteile weniger als 10% der Gesamtgebäudenutzfläche ausmachen. Falls die unschädliche Nutzung hinter der schädlichen Nutzung zurücktritt, unterliegt die Lieferung insgesamt dem Regelsteuersatz.

 

(5) Nachträgliche Erweiterung einer PV-Anlage: Unter dem UStAE 12.18 über Vereinfachungsregelungen (im Wesentlichen maßgeblich ist insoweit die Leistungsgrenze von 30 kwp einer Anlage) wird nun zusätzlich erläutert, dass bei der nachträglichen Erweiterung einer Photovoltaik-Anlage die Leistung der bestehenden Einheit mit der der Erweiterung zu addieren ist. Soweit die (zuvor erläuterte) 30-kW-Grenze durch die Erweiterung überschritten wird, ist die Vereinfachungsregelung auf den nachträglich ergänzten Teil nicht anwendbar. Wichtig ist der neue Satz 9 in UStAE 12.18 Abs. 5, dass dies für den bereits bestehenden Teil jedoch nicht zur nachträglichen Nichtanwendbarkeit der Vereinfachungsregelung führt.

 

(6) Wesentliche Komponenten: In den Abs. 8 und 9 des UStAE 12.18 befasst sich das BMF näher damit, dass neben den Solarmodulen und dem Batteriespeicher (auch nachträglich eingebaute Speicher) „wesentliche Komponenten“ dem Nullsteuersatz unterliegen. Darunter sind z.B. der bzw. die Wechselrichter, die Dachhalterungen, das Energiemanagement-System sowie Solarkabel etc. zu verstehen. Bei der Abgrenzung, was nicht als wesentliche Komponente einzustufen ist, sollen neue Beispielsfälle helfen:

 

  • Im Fall 1 erwirbt der Unternehmer U im Baumarkt u.a. Schrauben und Kabel, um eine Photovoltaik-Anlage in Eigenleistung auf seinem Privathaus zu errichten: Hier unterliegt die Lieferung der Schrauben und Kabel dem Regelsteuersatz in Höhe von 19%, da es sich nicht um wesentliche Komponenten im Sinne des § 12 Abs. 3 UStG handelt.
  • Wenn aber wie im Fall 2 der Unternehmer U das Solarunternehmen S im Rahmen einer sog. „Paketlösung“ beauftragt, eine PV-Anlage auf seinem Privathaus zu installieren, und in den Materialkosten, die S gegenüber U in Rechnung stellt, auch Kabel und Schrauben enthalten sind, dann kann im Rahmen einer einheitlichen Leistung auch insoweit der Nullsteuersatz zur Anwendung kommen.

(7) Installation: Da auch die Installation einer Anlage der Begünstigung unterliegt, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG erfüllt, kommt es hierbei auf die Abgrenzung von (Vor-)Arbeiten an, die auch anderen Stromverbrauchern oder Stromerzeugern oder anderen Zwecken zugutekommen (z.B. Erweiterung des Zählerschranks, Bodenarbeiten, Dacharbeiten), und die dann nicht dem Nullsteuersatz unterliegen. Dies wird vom BMF nun mit drei Beispielen näher präzisiert:

 

  • Im Fall 1 errichtet der Unternehmer U in Eigenleistung eine PV-Anlage auf seinem Privathaus und beauftragt dazu für die erforderlichen Bodenarbeiten eine Baufirma B sowie für die Erweiterung seines Zählerschranks das Elektrounternehmen E. Da zusätzlich eine Verstärkung der Dachsparren erforderlich ist, wird hierfür das Dachdeckerunternehmen D beauftragt. In dieser Konstellation ist dem BMF zufolge für die Erweiterung des Zählerschranks, für die Bodenarbeiten sowie die Dacharbeiten jeweils der Regelsteuersatz in Höhe von 19 % anzuwenden.
  • Das gilt erwartungsgemäß auch für den vom BMF gebildeten Fall 2, wenn die Errichtung der PV-Anlage insgesamt im Rahmen einer Gebäudesanierung erfolgt.
  • Wenn jedoch im Fall 1 unter sonst gleichen Bedingungen der U das Solarunternehmen S im Rahmen einer sog. „Paketlösung“ beauftragt hätte, eine PV-Anlage mit 25 kw (peak) auf seinem Gebäude zu installieren, dann würden alle von S im Rahmen einer einheitlichen Leistung (Dacharbeiten, Lieferung einer Photovoltaik-Anlage, Bodenarbeiten, Erweiterung Zählerschrank) erbrachten Arbeiten unter den übrigen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG dem Nullsteuersatz unterfallen.

Praxishinweise:

  • Mit den unterschiedlichen Konsequenzen je nach Beauftragungsform zeigt sich, dass der Teufel weiterhin in manchem Detail stecken könnte. Zu begrüßen ist aber, dass das BMF in bestimmten Bereichen zu den vorgesehenen UStAE-Änderungen mit den oben genannten Beispielen konkreter geworden ist.
  • Ferner befasst sich die endgültige Fassung insbesondere mit Fällen nachträglicher Lieferungen, so die oben beschriebene nachträgliche Erweiterung der Anlage insgesamt (Abs. 5 zu UStAE 12.18), aber auch die nachträgliche Lieferung von Speichern, wesentlichen Komponenten und Ersatzteilen (Abs. 6) sowie die nachträgliche Änderung der Nutzung von Batterien und Speichern (Abs. 7) sind nun im UStAE enthalten.
  • Nach den neuen Sätzen 5 und 6 im Abs. 1 zu UStAE 12.18 werden jetzt auch Bauträger ausdrücklich erwähnt: „Dem Nullsteuersatz unterliegen grundsätzlich auch die Lieferungen von sog. Aufdachphotovoltaikanlagen durch Bauträger. Dies gilt auch, wenn der Bauträger neben der Aufdachphotovoltaikanlage auch das Gebäude liefert, da die Lieferung der Aufdachphotovoltaikanlage hierzu eine eigenständige Leistung und keine unselbstständige Nebenleistung darstellt.“ Wie das mit der im BMF-Schreiben vom 20.10.2022, BStBl. I 2022, 1497, zur Frage der Vorsteueraufteilung getroffenen Aussage zusammenpasst, dass die Kosten für die PV-Anlage unter den Voraussetzungen des UStAE 15.17 Abs. 6 Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (AHK) des Gebäudes darstellen, wird noch zu klären sein. In einer ersten Stellungnahme in den Haufe-News vom 2.2.2023 sieht Radeisen Klärungsbedarf, wenn zwischen denselben Vertragsparteien beim leistenden Unternehmer zwei getrennte Leistungen vorliegen sollen, während der Leistungsempfänger einheitliche AHK ansetzen soll.
  • Radeisen moniert auch, dass sich im Vergleich mit den Altanlagen für die Neuanlagen ab dem 1.1.2023 wirtschaftliche Vorteile ergeben, da der Eigenverbrauch des dezentral genutzten Stroms im Ergebnis keiner Umsatzsteuer mehr unterliegt; es finde somit ein unbesteuerter inländischer Endverbrauch statt. Betreiber von Altanlagen sollten aber vorsichtig sein, vorschnell Änderungen (wie z.B. Übertragung an eine nahestehende Person) vorzunehmen.

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

BC 4/2023

BC2023404

 

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