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Selbstständige/Berufsrecht
   

Freie Mitarbeit bei einem Insolvenzverwalter

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 15.12.2010, VIII R 50/09

 

Der BFH hat in einem am 16.3.2011 veröffentlichten Urteil seine bisherige Rechtsprechung zur Gewerbesteuerpflicht von Insolvenzverwaltern mit qualifizierten Mitarbeitern aufgegeben. Nach der Urteilsbegründung kann ein Insolvenzverwalter, welcher qualifiziertes Personal einsetzt, gewerbesteuerfreie Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielen. Entscheidend ist, ob die Organisation und Abwicklung des Insolvenzverfahrens den „Stempel der Persönlichkeit“ des bestellten Insolvenzverwalters tragen. Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter getroffen werden müssen. Der BFH spricht hierbei von „Ob“-Entscheidungen, also z.B. der Frage, ob Mitarbeitern gekündigt wird. Nachdem der Insolvenzverwalter diese Entscheidungen persönlich getroffen hat, kann er das „wie“, also die kaufmännisch-technische Umsetzung seiner Entscheidungen, an qualifizierte Hilfspersonen übertragen. Hieraus ergeben sich neue Geschäftsfelder für selbstständige Bilanzbuchhalter/innen und Controller/innen.

Bislang ging der BFH im Rahmen der sog. „Vervielfältigungstheorie“ davon aus, mit der Beschäftigung von Mitarbeitern sei eine sonstige selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht mehr gegeben, mit der Folge, dass die Tätigkeit der Gewerbesteuer unterlag.

 

Praxis-Info!

 

Selbstständige Bilanzbuchhalter und Controller als qualifizierte (freie) Mitarbeiter eines Insolvenzverwalters

Zunächst ist festzuhalten: § 56 Abs. 1 InsO schreibt keine besonderen Berufsqualifikationen für Insolvenzverwalter vor. Ein potenzieller Insolvenzverwalter muss vielmehr „geschäftskundig“ sein. In der Praxis sind die Mehrheit der Insolvenzverwalter Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerberater, wobei der Anteil der sonstigen Kaufleute nach diversen BFH-Urteilen ansteigend ist.

Der Insolvenzberater steht vor dem Problem, dass sich Insolvenzen nicht planmäßig ereignen und einen unterschiedlichen Arbeitsumfang bewirken. Insolvenzverwalter sind daher an flexiblen Mitarbeitern interessiert, die bei höherer Arbeitsbelastung zur Verfügung stehen. Vor allem für kleinere Rechtsanwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzleien eröffnen sich durch das oben genannte BFH-Urteil neue Geschäftsmöglichkeiten. Zur Realisierung dieser Möglichkeiten benötigen sie jedoch qualifizierte Mitarbeiter. Aufgrund ihrer Qualifikation sind Bilanzbuchhalter und Controller bestens dafür geeignet, als qualifizierte Mitarbeiter die kaufmännisch-technische Umsetzung der Entscheidungen des Insolvenzverwalters zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für die Erfüllung der handels-, insolvenz- und steuerrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften.

Als qualifizierte freie Mitarbeiter eines als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers greifen auch die berufsrechtlichen Einschränkungen des § 6 StBerG nicht, da die Aufgaben unter Anleitung und Überwachung eines zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen Berechtigten ausgeführt werden. Selbstständige Bilanzbuchhalter und Controller stehen daher dem Insolvenzverwalter mit ihrem vollen Fachwissen zur Verfügung. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Rechnungslegung in der Insolvenz gegeben.

 

Rechnungslegung in der Insolvenz

Zunächst einmal ist die externe Rechnungslegungspflicht zu beachten: Die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und Rechnungslegung bleiben (gemäß § 155 Abs. 1 InsO) von der Insolvenz unberührt. Die Verantwortlichkeit hierfür geht jedoch auf den Insolvenzverwalter über.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt ein neues Geschäftsjahr (§ 155 Abs. 2 InsO). Fallen der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und das Geschäftsjahresende nicht zusammen (was regelmäßig der Fall sein wird), ist für das alte Rumpf-Geschäftsjahr ein vollständiger Abschluss zu erstellen. Anschließend ist eine Eröffnungsbilanz für das neue Geschäftsjahr aufzustellen. Das neue Geschäftsjahr hat einen Zeitraum von 12 Monaten. Zu beachten ist aber: Das neue Geschäftsjahr stimmt unter Umständen nicht mit dem von Satzung oder Gesellschaftsvertrag bestimmten Geschäftsjahr überein. Soll das neue Geschäftsjahr beibehalten werden, sind Satzung und Handelsregistereintragung zu korrigieren. Darüber hinaus ist eventuell die Zustimmung des Finanzamtes (§ 8b EStDV) einzuholen, wenn es zu einer Abweichung von Geschäfts- und Kalenderjahr kommt. Um diese administrativen Probleme zu umgehen, wird häufig ein zweiter Rumpfjahresabschluss zum Ende des vormaligen Geschäftsjahres erstellt, um von da an wieder in den normalen Geschäftsjahreszeiträumen zu bilanzieren. Es müssen also unter Umständen in kurzer Zeit zwei Rumpfjahresabschlüsse erstellt werden. Dabei hat der Insolvenzverwalter auf Grundlage seines Insolvenzplanes zu entscheiden, ob weiterhin unter einer „going concern“-Prämisse (d.h. Fortführung der Unternehmenstätigkeit) bilanziert werden soll. Neben den notwendigen Abschlussbuchungen, dem Buchen der laufenden Geschäftsvorfälle und der Mithilfe bei der Erstellung von Anhang und Lagebericht können selbstständige Bilanzbuchhalter und Controller auch – unter Aufsicht des Insolvenzverwalters – bei der Erstellung des Inventars sachkundige Hilfe leisten, z.B. durch Organisation und Überwachung einer ordnungsgemäßen Inventur.

Auch insolvenzrechtlich bestehen diverse Rechnungslegungsvorschriften. So hat der Insolvenzverwalter ein Verzeichnis der Massegegenstände (§ 151 InsO) und eine Vermögensübersicht (§ 153 InsO) zu erstellen. Die Parallelen zum handelsrechtlichen Inventar sind ersichtlich. Allerdings sind beim Verzeichnis der Massegegenstände eventuell neben den Buchwerten auch die Liquidationswerte anzugeben. Stille Reserven sind also aufzudecken. Wie schon bei der Durchführung der Inventur und dem Erstellen des Inventars sind auch hierbei selbstständige Bilanzbuchhalter und Controller bestens qualifiziert, die insolvenzrechtlichen Verzeichnisse für den Insolvenzverwalter zu erstellen. Weiterhin kann die Gläubigerversammlung vom Insolvenzverwalter nach § 66 Abs. 3 InsO eine Zwischenberichterstattung (Zwischenrechnungslegung) verlangen. Die Termine hierfür können von den handelsrechtlichen Berichtsterminen abweichen. Der Insolvenzverwalter ist somit auf eine permanent zuverlässige Buchführung angewiesen.

 

Resümee

Durch das oben genannte BFH-Urteil wird die Betätigung als Insolvenzverwalter für kleinere Rechtsanwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzleien zunehmend interessanter. Um die mit einer Insolvenz verbundenen kaufmännisch-technischen Tätigkeiten zu erfüllen, bedürfen kleinere Kanzleien aber der Unterstützung qualifizierter Mitarbeiter. Aufgrund der höheren Flexibilität dürfte freien Mitarbeitern dabei der Vorzug gegeben werden. Gerade im Bereich der handels-, insolvenz- und steuerrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften sind selbstständige Bilanzbuchhalter und Controller bestens dafür geeignet, die Umsetzung der vom Insolvenzverwalter getroffenen Entscheidungen zu gewährleisten.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Christian.Thurow@sc.com)

 

BC 4/2011

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